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b) Verzögerte Information nach Vertragsschluss
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Der zweite Anknüpfungspunkt für eine mögliche Pflichtverletzung des L liegt in seinem weiteren Verhalten nach Vertragsschluss. Ursprünglich lag zwar eine Verkaufsbereitschaft auf Seiten des L vor. Nachdem er von dem Vermächtnis erfahren hat, ist er hiervon innerlich abgerückt. Statt GF über die geänderten Umstände direkt zu unterrichten, hat L bewusst zögerlich reagiert und GF dadurch einige Tage im Unklaren gelassen. Eventuell hätte L den GF über die geänderte Sachlage unmittelbar aufklären müssen. Seine Verpflichtung hierzu könnte sich aus dem durch das vorangegangene Edelmannswort geweckte Vertrauen in die Erfüllung des Kaufvertrags ergeben.
Insoweit ähnelt die Situation der für die culpa in contrahendo anerkannten Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Grundsätzlich hat aber jede an Vertragsverhandlungen beteiligte Partei das Recht, vom Vertragsschluss letztlich doch Abstand zu nehmen, ohne dies begründen zu müssen oder sich dadurch schadensersatzpflichtig zu machen. Wenn der andere Teil sich ausgerechnet hat, der Vertrag werde zustande kommen und er deshalb Aufwendungen tätigt, so ist das seine Sache. Selbst wenn der andere Teil von diesen Aufwendungen weiß, begründet das allein keine Haftung aus culpa in contrahendo.[22] Hinzukommen müssen weitere Umstände, die eine Haftung wegen enttäuschten Vertrauens ausnahmsweise rechtfertigen.
Bei formbedürftigen Verträgen wird eine Haftung erwogen, wenn die Abschlussbereitschaft nur vorgetäuscht war oder wenn der Vertragspartner nicht offenbart, dass er zwischenzeitlich von seiner anfänglichen Abschlussbereitschaft abgerückt ist.[23] Regelmäßig wird allerdings ein vorsätzliches pflichtwidriges Verhalten gefordert.[24]
Fraglich ist, ob L ein pflichtwidriges, noch dazu vorsätzliches, Verhalten zur Last fällt, weil er einige Tage gewartet hat, bevor er GF die geänderte Sachlage mitteilte. In Anbetracht der Tatsache, dass das Vermächtnis für L plötzlich und unvorhergesehen kam und es sich zudem um den Verkauf des sehr wertvollen Familiensitzes des L handelt, können ihm durchaus einige Tage Bedenkzeit zugestanden werden. Andererseits hätte er den GF auch vom Vermächtnis unterrichten und sich eine Überlegungszeit vorbehalten können. Damit hätte er GF wenigstens die Möglichkeit gegeben, eventuell parallel stattfindende Ausgaben zu stoppen. Das Architektenhonorar war indes bereits bezahlt, weshalb es insoweit an der Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem Schaden fehlt. Der GmbH sind durch das Zögern des L keine weiteren Kosten entstanden. Auf die Frage der Vorsätzlichkeit kommt es deshalb nicht an.
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Hinweis zum Aufbau:
Die vorstehende Argumentation vermischt bei dem zweiten Ansatzpunkt (verzögerte Information) Fragen der Pflichtverletzung, des Verschuldens und der Kausalität. Dies ist der besseren Verständlichkeit geschuldet, weil zwei Pflichtverletzungen angesprochen werden, die gut vertretbar bejaht und verneint werden können. Da nur im Fall der Pflichtverletzung durch Geben des Ehrenworts ein kausaler Schaden denkbar ist, wird die ausführliche Prüfung mit diesem Argumentationsstrang fortgeführt. Die Pflichtverletzung aufgrund verspäteter Mitteilung des Sinneswandels wird dagegen nicht weiterverfolgt, auch wenn die fehlende Kausalität nach streng logischer Reihenfolge erst zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen wäre.