Читать книгу Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II - Ulrich Falk - Страница 32
4. Schaden und Anspruchsinhalt
Оглавление21
Nach § 249 I BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte. Bei der Haftung aufgrund des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ist in der Regel der Vertrauensschaden zu ersetzen. Damit ist das negative Interesse angesprochen: Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Im Gegensatz zum Vertrauensschaden steht das positive Interesse (Erfüllungsinteresse): Bei diesem ist der Gläubiger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte.[25]
Das negative Interesse der GmbH beläuft sich auf € 50.000, die durch die Beauftragung des Architekturbüros entstanden sind. Hätte die GmbH nicht auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut, hätte sie das Architekturbüro nicht beauftragt.
Bei den € 50.000 handelt es sich um ein freiwilliges Vermögensopfer. Unter einem Schaden im natürlichen Sinn versteht man zwar grundsätzlich nur Einbußen, die jemand unfreiwillig an seinen Lebensgütern erleidet und keine willentlich erbrachten Vermögensopfer. Soweit für enttäuschtes Vertrauen gehaftet wird, umfasst der zu ersetzende Schaden gleichwohl auch solche Aufwendungen, die ursprünglich freiwillig erbracht wurden und infolge des schädigenden Ereignisses nutzlos geworden sind.[26] Ein Anspruch auf Ersatz der € 50.000 ist deshalb zu bejahen.
Nicht einschlägig ist § 284 BGB. Diese Vorschrift über den Ersatz vergeblicher Aufwendungen setzt einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung voraus. Voraussetzung ist bei dieser Norm die Verletzung von Leistungspflichten, welche wiederum an einen Erfüllungsanspruch anknüpfen.
22
Fraglich erscheint, ob die GmbH ausnahmsweise den Ersatz ihres viel höheren positiven Interesses verlangen kann. Bejaht man dies, ist der Schadensersatzanspruch allerdings nicht auf Nachholung des Vertragsschlusses als Naturalrestitution (mit der Folge, dass die GmbH Übereignung des Grundstücks zum Preis von € 1,5 Mio. verlangen könnte) gerichtet.
Der BGH hat in einem ähnlich gelagerten Fall überzeugend ausgeführt, dass eine Grundstücksauflassung nur im Rahmen der Erfüllung des Vertrags verlangt werden kann, nicht aber im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs. Anderenfalls würde die Formvorschrift des § 311b I BGB leerlaufen. Der Gläubiger habe stattdessen einen Anspruch darauf, finanziell so gestellt zu werden, dass er ein vergleichbares Grundstück erwerben könne.[27]
Das Erfüllungsinteresse kann bei einem Anspruch aus culpa in contrahendo freilich nur ausnahmsweise verlangt werden. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass der gewünschte Vertrag bei pflichtgemäßem Verhalten des anderen Teils zustande gekommen wäre, steht dem Vertragsschluss selbst regelmäßig noch nicht gleich. Ersatzansprüche, wie sie sich aus einem Vertrag ergeben, können deshalb normalerweise nicht über den Umweg des Schadensersatzes gewährt werden. Vielmehr soll z. B. nach Medicus das positive Interesse nur dann im Schutzbereich liegen, wenn der andere Teil sein Verhalten selbst an bestimmte Regeln gebunden und damit seine Abschlussfreiheit eingeschränkt habe.[28] Derjenige, der nicht zum Vertragsschluss verpflichtet sei, könne ebenso wenig zu dem schadensrechtlichen Äquivalent der aus einem (wirksamen) Abschluss geschuldeten Erfüllung verpflichtet sein.[29] Bei schuldhafter Veranlassung der Nichtbeachtung einer gesetzlichen Form dürfte es deshalb, so Flume, nur geboten sein, dass der Partner den Schaden ersetzt bekomme, den er dadurch erleide, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraue.[30]
Für diese Ansicht sprechen die besseren Argumente. Entweder liegt nämlich ein Fall vor, der ausnahmsweise dazu führt, dass der Vertrag dennoch als formwirksam behandelt wird – dann besteht aber ein Erfüllungsanspruch und nicht lediglich ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse. Oder die Pflichtverletzung führt zu einem Anspruch aus culpa in contrahendo. Dieser sollte dann auch nur auf das negative Interesse gerichtet sein, um die vorherige Wertung nicht zu konterkarieren.[31] Die GmbH muss sich deshalb – wenn man hier einen formwirksamen Vertrag verneint – mit dem Ersatz der nutzlos gewordenen Architektenleistungen im Wert von € 50.000 zufriedengeben.
Hinweis für die Fallbearbeitung:
Gleichgültig wie man sich in dieser Frage entscheidet, ist aber zu beachten, dass die GmbH auf keinen Fall das negative (Architektenhonorar i. H. v. € 50.000) und das positive Interesse (entgangener Gewinn der GmbH gem. § 252 BGB i. H. v. € 750.000) gleichzeitig erhalten kann. Diese Kumulation stellt denklogisch einen groben Fehler dar.