Читать книгу Das Proust-ABC - Ulrike Sprenger - Страница 8
Agostinelli, Alfred (1888–1914)
ОглавлениеZunächst Chauffeur Prousts (1907–08) und später sein Geliebter (1913–14); in dieser Zeit stellt Proust ihn als Sekretär ein und besorgt seiner Frau eine Arbeitsstelle. Die Begegnung mit Agostinelli führt zu einer radikalen Umstrukturierung des ganzen Romans, da Proust nach dem Tod des Geliebten in das ursprünglich dreiteilig geplante Werk neue, unter dem Namen »roman d’Albertine« bekannt gewordene Teile einfügt, nämlich Sodom und Gomorrha, Die Gefangene und Die Entflohene. Agostinelli wird zum Vorbild für die Geliebte des Erzählers, ►Albertine, in deren Eigenschaften sich das wiedererkennen lässt, was Proust an Alfred zugleich reizt und beängstigt: Wie Albertine ist Agostinelli sportlich und fasziniert von der Geschwindigkeit. Als Chauffeur ermöglicht er Proust das völlig neue Erlebnis, die Welt aus der Perspektive eines fahrenden ►Automobils zu sehen, aus der sie sich in eine flüchtige Abfolge ständig wechselnder Bilder verwandelt. Diese ästhetisch reizvolle Flüchtigkeit überträgt sich aber – wiederum wie bei Albertine – auch auf die Person Agostinellis und wird dann zur Bedrohung des Liebesverhältnisses: Sportlichkeit und Lebenslust entziehen Agostinelli der Kontrolle und den Besitzansprüchen Prousts; es kommt zu Eifersuchtsszenen, zur Flucht Agostinellis und schließlich zum endgültigen Zerwürfnis, als Proust ihn davon abbringen will, Pilot zu werden. Am 30. Mai 1914 stürzt Agostinelli unmittelbar nach Erwerb der Pilotenlizenz bei seinem ersten Flug ins Meer und ertrinkt. Noch über den ►Tod hinaus setzen sich die ständigen Missverständnisse und die Unkontrollierbarkeit des Verhältnisses fort, als Proust einen verspäteten Brief erhält, in dem ihm Agostinelli für das Geschenk eines Flugzeugs dankt und eine mögliche Rückkehr andeutet. Teile dieses Briefes arbeitet Proust später wörtlich in Albertines Brief zu Beginn der Entflohenen ein, der den Erzähler erst nach der Nachricht von Albertines Tod erreicht. Im Todesjahr Agostinellis schreibt Proust an seinen früheren Geliebten und Freund Reynaldo Hahn: »Alfred liebte ich wirklich. Es genügt nicht zu sagen, dass ich ihn liebte, ich betete ihn an. Ich weiß nicht, warum ich das in der Vergangenheitsform schreibe, denn ich liebe ihn noch immer.« Das hier beschriebene Trägheitsmoment der Gefühle, die den noch lieben, der schon tot ist, und später dennoch den vergessen, den sie noch lieben, wird eines der Hauptthemen sein, mit dem sich der Roman anlässlich von Albertines Tod auseinandersetzt.