Читать книгу Hella Hell - Unni Drougge - Страница 18
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ОглавлениеNach diesem verzauberten Kinobesuch mit Jo perlte in mir ein sorgloser Jubel. Immer wieder ertappte ich mich dabei, daß ich mich nicht einmal schämte, wenn Vorübergehende uns mißbilligend anstarrten. Hella Hell hatte kein Unrecht begangen. Sie hatte kein Pipibaby verführt. Natürlich war der Junge noch nicht fickmündig, aber Hella Hell hatte ihm die Initiative überlassen und das hatte zu einer wohltuenden kleinen oralen Massage geführt.
In dem Steakhouse, wo wir uns dann niederließen, befahl ich dem Kellner, Jocke das bestabgehangene T-Bone-Steak zu servieren, das sie nur hatten, und ohne meinen Joy Boy um Zustimmung zu fragen, erklärte ich, das Steak und auch meine Tournedos sollten überaus rot sein. Er aß und aß, der arme ausgehungerte Wauwau, und ich störte ihn nicht mit Frauenzimmergewäsch, mit dem er sicher sonst in einem Zuhause zugeschüttet wurde, das nur eine Viertelstunde von uns entfernt lag, und aus dem ich ihn bald loszueisen gedachte. Aber ich erinnerte mich an das Motto festina lente.
Wohlberaten lieferte ich Jocke deshalb gegen 23 Uhr ab und wurde von einer knallvollen Regina empfangen, die mich mehr oder weniger mit Gewalt in ihre chaotische Wohnung schleifte, wo eine schmutzige Windel wie eine tote Heringsmöwe mitten auf dem Couchtisch lag, zwischen Weingläsern und Erdnußtüten und einer halbleeren Weinflasche, nach der Regina sofort griff, um mir einen Schluck anzubieten. Inger schien nicht zu Hause zu sein, und der Grund ihrer Abwesenheit wurde mir ins Ohr genuschelt, sowie Regina mich auf das viel zu weiche und mit violettem Plüsch gepolsterte Sofa gezogen hatte. Sie sonderte einen erstickenden Geruch ab, der sich aus angetrockneter Babykotze, durchgesickerter Muttermilch, saurem Wein, Knoblauch und Moschusöl zusammenzusetzen schien. Jocke war natürlich vor diesem tristen Anblick in sein Zimmer geflohen.
»Diese verdammte Inger!« war von Reginas schlaffen Lippen zu hören. »Die ist genauso schlimm wie irgendein Mannsbild. Ha! Sie und die anderen sind ins Pride losgezogen und haben mich hier mit Fabian einfach sitzen lassen.«
»Aber Süße«, mußte ich einfach einwenden. »Fabian hat in einer Disko mit verbrecherisch hoher Lautstärke ja nun wirklich nichts zu suchen!«
»Das nicht, aber wieso nimmt Inger sich diese Freiheit?« fauchte Regina, wurde dann aber von einem Klangschock aus Jockes Zimmer übertönt, natürlich aus Protest gegen das unpassende Benehmen seiner Mutter. Ich kannte das Stück, »Search and destroy« von den Stooges. Im selben Moment war aus einem anderen Zimmer wütendes Gebrüll zu hören, und ich wußte mir keinen anderen Rat, als hinzulaufen und das kleine Bündel auf den Arm zu nehmen, da ich Regina für viel zu wackelig auf den Beinen hielt. Im dunklen Schlafzimmer lag also der Kleine neben dem ungemachten Doppelbett mit seinem grauenhaft klobigen und scheußlichen Rahmen aus Kiefernholz in einer Wiege, weitere Beispiele für schlechten Geschmack, wie ich feststellen mußte, als ich die Nachttischlampe anknipste. Fabian verstummte sofort, aber ich hob ihn trotzdem mit einem gewissen vagen Widerwillen hoch. Als ich mich selber in der billigen Spiegelwand von Ikea erblickte, während das grunzende Baby seinen kahlen Kopf an meine Schulter schmiegte, kam mir jedoch eine Eingebung oder eher eine Vision, die Phase drei in meinem Plan und damit mein Leben mit Fabians großem Bruder vollenden sollte. Fabian schnupperte und pickte wie ein Vögelchen an meiner Brust herum, an die er nun gesunken war, und ich mußte seinen Kopf streicheln und ihm erklären, daß der Milchladen geschlossen sei. Das schien der kleine Tunichtgut zu begreifen, und sofort fing er an zu prusten und wütend zu quieken, und ich mußte ihn zu Regina bringen. Regina hatte inzwischen ihre alkoholgetränkte Wut auf ihre Lebensgefährtin auf eine nähergelegene Zielscheibe umlenken können.
»Halt die Fresse!« schrie Jocke als Antwort auf Mamas Ausfall gegen die lärmende Anlage und drehte sie wieder lauter.
Ich sollte also zur Zeugin einer weiteren peinlichen Auseinandersetzung in dieser funktionsgestörten Familie werden. (Ich muß noch einmal darauf hinweisen, daß ich als Kind keine Streitereien erlebt habe. Meine Kindheit verlief störungsfrei und war keine galoppierende Geschwulst, wie so viele Familienkonstellationen in diesem Zeitalter der Anomalien. Auch in meiner eigenen Ehe kam es nicht zu erschöpfenden Szenen im trauten Heim.)
»Jetzt mach schon leiser, du verdammter Wechselbalg«, schrie Regina, und danach gab es ein Handgemenge zwischen Mutter und Sohn. Ich konnte nicht eingreifen, da ich noch immer Fabian im Arm hielt. Der Knirps lauschte gespannt und ängstlich auf die wütenden Stimmen und brach in Tränen aus.
»Regina«, ich versuchte barsch, mich dawischenzuschalten. In diesem Moment aber stieß Jocke seine Mutter wütend vom Bett herunter, auf dem sie gekniet hatte, und versuchte, ihr eine Maulschelle zu verpassen, mit der Folge, daß sie rückwärts umkippte und gegen das Regal krachte. Sofort verstummte die Anlage. Das einzige, was nach dieser Turbulenz noch zu hören war, war das verängstigte Geschrei des kleinen Fabian.
»Jetzt sieh nur, was du angerichtet hast, du Scheiß-Schwanz!« kreischte Regina, was wirklich nur durch ihre lebensgefährliche Überdosis Alkohol zu entschuldigen war. Sie erhob sich wie eine Sumoringerin, ihre verfilzten gestreiften Haare fielen ihr ins Gesicht, und sie sah wirklich beängstigend aus. Ich konnte gerade noch keuchend vorschlagen, sie solle den Kleinen trösten, ich würde den Größeren zur Raison bringen, und danach könnten wir unter alles einen Strich ziehen. Aber in diesem Moment kam Inger nach Hause und erstarrte bereits auf der Türschwelle, da sie natürlich die adrenalingesättigte Atmosphäre wahrnahm.
»Was ist denn hier los?« fragte sie und fuchtelte so heftig mit den Armen, daß ihre BH-lose Brust unter ihrem Hemd auf und ab wippte. Sie hatte Make-up aufgetragen, das ihr gut stand, und ihre dunklen kurzen Haare erinnerten an Liza Minelli.
»Ach, läßt du dich auch mal wieder blicken«, fauchte Regina, diese Megäre, mit ihrer giftigen Kehle. »Schon fertig mit Rumhuren?«
»Du spinnst doch wirklich, du blöde Kuh«, pöbelte Inger. »Darf man denn nun nicht mal mehr ...«
»Das hab ich oft genug von Matti gehört, als ich ein kleines Kind hatte, und jetzt kommst auch du ...« Regina begann zu schniefen. »Alle sagen immer nur dasselbe«, schluchzte sie. »Und Jocke auch, bu huu huuu ...«
Vorsichtig nahm Inger Fabian aus meinen Armen und tröstete ihn so gut sie konnte, während ich die hysterische Regina zum Sofa brachte, wo sie sich mit wütender Grimasse einfach fallen ließ. Ich ging in die Küche, füllte ein großes Glas mit Wasser und brachte es Regina, doch die goß schon wieder Wein in sich hinein.
»Hast du denn immer noch nicht genug?« fragte Inger angeekelt. »Du stillst doch noch, zum Henker!« Inger stopfte Fabian einen Schnuller in den Mund, worauf er sofort verstummte.
»Der kriegt keinen Schnuller«, schrie Regina. »Das haben wir doch verabredet!«
»Aber ich hab zum Teufel noch mal keine Milch in den Titten«, fauchte ihre vernünftigere Lebensgefährtin. »Und der Inhalt von deinen sollte mit einem roten Warndreieck versehen werden!«
Ehrlich gesagt, ich hätte das auch nicht besser formulieren können, dachte ich.
»Was glaubst du, was das für ein Scheißgefühl ist, wie eine verdammte Kuh in ihre Box gesperrt zu werden, he? Während du losziehst und flirtest und herumsumpfst wie ein verdammter ...«
»Schwanz«, fiel Jocke ein, der in der Tür zum im Wohnzimmer befindlichen Kriegsschauplatz stand. »Sag das noch mal, Mütterchen.«
»Du kannst gleich die Klappe halten, du ungezogener ...« fauchte Regina, wurde dann aber wieder unterbrochen, diesmal von Inger.
»In dieser Scheiß-Sturmabteilung können Kinder höchstens zu Geisteskranken werden, und wenn du dich nicht vorsiehst, dann landest du noch in einer echten Klapsmühle!«
»Und das muß ich mir von dir sagen lassen!« heulte Regina und faßte sich an ihre schweißnasse Stirn. »Du mit deiner verstörten Mutter, die in Hinseberg sitzt, verdammtes Glück, daß Fabian nicht deine Gene abbekommen hat ...«
»Nein, es ist schlimm genug, daß er sich mit deinen herumschleppen muß. Und wenn wir nun die ganze Verwandtschaft hinzuziehen wollen, dann habe ich auf deinem wurmzerfressenen Stammbaum noch nicht einen Fall von psychischer Gesundheit entdeckt, und jetzt gehe ich, ehe auch ich noch den Verstand verliere.«
Inger ließ ihren Blick durch das chaotische Zimmer schweifen und schien dasselbe zu sehen wie ich. Dann reichte sie mir mit resigniertem Blick das von dem Inferno vermutlich betäubte Baby. Sie schaute mich bedauernd und zutiefst unglücklich an und zog die Wohnungstür hinter sich ins Schloß. Aber die wurde schon wieder geöffnet, ehe ich mich fassen konnte, und zwar von Jocke, der mit seiner grünen Jacke unter dem Arm losstürzte und den verbitterten Abschiedsgruß rief:
»Du hast meine Anlage ruiniert, du miese Kröte!«
Mein fieberheißes Verlangen, diesem trotz allem mit Überlebenswillen ausgerüstetem Kind in den Abend hinauszufolgen, wurde von meiner Reife und meiner Verantwortung für Jockes Halbbruder bezwungen, der ja nicht fliehen konnte aus diesem verminten Gelände, in dem er aufwachsen mußte, weil manche Menschen die romantische Illusion nähren, daß ein Kind als Konvertierungsprogramm zwischen zwei kommunikationsunfähigen Erwachsenen verwendet werden kann. Sollte nicht auch von Eltern eine Art Eignungsprüfung verlangt werden, überlegte ich, weiter kam ich aber nicht, denn Regina schnaufte jetzt wieder lauter. Ich legte den Arm um sie und redete mir ein, sie sei mit Jesu Mutter zu vergleichen, die schließlich auch ein schlichtes Gefäß gewesen war. In den Armen hielt ich ihren letztgeborenen Sohn. In Gedanken umarmte ich ihren erstgeborenen Sohn. Während die »heilige Madonna« sich die Nase putzte, kotzte ihr Letztgeborener meine hellgraue Schlangenlederjacke voll, die ich noch nicht hatte ablegen können. Regina reichte mir ihr verrotztes Taschentuch, um die weiße Säuglingskotze abzuwischen, und bald wies meine Jacke einen schönen Flecken aus Rotz, Kotze und Tränen auf.
»Ich fühle mich so ausgeliefert«, jammerte sie und legte den Kopf an meine Schulter. Im selben Moment ergoß sich eine Sturzwelle von Blut aus ihrem einen Nasenloch, und meine Jacke bekam eine weitere Farbe und eine neue Körperflüssigkeit zu kosten.
»Das Gefühl des Ausgeliefertseins ist universell«, sagte ich tröstend, während Regina sich nuschelnd das Taschentuch ans Gesicht drückte, so daß sich große Blutflecken auf dem Stoff ausbreiteten. Ich kam mir vor wie in einer apokalyptischen Schlußszene, und wenn Regina nun verschieden wäre, dann hätte die Tragik doch immerhin etwas Heroisches und Großartiges gehabt. Doch so barmherzig war das Schicksal nicht, und Regina ergriff wieder das Wort.
»Das ist so, seit Jocke hier wohnt«, sagte sie mit nasaler Stimme. »Als Inger und ich uns kennengelernt haben, war er noch ein Stier Ferdinand, der an den Blumen schnupperte. Dann tauchte Matti nach fast vierjährigem Schweigen, als ich schon mit einer Todesanzeige rechnete, auf wie ein Springteufelchen, und Jocke fing an, diesen Mistkerl zu bewundern, der nicht mal Unterhalt zahlt. Ha!«
»Aber in dem Alter ist es doch nur natürlich, sich mit dem Elternteil entgegengesetzten Geschlechts anzulegen«, beruhigte ich. »Wie soll er denn sonst gegen die primitive Männlichkeit rebellieren können, die Matti ja offenbar repräsentiert?« fügte ich sicherheitshalber hinzu.
»Du bist so klug, Hella«, Regina ließ abermals ihren Kopf an meine Achsel sinken. »Aber ich bin in letzter Zeit immer so müde«, klagte sie. Diese Frau war wirklich nur zufrieden, wenn sie quengeln konnte. »Als ob das Leben zusammen mit der Muttermilch aus mir herausfließt«, fügte sie hinzu. »Und kannst du dir das vorstellen ... ich blute noch immer, obwohl Fabian schon fast drei Monate alt ist.«
»Dann solltest du wirklich mal zum Arzt gehen. Aber du kannst doch schon mal mit eisenhaltiger Medizin anfangen«, schlug ich vor und fragte mich, wo Jocke sich jetzt wohl herumtrieb.
»Ich trinke jeden Tag eine Flasche Blutsaft«, fauchte Regina.
»Und wenn du deine Alkoholzufuhr ein wenig drosselst?« regte ich an. »Alkohol verdünnt doch das Blut.«
»Ja, aber er regt die Milchproduktion an«, verteidigte sich Regina, und damit hielt ich dieses Thema für abgeschlossen. Sie war absolut fähig, ihre Trinkgewohnheiten zu verteidigen.
»Also, die Sache mit Jocke«, sagte ich statt dessen.
»Es ist toll, daß du dich um ihn kümmerst«, nuschelte Regina. »Aber er ist hoffnungslos. Ich habe schon beschlossen, ihn über den Sommer zu Matti nach Frankreich zu schicken. Danach werden wir weitersehen.«
»Was denn sehen?« fragte ich besorgt.
»Wo er wohnen soll, wenn er in die achte Klasse kommt. Hier in Stockholm gibt es ja viele gute Gymnasien, aber ich kann diese ganzen Streitereien nicht mehr ertragen. Da ist es vielleicht besser, wenn er nach Hudiksvall zurückzieht.«
»Aber da hat er sich doch nicht wohlgefühlt«, sagte ich in fast flehendem Tonfall.
»Nein, da kann er sich ja auch nicht so herumtreiben wie hier.«
»Treibt er es denn so toll?« fragte ich. »Immer, wenn ich hier vorbeischaue, sitzt er doch in seinem Zimmer. Und als ich ihn neulich abends nach Hause gebracht habe, hatte er wirklich nichts angestellt.«
»Ja, aber er verjagt alle meine Bekannten mit seinem verdammten Krach, und er hält sich nicht an unsere Zeitabsprachen, und Inger und ich können nicht ...«
Aha, hier hatten wir den wirklichen Grund.
»Ja, oder wir sind vom lesbischen Schlafzimmertod ereilt worden«, murmelte sie, eher an sich gerichtet. »Aber ich möchte Ingers und meiner Beziehung gern eine Chance geben, verstehst du?« sagte Regina laut und packte mich dabei am Kragen. Danach fuhr sie mit der Hand über meine eine Brust. »Du bist so schön«, erklärte sie dann in ihrem zusammenhanglosen Monolog, der vermutlich Stillhormonen oder ihren großzügigen Alkoholgewohnheiten entsprang. »Inger und ich sagen immer, daß du fast zu perfekt bist, um eine Beziehung haben zu können«, sagte sie dann. »Und daß du deshalb nicht ...«
»Aber nicht doch?« ich versuchte, ihre peinliche Zudringlichkeit wegzulachen.
»Aber du bist so unabhängig. Diese ungeheure Integrität ... kann die nicht bisweilen auch zum Schutzschild werden? Zu einem eisernen Vorhang?«
Ich stöhnte innerlich über Reginas Psychogewäsch, das ihr wirklich keine Hilfe bei dem Versuch war, Ordnung in ihr eigenes Leben zu bringen. Und da besaß die blöde Kuh die Frechheit, mir das Aufstellen von Hindernissen vorzuwerfen! Jetzt zog sie auch noch ihr Hemd aus, und ich schaute zur Decke hoch, um den barmherzigen Gott, von dem ich nie auch nur ein Rauchzeichen gesehen hatte, um Erbarmen anzuflehen, doch alles, was ich dort sah, waren der ringförmige Schatten einer flachen Deckenlampe aus blauem durchscheinenden Kunststoff sowie kleine Flecken von irgend etwas, das offenbar zur Decke hochgespritzt war. Der runde Schatten setzte sich nun in Bewegung, weil die Wohnungstür geöffnet wurde, doch zu meiner Enttäuschung war es nicht Jocke, sondern Inger, die ein Promilleniveau erreicht hatte, das jetzt besser zu Reginas paßte. Inger wackelte auf ihren mageren Jeansbeinen durch das Zimmer, sie verwickelten sich miteinander und deshalb fiel sie auf dem rosa Wilton-Teppich auf die Nase. Ich starrte verwirrt Regina an, deren Brüste noch immer gelassen vorhingen und blaue Knutschflecken um den Warzenvorhof aufwiesen.
Sie können sich denken, daß diese Nacht noch bizarrer zu werden drohte, und wie hätte die barmherzige Hella Hell den kleinen Knaben allein in den berauschten und zitternden Händen dieser krisenerschütterten Familie zurücklassen können?
Fabian schlief inzwischen sehr tief (was übrigens auch für die gestürzte Inger zu gelten schien), und Regina war ganz damit beschäftigt, die letzten Zentiliter Weißwein in sich hineinzukippen, deshalb verzog ich mich mit weichen, wogenden Schritten ins Schlafzimmer des Paares, ließ den schlappen kleinen Babykörper in die Wiege sinken und stieß sie eine Weile immer wieder leicht mit dem Fuß an, während ich versuchte, Ordnung in das im Laufe des Abends entstandene Gedankenchaos zu bringen.
Ich konnte mich jetzt nicht in meine gepflegte und behagliche Wohnung zurückziehen. Zuerst mußte ich mich davon überzeugen, daß die Ordnung im Ström-Fors’schen Wirrwarr wieder ihr normales (mit ihren Maßstäben gemessen) Niveau erreicht hatte. Außerdem konnte ich Jojo doch nicht in der Stadt herumwuseln lassen. Aber ich konnte mich auch nicht auf die Suche nach ihm machen, denn der Kleine könnte zu früh aufwachen, und die beiden Mamas waren in einem Zustand, in dem sie das Baby sehr leicht auf den Boden fallen oder mit dem Kopf gegen eine Tischkante stoßen lassen könnten, oder vielleicht würden sie sein Schreien auch gar nicht hören, und er würde den entsetzlichen plötzlichen Kindstod erleiden (diese Todesfälle ereignen sich doch offenbar immer dann, wenn das Kind allein im Raum ist).
Ich schlich mich zurück ins Wohnzimmer, wo inzwischen Ruhe eingekehrt war. Sogar Regina war eingeschlafen und hing jetzt mit obszön strotzenden Eutern über dem Sofa. Ich deckte sie zu, hütete mich aber davor, sie zu berühren.
Aus dem anderen Bündel stieg derweil beruhigendes Schnarchen auf, und deshalb konnte ich Ingers Zustand in aller Ruhe inspizieren. Sie brauchte ein Kopfkissen, aber ansonsten konnte ihr nichts passieren.
Nach dieser Nachtrunde ging ich ganz einfach zu Jokkes Bett, zog mich aus und schlüpfte unter seine Decke, die sicher seit zwei Monaten nicht mehr gewaschen worden war und nach Jojojojojojo duftete ...
Ha, ha! Ich weiß, was Sie jetzt denken! Rotkäppchen und der böse Wolf, nicht wahr?