Читать книгу Hella Hell - Unni Drougge - Страница 9
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ОглавлениеDas Jahr in Israel führte zu einer kleinen Kursänderung in meiner beruflichen Laufbahn. Die Früchte meiner geplanten Karriere waren bereits handverlesen und leuchteten im Zukunftskorb, den meine Mutter und die restliche Verwandtschaft mir bei meiner Heimkehr kredenzten; ich sollte Medizin studieren und die naturwissenschaftliche Tradition der Familie weiterführen. Inzwischen jedoch hatte sich der Begriff Schönheit, das reine ästhetische Erlebnis, zwischen mich und die logische Wissenschaft geschoben. Die Felsen, die sich um den schmalen Zipfel des Roten Meeres erhoben, hatten mich bisweilen in Trance versetzt. Die Berghänge änderten täglich mehrmals ihre Farbe, und während dieser Metamorphose konnte das Auge das Gleiten durch die Farbskala wahrnehmen. Wenn es überhaupt etwas gab, das meiner gespaltenen Seele vorübergehend Ruhe bringen konnte, dann war das die Hand der Natur, die die zackigen Felsen in einer fließenden Skala in Orange, Violett, Purpur und Blau tunkte. Und natürlich meine schönen Knaben.
In meiner Sippe jedoch wurde nur selten über Aussehen gesprochen – es galt als geradezu vulgär, äußeren Attributen irgendwelche Bedeutung zuzumessen. Farbe und Form sollten praktisch und funktionell sein. Der Genuß der edlen Künste geschah zumeist mit dem Ziel der Weiterbildung, nicht aber aus purer Lust und Begeisterung. Selbstzweck war ein Schimpfwort, wichtig war allein das Resultat.
Um also die Erwartungen meiner Umgebung nicht ganz und gar zu zerstören, ging ich einen Kompromiß ein und bewarb mich in Kopenhagen um einen Ausbildungsplatz in den Fächern Werbung und Marketing. Dort spezialisierte ich mich auf graphisches Design, womit sich sowohl ästhetische als auch analytische Qualitäten geltend machen ließen. Meine Lehrer hielten mich für ein Talent, und ich entwickelte einen ziemlich originellen Stil. Damals stand ich gerade unter der Respektlosigkeit, die die Punkbewegung mitgebracht hatte, was meiner Abschlußarbeit eine gewisse Aufmerksamkeit verschaffte. Ich hatte ein in Gold gerahmtes Riesenposter vorgelegt, das Iggy Pop, den Paten des Garagenrock, mit einem gigantischen, erigierten Penis zeigte. Gekrönt wurde dieser von einer Injektionsnadel, die sich ins Herz der jüngeren Punklegende Sid Vicious bohrte, der dem älteren Rockrebellen seine entblößte, glatte Jünglingsbrust darbot. Ich nannte diese Arbeit »Konzeption«, und das Ganze war sicher ziemlich übertrieben, aber von einem leicht ausgelaugten Establishment wurde diese Art des Denkens damals eben goutiert. Nachdem ich an der Kopenhagener Hochschule für Design mein Diplom entgegen genommen hatte, siedelte ich nach Stockholm über, wo ich die Wohnung meiner Großmutter in Mosebacke geerbt hatte.
Bei Beckmans verfeinerte ich meine Technik. Aufgrund meiner Zwischenspiele in Israel und Dänemark war ich einige Jahre älter als die anderen in meinem Kurs. Weshalb ich damals einen Vorgeschmack des Altersunterschiedes kennenlernte, der sich zwischen mir und den süßen Knaben langsam aber sicher auftun würde.
In der Werbeagentur, in der ich nach Beendigung meiner Ausbildung dann unterkam, fügte es das Schicksal, daß ich mich als erste Frau in der Branche mit der neuen digitalen Technik des Desktop Publishing vertraut machte. Ich wurde in Bo Berndals Typographie-Lexikon aufgenommen, da ich als wegweisend für die sogenannte aktive Typographie galt, die die neuen Zeichenprogramme dann so großzügig einsetzen sollte.
Aber ich finde es ermüdend, mich über meine kometenhafte Karriere in der Pseudobranche der Werbung zu verbreiten. Wichtig ist, daß ich älter wurde, während die Objekte meiner Begierde weiterhin im Alter zwischen zwölf und achtzehn verharrten, und meine Vergnügungen immer mehr den Charakter eines Kinderraubes annahmen.