Читать книгу Weinen in der Dunkelheit - Ursula Burkowski - Страница 18

Wiedersehen mit Christian

Оглавление

Nach meinem achten Geburtstag erlebte ich durch die Fürsorge einer Erzieherin eine besondere Freude. Während der Mittagsruhe kam sie in den Schlafraum und sagte zu mir: »Komm, steh leise auf, es ist Besuch für dich da!«

Wer soll mich schon besuchen, fragte ich mich. Plötzlich schob sich Christian durch die Tür. Drei Jahre waren seit seinem Unfall vergangen, und trotzdem erkannte ich ihn sofort wieder. Vor Freude fiel ich ihm um den Hals und heulte los. Er stand ganz ruhig da und lächelte nur. Als ich von ihm ließ, merkte ich, wie sehr er sich verändert hatte. Er war gewachsen, etwas blass – aber was war mit seinen Augen? Sie sahen immer nach oben.

Weshalb sieht er mich nicht an, dachte ich und fragte ihn: »Christian, was ist mit deinen Augen?«

Er drehte sich zu mir, fast flüsternd hörte ich seine Worte: »Ich bin blind, ich kann nie mehr sehen.«

Entsetzen packte mich, das konnte nicht wahr sein, vielleicht machte er nur wieder einen seiner Späße. »Christian, wie viele Finger zeige ich dir?«, fragte ich verzweifelt.

Er sagte eine falsche Zahl. Nun probierte ich es noch einmal und noch einmal, ich wollte es nicht glauben.

Große Traurigkeit breitete sich in meinem Innern aus, ich fühlte mich immer noch schuldig. Da ergriff ich seine Hand und führte ihn die Treppe hinunter zum Spielplatz, auf dem wir so viel erlebt hatten. Kinder, die uns begegneten, grüßten freundlich, keines lästerte. Wenn wir sonst mit Jungen spielten, hieß es gleich: »Ei, ei, ei, was seh ich da, ein verliebtes Ehepaar!«

Im Wald redeten wir über unsere früheren Erlebnisse, dann schaukelten wir, und ich fühlte mich so glücklich wie an dem Tag, als ich meinen Geburtstag erfuhr und Christian noch bei mir war.

Dann spielte ich blind, mit geschlossenen Augen wollte ich Christian suchen. Dabei wurde mir erst richtig klar, wie schlimm es für ihn sein musste, nie mehr sehen zu können, wo er doch wusste, wie alles aussah.

Am Abend fuhr er in sein Heim zurück. Der Abschied fiel uns beiden schwer, wir weinten. Einige Kinder, die um uns herumstanden, kicherten verlegen. Ich drückte ihn an mich, und er versprach mir, mich öfter zu besuchen.

Leider hatten die Erzieher keine Zeit für unsere Probleme. Ich habe Christian nie mehr gesehen.

Weinen in der Dunkelheit

Подняться наверх