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Ämterplan

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Wieder einmal kam eine neue Erzieherin. Wenn sie Dienst hatte, durften wir nach der Schule draußen spielen. Das machte sie sofort beliebt.

Unser Tagesablauf war sonst sehr streng geregelt. Geweckt wurden wir um 6.15 Uhr. Egal, was für ein Wetter war, wir mussten unseren Körper durch Frühsport abhärten.

Nach dem Frühstück (es gab immer das gleiche: Suppe und Marmeladestullen) beeilten wir uns mit den Ämtern. Dafür stellten die Erzieher jede Woche einen Ämterplan auf. Zimmerdienst bedeutete: fegen, den Fußboden wachsen und anschließend mit dem schweren Bohnerbesen auf Hochglanz polieren, für Ordnung in den Schränken und im Zimmer sorgen. Es musste auch darauf geachtet werden, dass die Betten in vorgeschriebener Weise gebaut wurden. Den Zimmerdienst machte keiner gerne, ständig gab es deswegen mit irgendeinem Mädchen Streit.

Verhasst war mir der Waschraumdienst, bei dem man alle Waschbecken mit Ata scheuern musste. Von dem Gekratze und Gequietsche bekam ich immer eine Gänsehaut. Noch mehr ekelten mich die dreckigen Klos, die dazugehörten.

Den Mülldienst machte ich gern. Dabei brauchte man nur die Ecke mit den Besen in Ordnung zu halten und den Mülleimer wegzubringen. Mit ein wenig Glück fand ich hin und wieder etwas Brauchbares darin.

Die langen Flure zu bohnern machte keinen Spaß, ging aber am schnellsten.

Hatten wir unsere Dienste erledigt, rannten wir zur Schule. Am Eingang standen die Pioniere oder FDJler vom Dienst und kontrollierten die Mappen. Spielzeug und nicht zur Schule gehörende Bücher wurden uns weggenommen, wir erhielten sie zur Zeugnisausgabe zurück, das konnte ein halbes Jahr dauern. Schlimmer war es, wenn sich »Schundliteratur« aus dem Westen in der Mappe befand. Die Lehrer notierten sich dann den Namen, und nach der Schule fand mit dem Erzieher ein Verhör über die Herkunft statt. Hatte sie der Schüler von einem anderen Schüler, wurde dieser dazugeholt. Dieses Spiel dauerte so lange, bis die Pädagogen endgültig wussten, wie die Hefte ins Heim gelangt waren. Sie konnten nur von Kindern mitgebracht worden sein, die am Wochenende zu ihren Eltern fuhren. Kam dann heraus, wer die Hefte mitgebracht hatte, durfte der »Schuldige« bis zur nächsten Elternversammlung am Wochenende nicht nach Hause. Die Strafe war für die Kinder besonders hart.

Hielt ein Schüler dicht, schlossen ihn die Erzieher von besonderen Anlässen aus. Noch härter war die Kollektivstrafe, dann galt das Verbot, zum Beispiel »Kino«, für die gesamte Gruppe, bis der Schüler seine »Schuld« gestand. Nicht selten rasteten einige Mädchen darüber dermaßen aus, dass sie auf die Betreffende so lange einschlugen und sie anspuckten, bis sie alles gestand. Einmal kam ich dazu. Fünf Mädchen hielten Conny mit Gewalt fest, sie lag auf dem Boden und konnte sich nicht wehren. Zwei weitere Mädchen rissen ihr den Mund auf und spuckten mehrmals hinein.

»Ihr Schweine!«, schrie ich.

Augenblicklich ließen sie Conny los und drohten mir: »Halt’s Maul, sonst bist du dran!«

Ich rannte davon und heulte. Allein kam man gegen so viele nicht an.

Nach der Schule aßen wir zu Mittag, hielten Mittagsruhe und erledigten unter Aufsicht der Erzieher unsere Schulaufgaben. Danach war Freizeit. Entweder gingen wir zur Arbeitsgemeinschaft, oder wir spielten draußen. Vor dem Abendbrot erledigten wir schnell noch einmal die Ämter, und danach war Nachtruhe.

Weinen in der Dunkelheit

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