Читать книгу Die verschwundene Welt des James Barkley - Uwe Woitzig - Страница 7
28.12., 20.05 Uhr GMT, Kanpur, Indien
ОглавлениеMehr als vier Quadratkilometer umfasst der Campus des Indian Institute of Technology (IIT) in Kanpur im westlichen Indien. Professor Dr. Samarjit Mehta, der aus Bengulu kam, um am Advanced Centre for Material Science (ACMS) acht Wochenstunden zu unterrichten und sonst ungehindert weiter an seinem Spezialgebiet Gehirnforschung zu arbeiten, schlenderte über den gepflegten Fußweg unter Mangroven zum Institut.
Er war für seine Verabredung zum Abendessen viel zu früh und entschied sich, auf dem einsamen Bänkchen unter der Mangrove noch ein wenig zu entspannen. Seine Aktentasche neben sich, zog er sogar das weiße Seidenjacket aus, denn die Temperaturen waren heute frühlingshaft. Er schloss die Augen und genoss die letzten Strahlen der Abendsonne.
Er dachte an sein gestriges Telefongespräch mit seinem Logenbruder und Kollegen Dr. Donald McBride in Edinburgh über die neuesten Entwicklungen im Pratt House, dem Hauptquartier des Counsils for Federal Relationship in New York. In wenigen Wochen würde man der Weltöffentlichkeit einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Neuen Weltordnung mitteilen, ohne dass es die geringsten Aufregungen darüber geben würde. Sein Logenbruder hatte ihm angedeutet, dass man ihm die Ehre erweisen würde, in seinem Institut die Pressekonferenz abzuhalten, in der er die Welt über die letzten Entwicklungen des neuen Patentes bezüglich der direkten Datenübermittlung ins menschliche Gehirn informieren sollte, ohne dass er dabei einen Bezug zu den Experimenten in den geheimen Institituten in Edinburgh oder dem Testsender in New York herstellen durfte. Er fragte sich, wie die Welt reagieren würde, wenn sie hiervon erführe.
„Hallo, Samarjit“, unterbrach eine heisere Stimme seine Gedanken. Er öffnete die Augen, aber niemand war zu sehen. Als er sich erschrocken umdrehen wollte, fühlte er einen eisenharten Griff auf seiner linken Schulter. Unfähig sich zu rühren, wurde er starr vor Angst.
„Relax, Sam. Du erlaubst doch, dass ich dich Sam nenne, oder?“
Der Unbekannte lachte heiser und der Griff lockerte sich. Professor Samarjit Mehta zögerte keine Sekunde. Mit einer blitzschnellen Bewegung riss er sein Sakko und seine Tasche an sich, sprang auf und rannte ohne sich umzublicken los. Er war ein guter Sprinter und in sehr guter Verfassung. Nach einem zweihundert - Meter - Spurt quer durch den Park bog er in vollem Tempo in eine belebte Geschäftsstraße ein und verlangsamte sein Tempo. Ohne merklich außer Atem zu sein, blieb er stehen, glättete sein zusammengeknülltes Sakko und wollte es sich über die Schultern hängen.
„Darf ich dir behilflich sein, Sam?“
Ein schlanker Blonder hielt ihm hilfreich sein Sakko hin und lächelte ihn an. Samarjits Kinnlade fiel herab, als sein Blick die kalten blauen Augen traf.
„Willkommen zu meiner Party, Sam.“
Samarjit sah die Bewegung nicht, mit der der Fremde einen kupfernen Stab in seine linke Hand zauberte und auf ihn richtete. Er fühlte nur einen stechenden Schmerz zwischen den Augen und dann nichts mehr.
Keiner der Passanten hatte den Zwischenfall bemerkt. Nur eine Bande Straßenkinder freute sich wenig später über Professor Mehtas Aktentasche, seine goldene Rolex und sein daneben liegendes Jackett, in dem sie eine Brieftasche mit neunhundert US Dollar und drei goldenen Kreditkarten fanden. Das wirre Häufchen aus Schuhen, Strümpfen, Unterhose, Hemd und Hose, das an der Stelle lag, an der Professor Mehta gestanden hatte, ließen sie achtlos zurück, nachdem sie es sorgfältig, aber vergeblich nach weiteren Wertsachen durchsucht hatten.