Читать книгу Die verschwundene Welt des James Barkley - Uwe Woitzig - Страница 9

29.12., 14.35 Uhr GMT, Oberstdorf, Deutschland

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„Und nun springt der Führende der Gesamtwertung der diesjährigen Vierschanzentournee, Jan Saudek aus der Slowakei!“ Die Stimme des Stadionsprechers überschlug sich fast, als er den nächsten Springer des Wettbewerbs ankündigte. Die Reaktion der rund 5000 mitgereisten Fans aus der Slowakei unter den fast 40.000 Zuschauern im Skistadion am Schattenberg war ein ohrenbetäubender Jubel, der sich zum Crescendo steigerte, als man die kleine Gestalt des schmächtigen Jan am oberen Ende der Schanze erkennen konnte.

Ein elektronisches Signal ertönte. Jan schwang sich elegant in die Absprungspur und raste in der für ihn typischen tiefen Hocke die Schanze herunter.

Beim Absprung federte er kraftvoll nach vorn, bildete mit den Skiern das obligatorische V und fand in Bruchteilen von Sekunden seine Idealposition für den größtmöglichen Auftrieb, indem er sich fast parallel zu den Skiern nach vorne beugte.

In dieser perfekten Haltung flog er souverän an der 100-Meter-Marke vorbei, ohne dass er zu sinken schien.

Der Jubel der slowakischen Fans und das Getöse der mitgebrachten Hupen und sonstigen Lärmwerkzeuge erreichten unglaubliche 120 Dezibel und trugen Jan scheinbar mühelos über die 100-Meter-Marke hinweg.

Jan flog, ohne seine Haltung merklich zu verändern, auf die letzten Meter des Hangs der Schanze und auf die 140-Meter-Marke zu. Er richtete sich leicht auf, um seine Landung in perfekter Körperhaltung und tausendfach trainierter Technik vorzubereiten.

Gespannt erwarteten die Wertungsrichter für die Haltungsnote das Ende dieses enorm weiten Fluges. Ein neuer Schanzenrekord lag in der Luft, und jeder fühlte es.

Doch dazu kam es nicht. Im Bruchteil einer Sekunde verschwand Jans Körper. Mit einem leicht dumpfen Geräusch fielen Jans Skier, in deren Bindungen noch seine Schuhe und Socken steckten, vom Himmel auf den Schanzenhang und rasten den Hang hinab in das Auslaufrund des Stadions, während Jans leerer Springeranzug langsam vom Himmel herab segelte und sein Helm hart auf den Schnee aufschlug und den Hang hinunter kollerte.

Es herrschte atemlose Stille, in der nur noch die Geräusche von Jans holprig rollendem Helm zu hören waren.

Die beiden Kameramänner des ZDF, die Tonis Flug gefilmt hatten, sahen sich mit offenen Mündern an.

„Ach du Scheiße, was war das denn?“

Felix Unger starrte seinen Kollegen Luggi Huber verwirrt an.

„Los, schauen wir uns die MAZ an.“

Sie rannten zu dem Ü-Wagen des ZDF, in dem sie auf zwei Techniker stießen, die hysterisch in ihre Handys schreien.

„Lasst uns die MAZ sehen, sofort!“, unterbrach sie Felix energisch.

Gebannt starrten die vier Männer kurze Zeit später auf den kleinen Monitor, der den Absprung Jans und seinen tadellosen Flug in Zeitlupe wiedergab. Alles sah perfekt und problemlos aus. Doch kurz vor der Landung schien die Kamera versagt zu haben, denn es gab einen Bildaussetzer und der Bildschirm war mit virtuellem Schneegestöber bedeckt.

Während von draußen ein gewaltiger Aufschrei der Masse ertönte, verschwand plötzlich das Flirren von dem Monitor. Die ZDF-Männer sahen noch einmal die harte Landung von Jans Skiern, seinen leeren Schuhen und seinen vom Himmel flatternden Skianzug. Sie sahen seinen Helm auf den Schnee aufprallen und den Hang hinunterrollen. Nur von Jan sahen sie nichts ...

Die verschwundene Welt des James Barkley

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