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5 »Sie sind dieser Eichborn, oder?«
ОглавлениеSamuel McFarlan
Eine Stunde später war ich wieder im »Bayrischen Hof«. Ich wandte mich an den Concierge, während meine beiden Personenschützer jeden anknurrten, der mir zu nahe kommen wollte. Viele waren das Gott sei Dank nicht.
»Ich wüsste gerne, wie ich in die Hotelbar komme«, sagte ich.
»In welche wünschen Sie zu gehen?«
»Äh …«
»Wir haben nämlich sechs Hotelbars.«
»Ach …«
»Sind Sie verabredet?«
»Ja.«
»Und mit wem?«
»Mit dem Außenminister.«
»Dem deutschen Außenminister?«
»Bis vor sechzig Minuten war das so, ja.«
»Sie finden Herrn Minister Köhler in der ›Falk’s Bar‹.«
»Ah ja …«
Er winkte jemanden heran. Meine beiden Personenschützer kamen ein klein wenig näher.
»Die ›Falk’s Bar‹ befindet sich im berühmten Spiegelsaal von 1839, dem einzigen Raum des ›Bayerischen Hofes‹, der den Zweiten Weltkrieg unversehrt überstand«, erklärte mir der Concierge.
»Ich verspreche, dass ich nichts kaputt machen werde«, gelobte ich.
»Das freut uns«, sagte er. »Martin wird sie hinführen.«
Martin brachte mich in die Bar, direkt zum Tisch des Außenministers. Ich sah mich um und alles erinnerte mich an ein Aquarium.
Ich fand es schrecklich hier.
Ich setzte mich an den Tisch und blickte Köhler stumm an.
»Was ist?«
»Wenn es Ihnen hier gefällt, sollten Sie einen Arzt konsultieren.«
Er lachte. »Wollen wir woanders hin?«
Ich stand auf. »Unbedingt.«
»Wohin geht’s?«, wollte Isabel Schulz wissen.
»Wir versuchen es in der ›Blue Spa Bar‹ im siebten«, erklärte Köhler, der sich hier offenbar hervorragend auskannte.
Mit Geleitschutz fuhren wir hinauf in den siebten.
Diese Bar war ganz nach meinem Geschmack. Vor allem, als ich den Wintergarten mit dem Kamin in der Mitte entdeckte. Zu unserem Glück gab es keine normalen Hotelgäste, sodass dort ein Tisch frei war.
Wir nahmen Platz und bestellten was zu trinken.
Das Erste, was man lernt, wenn man mit dem Außenminister irgendwo sitzt, um was zu trinken, ist, dass man keine Ruhe hatte, um etwas zu trinken.
Geschweige denn, um ein Gespräch zu führen.
Ständig kamen irgendwelche Leute an unseren Tisch, um ihn zu begrüßen. Er ließ das mit stoischer Ruhe über sich ergehen, fand für jeden ein freundliches Wort und er wusste sogar die Namen eines jeden, der vor ihm stand.
Sehr beeindruckend.
Er versäumte es auch nicht, jedes Mal Isabel Schulz und mich vorzustellen.
Die Leute, überwiegend Diplomaten anderer Länder, glotzten mich an, als wäre ich ein Außerirdischer oder so. Aber ich nahm mir an Köhler ein Beispiel und war freundlich.
Dann setzte sich urplötzlich Tony Soprano an unseren Tisch. Es war natürlich nicht der echte Tony Soprano, sondern der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika. Der genauso aussah aus wie Tony …
Ohne uns zu begrüßen.
Und, was viel schlimmer war, ohne zu fragen.
Schließlich hob er lasch einen Arm. »Hallo, Leute.«
Ich sah zu Köhler, der mir mit einem Blick zu verstehen gab, jetzt nichts Falsches zu tun.
Aber woher sollte ich wissen, was falsch war?
Ich warf einen Blick auf die Terrasse und entdeckte tatsächlich einige arme Seelen, die unter Heizpilzen standen und rauchten.
Meine Rettung.
Ich sah zu Köhler und wies mit dem Kinn raus auf die Terrasse. Er nickte leicht.
Ich stand auf und machte mich auf den Weg hinaus, fand einen freien Stehtisch und zündete mir eine Zigarette an. Seit ich wusste, dass Helen schwanger war, versuchte ich, wesentlich weniger zu rauchen. In ihrer Gegenwart, geschweige denn in unserer Wohnung, rauchte ich überhaupt nicht mehr.
Wieder wurde mir mit voller Wucht bewusst, dass ich in wenigen Wochen Vater wurde. Ein unglaubliches Gefühl.
Inzwischen wussten wir auch, dass wir eine Tochter bekamen. Ich hatte immer noch den Verdacht, dass Helen erleichtert war, dass es kein Junge wurde.
Kein Mensch braucht einen zweiten Eichborn …
Vielleicht irrte ich mich auch.
»Ist hier noch frei?«, sprach mich plötzlich jemand auf Englisch an.
Ich zuckte zusammen und als ich mich umdrehte und das Gesicht des Mannes sah, der mich angesprochen hatte, erschrak ich wirklich. Das war kein Oberlippenbart, den der trug, es war vielmehr ein Fuchsschwanz.
Herrgott, wie konnte man sich nur selbst so verstümmeln.
Ich nickte ihm stumm zu und sah woanders hin.
»Sie sind dieser Eichborn, oder?«
Amerikaner konnten nicht nur arrogant sein, sondern auch sehr unhöflich.
Vor allem dann, wenn sie für die aktuelle Regierung arbeiteten.
So wie der Typ, der neben mir stand.
Hardliner, Dummschwätzer, Lügner.
Genau meine Zielgruppe, wenn es um eine Feierabendzigarette ging.
Er gehörte eindeutig zu den Menschen, denen ich unter keinen Umständen begegnen wollte.
Samuel McFarlan, Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten der Vereinigten Staaten.