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9 »Es geht hier um Reaktionsgeschwindigkeit, also Kinetik.«

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Mohamed Said Ali

Die dringendste Frage lautete, wie sie die Zutaten besorgen sollten, ohne Aufsehen zu erregen. Erstens handelte es sich bei den benötigten Substanzen nicht um handelsübliche Chemikalien. Und weil das so war, würde die große Menge, die sie benötigten, eventuell Fragen nach sich ziehen. Fragen, die sie unter allen Umständen vermeiden wollten. Daher kauften sie die erforderlichen Chemikalien über mehrere Mittelsmänner in kleinen Chargen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.

Die nächste Frage lautete, wo sie das gefährliche Zeug verarbeiten sollten.

Es war ein aufwendiger und äußerst komplizierter chemischer Prozess erforderlich, um das gewünschte Resultat zu erhalten. Idealerweise würde die Produktion in der Nähe des Anschlagortes erfolgen. Ein längerer Transport des fertigen Produktes kam nicht infrage.

Zu groß war das Risiko einer vorzeitigen Detonation.

Aber sie hatten unverschämtes Glück.

Auf derselben Insel, auf welcher der Anschlag geplant war, entdeckten sie ein kleines Unternehmen, das sich mit der Produktion von Pflanzenschutzmitteln beschäftigte. Die Firma stand kurz vor der Insolvenz und war auf der Suche nach Investoren. Über einen Strohmann, ein Anwalt aus der Schweiz, nahmen sie Kontakt zum Insolvenzverwalter auf. Man vereinbarte einen Termin, um das Objekt zu besichtigen.

Vor allem die vorhandenen Maschinen waren von größtem Interesse. Als feststand, dass sie etwa die Hälfte der Produktionsmaschinen verwenden konnten, machten sie dem Anwalt ein Angebot, das er unmöglich ablehnen konnte. Für relativ wenig Geld erwarben sie genau die Produktionsstätte, die sie gesucht hatten. Abgeschieden und in der perfekten Größe. Und wenn man die richtigen Leute bezahlte, stellte auch niemand unbequeme Fragen. Die fehlenden Maschinen und anderen technischen Teile zu besorgen würde zwar noch einmal eine stattliche Summe verschlingen, aber Geld spielte eine untergeordnete Rolle.

Auch die Suche nach einem erfahrenen Chemiker, der ihnen den Sprengstoff herstellen würde, erwies sich als relativ einfach. Sie fanden ihn in Südafrika. Der in Somalia geborene Mohamed Said Ali arbeitete in Kapstadt als leitender Chemiker in einer Fabrik, die Dünge- und Pflanzenschutzmittel herstellte. Ali führte seine Auftraggeber durch die modernisierte und umgebaute Produktionsstätte auf der Insel. Sie standen nun an einem Metallgeländer und blickten hinab auf eine der drei Produktionshallen. Überall glänzendes Metall, Absauganlagen und ein Wirrwarr aus Leitungen und Rohren. Für Alis Gäste eine vollkommen fremde Welt.

Ali hatte nach unten gedeutete. »Was Sie wollen, ist ein sehr, sehr starker Sprengstoff. Hexanitroisowurtzitan ist einer der stärksten bekannten chemischen Sprengstoffe und gehört zur Gruppe der Nitramine. Die enorme Sprengkraft liegt sowohl an seiner hohen Dichte als auch an der hohen inneren Spannung des Moleküls.«

Sie waren einige Schritte weitergelaufen.

Ali blieb wieder stehen und sah seine zwei Besucher an. »Für eine kommerzielle Nutzung ist Hexanitroisowurtzitan wegen der aufwendigen Synthese und der damit verbundenen hohen Produktionskosten bisher zu teuer. Was Sie da unten sehen, ist einer von mehreren Katalysatoren, die wir hier einsetzen.«

Die zwei Männer blickten nach unten und sahen nichts weiter als zwei übergroße Kochtöpfe.

Ali fuhr fort. »Die Synthese von Hexanitroisowurtzitan erfolgt in einer Dreistufenreaktion: Zuerst lässt man Benzylamin mit Glyoxal unter Säurekatalyse reagieren«, erklärte er und deutete nach links. »Das geschieht in diesem Katalysator. Im zweiten Schritt wird es einer palladiumkatalysierten Hydrierung in Anwesenheit von Acetanhydrid unterworfen. Vier der sechs Benzylgruppen werden zu Toluol reduziert, an ihre Stelle treten schließlich Acetylgruppen.«

Einer seiner Gäste hob in einer entschuldigenden Geste eine Hand. »Bitte verzeihen Sie uns unsere Unwissenheit. Aber es ist so, dass wir von dem, was Sie uns erzählen, nichts verstehen. Erklären Sie uns in einfachen Worten, warum das alles nötig ist.«

Ali dachte kurz nach. »Sie möchten einen Sprengstoff mit gewaltiger Kraft. Diese bemisst sich durch die sogenannte Reaktionsgeschwindigkeit, also Kinetik. Sie ist ein Teilbereich der physikalischen Chemie und beschäftigt sich mit dem zeitlichen Ablauf chemischer Reaktionen oder physikalisch-chemischer Vorgänge. Das, was den von Ihnen gewünschten Sprengstoff so leistungsstark macht, ist eben diese heftige, expandierende Wirkung. Es gibt nichts Vergleichbares, außer vielleicht die energetische Wirkung einer Nuklear- oder Wasserstoffbombe. Aber Hexanitroisowurtzitan ist ein künstlich hergestellter Stoff, ein chemischer Cocktail sozusagen. Deshalb der enorme Aufwand.«

Die beiden Männer hingen an seinen Lippen.

»Und dieser Sprengstoff wird das von uns gewünschte Zerstörungspotential haben?«

Ali nickte. »Er wird ihren Erwartungen nicht nur entsprechen, sondern sie weit übertreffen. Diese Substanz ist in der Lage, enormen Schaden anzurichten. Die Menge, die Sie benötigen, kann sogar die Apokalypse auslösen.«

Das war exakt das, was sie hören wollten.

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