Читать книгу Caldera - V. S. Gerling - Страница 20
13 »Moslehi plant etwas.«
ОглавлениеMohammad Alawi
Al Farag hatte keine Ahnung, dass er seit seiner Ausreise vor zwanzig Jahren von der iranischen Regierung beobachtet wurde. Immerhin hatte er für das iranische Atomprogramm gearbeitet. Einzig die Tatsache, dass er nur Geologe war und es für ihn Ersatz gegeben hatte, sorgte dafür, dass man ihn und seine Familie ziehen ließ.
Aber sie hatten ihn nie aus den Augen verloren.
In den ersten Jahren hatten Al Farag und seine Familie unter ständiger Überwachung gestanden. Erst als der Iran merkte, dass von ihm keine Gefahr ausging, wurde die Überwachung stetig heruntergefahren, bis er schließlich nur noch eine Randnotiz war. Natürlich wurde die Sonderabteilung des Ministeriums für Nachrichtenwesen, dem iranischen Geheimdienst, nicht abgezogen. Die Mitarbeiter dieser Einheit widmeten sich nur anderen Aufgaben. Inzwischen war es das zwölfte Team, das in Deutschland aktiv war. Es bestand aus zehn Männern und Frauen, die vollkommen integriert in Deutschland lebten, gute Jobs und eine Familie hatten. Sie als Schläferzelle zu bezeichnen wäre falsch gewesen. Niemals erhielten sie den Befehl, einen Anschlag auf zivile Menschen oder Einrichtungen zu verüben. Hier und da mal ein Mord an einem Gegner des Regimes, der nach Europa geflohen war. Das kam vor. Machten ja alle. Aber ihre primäre Aufgabe war das Beschaffen von Informationen.
Instabile und/oder unsichere Regierungen hatten alle eines gemeinsam: Sie wollten so viel wie möglich über jeden wissen. Dieses Begehren ging weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus. So erfuhr die iranische Regierung vom Mord an Al Farags Sohn und vom Selbstmord der Ehefrau. Und sie erfuhren, dass sich Al Farag veränderte. Er ging nun regelmäßig in eine Moschee. Hatte neue Freunde gefunden.
Die Moschee war den Iranern wohlbekannt.
Sie wussten, dass seit einigen Jahren radikale Imame dort überwiegend junge Männer radikalisierten, um sie dann an Terrorzellen zu vermitteln, die über ganz Europa verstreut waren und auf ihren Einsatz warteten. In Zeiten der Annährung hatte die iranische Regierung den deutschen Verfassungsschutz darüber informiert. Dieser hatte eine Zeit lang die Moschee überwacht, und als sich nichts Verdächtiges ergeben hatte, die Observierung wieder eingestellt.
Dann, vor ein paar Monaten, buchte sich Al Farag ein Ticket, stieg in eine Lufthansa-Maschine und flog nach Genf.
Sie flogen mit.
Dann geschah etwas völlig Unvorhergesehenes.
Al Farag wurde von Unbekannten in einen abgesperrten Bereich des Flughafens gebracht. Dort stieg er in eine Gulfstream und flog davon. Es gelang den iranischen Agenten, Fotos der Männer zu machen, die Al Farag am Flughafen erwartet hatten. Und mit viel Mühe und einer Menge Geld erfuhren sie auch das Ziel des Privatjets. Eine Insel im Atlantik, die zu Spanien gehörte. Drei Tage später war Al Farag wieder in Deutschland.
Was er während dieser drei Tage getan hatte, wussten sie nicht.
Deshalb machte Alawi auch keine Meldung.
Was hätte er auch mitteilen sollen?
Alawi erhielt einige Tage später den Bericht einer anderen Einheit des iranischen Geheimdienstes. Diese hatte beobachtet, wie sich der bekannte Terrorist Mahmud Moslehi in Wien mit einem Imam getroffen hatte, der in einer Moschee in Berlin arbeitete.
Moslehi war führendes Mitglied der Volksmudschahedin, einer militanten iranischen Oppositionsbewegung, die überwiegend von Albanien aus agierte. Aus diesem Bericht erfuhr Alawi auch, dass Moslehi nach dem Treffen mit dem Imam nach Norwegen geflogen war. Eher durch Zufall stieß Alawi Wochen später auf einen Artikel, in dem vom Mord an zwei Software-Entwicklern aus der Nähe von Oslo berichtet wurde. Alawi recherchierte und stellte fest, dass dieser Doppelmord exakt zu der Zeit erfolgt sein musste, als Moslehi ebenfalls in Norwegen war.
Moslehi war also zu einem Kurztrip nach Norwegen aufgebrochen, an dessen Ende ein Holzhaus abgebrannt war und nur Metall und die sterblichen Überreste zweier Männer übriggeblieben waren. Und das kurz nachdem Moslehi sich mit einem Imam getroffen hatte, der bekannt dafür war, in Deutschland junge Moslems zu radikalisieren. Übrigens war er Imam der Moschee, die auch seit Längerem von Al Farag aufgesucht wurde.
Das alles wussten sie nun.
Aber sie verstanden es nicht.
Hatten keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
Also beobachteten sie Al Farag weiter.
Und verloren wichtige Zeit.
Ihr Anführer, Mohammad Alawi, war zutiefst beunruhigt.
Schließlich machte sich Al Farag erneut auf den Weg auf die Insel im Atlantik.
Diesmal gelang es Alawi, Männer mitzuschicken. Die observierten Al Farag unter anderem mit einer winzigen Drohne. So fanden sie heraus, dass Al Farag auf der Insel mehrere Tage lang eine ganz bestimmte Bergkette aufgesucht und dort Messungen vorgenommen hatte. Sie berichteten Alawi von ihren Ergebnissen und der verständigte seinen Vorgesetzten in Teheran.
»Moslehi plant etwas und Al Farag ist darin verstrickt. Da geht was vor sich«, sagte Alawi. »Ich weiß noch nicht, was, aber ich vermute, es ist etwas Großes.«
»Einen Anschlag?«
»Ich vermute es.«
»Auf wen?«
»Ich weiß es nicht«, gab Alawi zu.
»Das ist nicht genug, um etwas zu tun«, sagte sein Vorgesetzter mürrisch. »Beobachten Sie ihn weiter. Sobald Sie mehr Informationen haben, melden Sie sich wieder.«
Alawi betete zu Allah, dass es dann nicht schon zu spät war.