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Über die Vielfalt

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Mit diesem Buch möchten wir einen Einblick in die Vielfalt samenfester Sorten bieten. Für viele Nicht-GärtnerInnen stellt sich an dieser Stelle vielleicht die Frage, was samenfeste Sorten sind. Kurz gesagt ist es jene Form der Pflanzenzüchtung, welche die Vielfalt der Kulturpflanzen hervorgebracht hat. Die ermöglicht hat, dass Samen mit Menschen wandern und sich an neue Orte anpassen. Jene Form der Züchtung, die Kulturpflanzen wandel- und veränderbar hält. Denn samenfeste Sorten geben ihre Eigenschaften in einem kontinuierlichen Erbstrom an ihre Nachkommen weiter. Die Pflanzen, die wir aus samenfesten Samenkörnen ziehen, ähneln jenen Pflanzen, an denen die Samen gereift sind, den Mutterpflanzen. Doch genetisch sind sie nicht 100 % ident mit ihren Mutterpflanzen, stets bleiben samenfeste Sorten leicht variabel. Stets setzen sich jene Pflanzen aus einem Bestand durch, die unter den Umwelt- und Kulturbedingungen am besten gedeihen. Das können in einem Jahr jene Pflanzen sein, die mit der herrschenden Frühjahrstrockenheit am besten zurechtgekommen sind. Im nächsten Jahr jene, die sich gut gegen die Pilzkrankheit zur Wehr setzen konnten, welche sich im feuchten Sommer ausgebreitet hatte. Und in einem dritten Jahr jene Pflanzen, deren Früchte zur Abreife gelangten, obwohl die ersten Fröste im Herbst besonders früh eingebrochen waren. Solchermaßen kommuniziert eine Sorte mit der sie umgebenden Welt oder umgekehrt die Umwelt mit der Sorte. Dazu zählen auch die vom Menschen geschaffenen Kulturbedingungen – ob und in welcher Form Äcker oder Beete mit Düngemittel versorgt sind, wie belebt die Böden sind, in welcher Form bewässert wird. Solchermaßen können auch wir Gärtnerinnen und Gärtner mit samenfesten Sorten kommunizieren und sie an unsere Geschmäcker und Ansprüche anpassen, jene Formen anbauen, welche die für uns günstigsten Nutzungseigenschaften haben. Und während der eine gerne säuerliche Paradeiser isst, bevorzugt die andere milde Früchte mit wenig Säure. Während die eine feste, knackige Salatblätter schätzt, mag der andere ausschließlich buttrig weiche Blätter. Auch diese unterschiedlichen Geschmäcker sind Quellen der Vielfalt – sowohl individuelle Vorlieben, wie auch jene, die gemeinschaftlich geprägt sind. So sind auch die kulturellen und sozialen Aneignungsprozesse spannend und vielfältig. Viele Kulturpflanzen wurden zu „typischen“ oder „traditionellen“ Ingredienzien von Nationalspeisen und lokal typischen Gerichten – sei es der steirische Ölkürbis oder die Erdäpfel, die in den vergangenen 200–300 Jahren großflächig Einzug gehalten haben. Und was wäre die italienische Küche ohne Saucenparadeiser, die sich so gut zu Sugos einkochen lassen?

Auch gegenwärtig gibt es immer wieder Pflanzen, die neu in unsere Gärten gelangen. Einige Beispiele: Seit wenigen Jahren wird Kiwi in Österreich erwerbsmäßig angebaut – und seit langem schon in Hausgärten. Auch die Gruppe der Asia-Salate (Pak Choi, Senfkohl, Mizuna und andere, die wir in diesem Buch beschreiben) ist relativ neu bei uns. Der Chinakohl, auch ein Asia-Salat, wird hingegen durch den Jahrzehnte langen Anbau in der Steiermark schon als „heimisches“ Gemüse empfunden. Migrantinnen und Migranten brachten und bringen Kulturpflanzen und -sorten aus aller Welt zu uns mit. Durch Gastarbeiter aus Bulgarien kam übrigens auch der Paprika ins Burgenland und die Expertise der bulgarischen Gärtner im Gemüsebau wurde von den österreichischen Erwerbs-Gemüsebauern lange Zeit hoch geschätzt. Der Gemüsebau im Seewinkel, eines der in Österreich gegenwärtig bedeutendsten Gemüseanbaugebiete, geht maßgeblich auf bulgarische Gärtner zurück, die sich ab den 1950er Jahren in der Region ansiedelten.

Handbuch Bio-Gemüse

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