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Das Manifest zur Zukunft des Saatguts

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Weltweit haben Menschen begonnen, sich gegen die Privatisierung ihrer Kulturpflanzen zur Wehr zu setzen. In Indien schließen sich Frauen zusammen, um in regionalen, selbst verwalteten Pflanzenbörsen ihre lokale Pflanzenwelt für ihre Dorfgemeinschaften zu erhalten. Sie haben die Vertretungen der multinationalen Saatgutkonzerne aus ihrer Region vertrieben. In Mexiko protestieren die Bauern und Bäuerinnen gegen die Patentierung ihrer traditionellen Maissorten durch USKonzerne. In Mali hat die Versammlung der Bauern beschlossen, keine gentechnisch veränderten Pflanzen in ihrem Land zuzulassen und die einheimischen Kulturpflanzen als Grundlage ihrer Ernährungssouveränität zu schützen. In Europa mehren sich die Initiativen zur Rekultivierung so genannter „alter“ Landsorten, Bauern und Bäuerinnen fordern ihr uraltes Recht ein, die Samen der von ihnen angebauten Pflanzen wieder aussäen und frei untereinander tauschen zu dürfen.

Die indische Aktivistin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva engagiert sich seit drei Jahrzehnten für die Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Unterstützt von zahlreichen engagierten Menschen hat sie gemeinsam mit dem Präsidenten der Region Toskana, Claudio Martini, die „Internationale Kommission zur Zukunft der Lebensmittel und der Landwirtschaft“ gegründet. Diese hat im Frühjahr 2007 das „Manifest zur Zukunft des Saatguts“ verfasst – ein Aufruf zum freien Austausch von Saatgut unter Bäuerinnen und Bauern:

„Saatgut ist ein Geschenk der Natur, vergangener Generationen und unterschiedlicher Kulturen. Wir haben die Verantwortung, es zu schützen und an zukünftige Generationen weiter zu geben. Saatgut steht am Anfang der Nahrungskette, ist Ausdruck der biologischen und kulturellen Vielfalt und Ausgangspunkt künftiger Entwicklung und Evolution. Seit der Neolithischen Revolution vor etwa 10.000 Jahren arbeiteten Bäuerinnen und Bauern in ihren Gemeinschaften und Gemeinden an der Verbesserung der Erträge, des Geschmacks und der Ernährungsqualität der Kulturpflanzen. Sie entwickelten sich bald zu Expertinnen für den gesundheitlichen Wert und die Heilkraft ihrer Pflanzen, aber auch für deren Wachstumsbedingungen und ihre wechselseitige Wirkung mit anderen Pflanzen, Tieren, Boden und Wasser. Seltene und oft zufällige Kreuzungsereignisse führten bei einzelnen Pflanzenarten rasch zu einer weiten Verbreitung in ihren primären Ursprungszentren (z.B. beim Weizen in Mesopotamien, beim Reis in Indien und Indochina, bei Mais und Kartoffel in Zentralamerika), und später über die ganze Welt.

Der freie Austausch von Saatgut unter Bauern war die Grundlage für die Erhaltung und Entwicklung von Vielfalt und Ernährungssicherheit. Er beruht auf Zusammenarbeit und Wechselseitigkeit und dem Austausch unter Gleichen. Diese Freiheit geht weit über den reinen Austausch von Samen hinaus: Es geht auch um den freien Austausch von Ideen, Wissen, Kultur und Traditionen.

Diesen Wissens- und Erfahrungsschatz haben unzählige Generationen von Bauern und Bäuerinnen durch Beobachtung im eigenen und in Nachbars Garten und Acker angehäuft. Die kulinarische, kulturelle und religiöse Bedeutung einer Pflanze, die Kenntnisse über ihre Widerstandskraft gegen Trockenheit, Krankheiten und Schädlinge, über ihre Pflege und Lagerungsfähigkeit und vieles mehr formen das gemeinschaftliche Wissen über Anbau und Nutzen bestimmter Kulturpflanzen.

(…) Die Freiheit der Saat und die Freiheit der Bauern und Bäuerinnen werden durch neue Formen von Eigentumsrechten und neue Technologien bedroht. Saatgut droht von einem Gemeinschaftsgut der Bäuerinnen und Bauern in einen Rohstoff verwandelt zu werden, dessen Nutzen und Handel von einigen wenigen Konzernen monopolisiert wird. Das Aussterben unzähliger Kulturpflanzenarten und Sorten, bei gleichzeitiger Entwicklung von geschützten Hybridsorten und Züchtungen mit unfruchtbaren Samen („Terminatortechnologie“), gefährdet die Zukunft des Saatgutes und unsere Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln. (…) Es bedarf heute der Entwicklung neuer Systeme von Rechten und Pflichten, die sowohl die kollektiven Rechte lokaler Gemeinden und Gemeinschaften und die Saatgutsouveränität der Bauern und Bäuerinnen anerkennen, als auch die globale wechselseitige Abhängigkeit unterschiedlicher Kulturen und Nationen berücksichtigen.“

Quelle: www.arche-noah.at und im Englischen Original www.navdanya.org.

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