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Anbauen und Züchten

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In dieser bäuerlichen und gärtnerischen Pflanzenzüchtung sind Züchten und Anbauen nicht zwei voneinander getrennte Tätigkeiten, sie sind eng miteinander verzahnt und beeinflussen sich wechselseitig: In diesem Verständnis züchtet jeder Mensch, der Pflanzen kultiviert und ihre Früchte und Samen erntet. Das Selbstverständnis, dass Bäuerinnen und Bauern Kulturpflanzen züchten, findet sich in vielen Dialekten und bäuerlichen Alltagssprachen wieder – z.B. in Südtirol im Wort „Zîgeln“. Der Hinweis: „Sie züchtet in ihrem Garten Zucchini“, meint nicht, dass eine Gärtnerin professionelle Pflanzenzüchterin ist, sondern dass sie in ihrem Garten Zucchini anbaut. In einem Zeitraum von etwa 30 Jahren kann sich eine Sorte an einem neuen Standort soweit verändert haben, dass eine „neue“ Lokalsorte entstanden ist. Doch auch in viel kürzeren Zeiträumen können Züchterinnen und Züchter Sorten durch starke Auslese verändern und neue Eigenschaften ausprägen. Ein bedeutender Aspekt der bäuerlichen Pflanzenzüchtung ist, dass Pflanzen, wenn sie an einem Standort angebaut und vermehrt werden, sich auch den an diesem konkreten Standort auftretenden Krankheiten und Schädlingen anpassen können. Der Forschungszweig der „Bio-Kommunikation“, der chemischen Ökologie, ist noch ein sehr junger. Doch man weiß mittlerweile, dass Pflanzen bestimmte Abwehrmechanismen gegen Schädlinge entwickeln können oder z.B. Nützlinge durch Duftsignale aktiv gegen einen Schädlingsbefall zu Hilfe holen können – und diese Eigenschaften kann man durch die Auslese solcher robusterer Pflanzen für den Samenbau fördern.


Der US-amerikanische „Amateurzüchter“ Tom Wagner züchtete in den 1970er Jahren die samenfeste Sorte ‚Green Zebra‘. Bis heute schwört er auf samenfeste Sorten, reist durch die Welt, hält Züchtungsvorträge und meint: „My seeds are your seeds!“

Der Getreidezüchter Peter Kunz bezeichnet diese Mechanismen, die Pflanzen entwickeln können, als „Nachhaltige Resistenzen“, die auf dem Prinzip des „Lebens und Leben-Lassens“ basieren. Bei dieser Art von Resistenz findet z.B. ein Schadpilz zwar eine gewisse Verbreitung, die Pflanzen sind jedoch so robust, dass der Pilz nicht oder kaum ertragsmindernd wirken kann. In der „modernen“ professionellen Pflanzenzüchtung hat diese Form der Co-Evolution von Pflanze und Krankheit kaum einen Platz, da hier die meisten Züchtungsschritte der Resistenz-Züchtung im Labor stattfinden. Eine Co-Evolution von Pflanzen und Schädlingen hingegen braucht den Anbau der Pflanzen auf den Äckern und kann nicht ins Labor verlagert werden. Der Pflanzenzüchter Raoul A. Robinson propagiert die Züchtung von Kulturpflanzen in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit von PflanzenzüchterInnen und BäuerInnen in Form von „plant breeding clubs“.

Pflanzen passen sich auch der Art und Weise, wie sie mit Dünger und Wasser versorgt werden, an. Wird z.B. eine Pflanze ausschließlich mit leicht wasserlöslichen, chemisch-synthetischen Düngern gedüngt und mit intensiver Bewässerung versorgt, besteht für die Pflanzen kein Anreiz, ein starkes Wurzelsystem auszubilden – und so kann auch keine Auslese in diese Richtung erfolgen. Sorten, die auf eher kargen Böden wachsen, bilden über Generationen ein stärkeres Wurzelsystem aus, denn jene Individuen gedeihen am besten, die gut aktiv Nährstoffe und Wasser aus dem Boden erschließen können.

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