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KOCHEN, UNSERE FAMILIENTRADITION

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Meine erste Kochlehrerin war meine Großmutter Jaja Kiki, die Mutter meines Vaters. Sie konnte sehr gut kochen, meist einfache Rezepte für eine große Familie. Im Sommer, wenn ich sie besuchte, gab es oft Bohnen- oder Linsensuppe, vegetarisch gefüllte Tomaten, Tomatensalat mit Feta. Und zu jedem Essen servierte sie frische Oliven und Brot. Fleisch gab es selten, aus dem einfachen und pragmatischen Grund, dass es sehr teuer war – und damit etwas Besonderes. Aus heutiger Sicht würde man sagen, dass wir ungewollt sehr gesund gegessen haben.

Mittags kam die ganze Familie Papathanassiou zusammen und Kiki musste viele hungrige Mäuler nähren. Abends saßen wir dann oft auf der Terrasse meiner Großeltern in Pangrati, einem Stadtteil von Athen, und aßen gemeinsam. Nach dem Essen holte mein Großvater, Papou Thanassi, der Lehrer für Latein und Altgriechisch war, seine Gitarre raus. Mein Vater und Onkel Panos sangen, Tante Lulu und Tante Sia spielten Gitarre (und sangen auch gut). Und so saßen wir alle zusammen, im Hochsommer auch oft bei Tante Lulu in Rafina, sangen alte griechische Lieder und teilten die Liebe zum Essen und zum Musizieren. Von Kindheit an war die Freude am Essen mit der Freude am Singen verbunden. Und das ist für mich auch immer so geblieben.

Meine Großmutter mütterlicherseits, Jaja Lela, war eine besondere Person in meinem Leben, denn sie hat mich mit großgezogen. Als meine Eltern nach Hamburg zogen, blieb ich zunächst bei Jaja Lela in Athen und kam erst einige Zeit später nach. Jaja Lela war zwar keine besonders gute Köchin, aber sie kochte alle meine damaligen Lieblingsgerichte, vor allem Artischocken in Avgolemono-Sauce und Papoutsakia, die kleinen Auberginenschühchen, wie man hier dazu sagen würde. Sie war eine liebevolle Frau, humorvoll und fürsorglich, und ich trage sie immer in meinem Herzen.

Meine Mutter Bubu wiederum konnte nicht wirklich kochen. Aber sie brauchte es auch nicht, denn mein Vater war ja schon ein leidenschaftlicher Koch. Bubu genoss es dafür umso mehr, mit Familie und Freunden am Tisch zu sitzen, zu lachen, zu rauchen, einen Wein zu trinken und sich Geschichten zu erzählen. Auch meine Mutter hatte eine gute Stimme und eine besondere Liebe zur Musik.

Mein zweiter Kochlehrer war mein Vater Leo, ein großartiger Koch. Er hat mir mit viel Enthusiasmus und Freude die Grundlagen des Kochens beigebracht. Seit meinem fünften Lebensjahr lebten wir in Hamburg. Mein Vater genoss gutes Es sen und kochte viele griechische Gerichte. Sicherlich bekämpfte er auch die Sehn sucht nach unserer Heimat, indem er uns das warme griechische Essen ins ja doch eher kühle Hamburg holte. Am liebsten bereitete er frischen Fisch im Backofen zu, Taramosalata und Kokkinisto (Fleisch in Tomatensauce). Ja, er war der Meister des Kokkinisto!


Mit meiner Mutter Bubu.

Was meinen Vater als Koch heraushob, war und ist sein Talent, auf den Punkt zu würzen, denn das ist wirklich eine Kunst. Er brauchte die Gerichte gar nicht abzuschmecken, sondern würzte intuitiv, aber auf das Salzkorn genau. Mein Vater war kein großer Fan vieler Gewürze, vor allem Oregano missfiel ihm. Er war der Meinung, dass es am Ende stets um das richtige Salzen und Pfeffern ginge und zu viele Gewürze den Geschmack des eigentlichen Essens übertünchen würden.


Mein Vater und ich beim Kochen und Probieren Ende der 1960er-Jahre in Hamburg.

Und auch bei meinem Vater war es ähnlich wie bei Jaja Kiki: Familie und Freunde kamen fast täglich zu uns. Irgendjemand war immer da. Mein Vater kochte, alle versammelten sich um den Tisch und es wurde – natürlich – auch über Musik gesprochen, denn mein Vater war ein weltbekannter Produzent und Komponist.

So frei, familiär, köstlich und musikalisch, wie es bei meiner Großmutter Kiki und bei meinem Vater zuging, so wollte ich es auch immer bei mir zu Hause haben: ein Tisch, der alle Generationen miteinander verbindet, durch das Essen, das Trinken, das Lachen, das Nachdenken, das Sinnieren, das Flirten, das Spaßhaben und das gemeinsame Singen.

Die griechische Gastfreundschaft gilt aber nicht nur den eigenen Freunden, sondern auch den Menschen, die man nicht so gut kennt. Diese zu sich einzuladen, ihnen etwas anzubieten, einen kleinen Ouzo oder einen Retsina, ihnen etwas Gutes zu tun mit seinem Essen: Das ist die Urform der griechischen Gastfreund schaft. Und hinter dieser Gastfreundschaft versteckt sich eine Lebensanschauung, eine Offenheit, eine Liebenswürdigkeit, eine Freude an der Geselligkeit, eine Großzügigkeit und ein großer Respekt anderen Menschen gegenüber.

Für mich hat das Kochen darüber hinaus noch einen anderen Sinn: Seit meinem 18. Lebensjahr bin ich auf Konzerttourneen unterwegs, oft die Hälfte des Jahres. Wenn ich also zu Hause bin, koste ich diese Zeit aus. Es ist dann meine private Zeit, fernab der Öffentlichkeit. Ich tanke Kraft und komme zur Ruhe – und ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Teil davon ist für mich das Kochen. Es beruhigt mich, ich kann dabei meine Gedanken sammeln und ordnen, ich kann mich besinnen und sogar meditieren. Und wenn am Abend dann Freunde oder Familie an meinem Tisch sitzen und wir gemeinsam essen, dann verbreitet sich dieses warme Gefühl des Wortes »zu Hause« in mir.

Natürlich lege ich auch viel Wert auf eine gesunde Ernährung. Gutes Essen gibt dem Körper, dem Geist und der Stimme Kraft und die brauche ich zum Singen – und für meine Enkelkinder. Ich habe immer versucht, meine Familie mediterran zu ernähren. Gesundes, frisches Essen, also viel Salat und Gemüse, frischer Fisch, Pasta und Reis, Hülsenfrüchte, eine Handvoll Obst am Tag, wenig, aber dafür gutes Fleisch … Die Lebensmittel, die ich dabei am häufigsten verwende, sind gutes Olivenöl, Zitronen, Petersilie und Tomaten. An Letztere finden Sie auf > eine Liebeserklärung von Leo, in Form seines griechischer Bauernsalats.

Und schließlich noch ein Geständnis: So sehr ich es genieße, wenn Enkelkinder, Kinder, Eltern, Großeltern und alle dazugehörigen Partner*innen, Ex-Partner*innen (sofern sie sich gut verstehen) und Stiefkinder sich bei mir zu Hause versammeln, so koche ich doch auch aus Egoismus. Denn wenig wirkt anziehender auf die Familie als köstliches Essen und so halte ich mir mit meiner Leidenschaft nicht zuletzt auch meine Familie und meine Freunde als Dauergäste und mache mich selbst damit glücklich.

Ein Hoch auf das Leben

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