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Mein Sein in seinem Sein

Als Kind begegnete mir Gott nur indirekt, durch die Bilder von Schutzengeln, die Brüderchen und Schwesterchen sicher über zerbrochene Holzbrücken über den tosenden Wildbach geleiten, oder als Herz-Jesu-Bildchen. Gott war einer, der mich beschützt, der für mich da ist und dem ich am Abend sagen durfte, wie gerne ich ihn habe, und den ich bat, auf mich aufzupassen, wenn ich schlafe. Die Kirche war der Ort, wo der liebe Gott wohnt, verborgen in einer goldenen Kiste über dem Hochaltar, in die niemand hineinsehen durfte. Deshalb gab es hinter der geöffneten Tür noch mal einen Vorhang, aber es gelang mir nie, einen Blick auf das Innere zu erhaschen. Wenn der Priester beim Gottesdienst mit dem Rücken zum Volk bei der Wandlung die Hostie hob, mussten alle nach unten blicken, und ich tat es so wie alle anderen. Gott war ein unnahbares Geheimnis.

Im Beichtunterricht zur Vorbereitung auf die Erstkommunion begegnete mir dann ein anderes Gottesbild: der allmächtige Vater, überall gegenwärtig, alles sehend (symbolisiert im Gottesauge über dem Hochaltar), vor dem es kein Entkommen gab. Er wusste alles: unsere geheimsten Gedanken; er wusste, wenn ich genascht hatte oder abgepflückte Blumen wegwarf, wenn ich gemein war oder gelogen hatte. Und er bestrafte mich, wenn ich auch nur gegen das kleinste seiner Gebote verstoßen hatte.

Das war ein Gottesbild, das mich lange begleitet und mir die Freude an Gott verdorben hatte. Es führte dazu, dass ich diesem Gott und seiner Kirche gegenüber eher ablehnend dastand. Wenn ich ihn rief, dann nur, wenn ich verzweifelt, einsam war, Hilfe brauchte. Aber in guten Zeiten wollte ich nichts von ihm hören, war er mir gleichgültig geworden. Nicht, dass ich nicht mehr an seine Existenz glaubte, aber er war mir nicht wichtig genug, um mich mit ihm zu beschäftigen.

Und dann, als es mir wieder einmal sehr schlecht ging, trat mir aus dieser Dunkelheit eine neue Wahrheit entgegen: ein liebender, ein verzeihender Gott, einer, dem ich trauen, vertrauen kann. Der mich so annimmt, wie ich bin, für den ich mich nicht verändern muss, um ihm zu gefallen. Aus dieser neu entdeckten »Liebe« wuchs eine neue Sehnsucht: mich ihm ganz in seinen Dienst zu stellen. Mein Leben änderte sich radikal. Ich trat in den Orden ein, um das zu leben und das weiterzugeben, was ich selber erfahren hatte, ein Geschenk, das ich teilen wollte.

Heute ist mein Gottesbild einfacher geworden, ja ich versuche alle Bilder, Gefühle, Vorstellungen auf ihn hin loszulassen. Gott ist Gott. Mein Sein in seinem Sein. Alles darf sein, auch ich in allem, so wie er mich geschaffen hat. Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann tritt er mir in jedem Menschen so entgegen, wie dieser ist, egal ob hässlich, schön, betrunken, voller Wut und Hass, hungrig, gleichgültig, satt, strahlend oder auch zweifelnd. In jedem Menschen kann ich seine Anwesenheit oder Abwesenheit spüren. Auch in meiner Angst oder Freude, ihnen zu begegnen. Durch Menschen spricht er zu mir, wenn er eine menschliche Stimme braucht. Oder ich spreche zu ihnen, wenn er ihnen etwas sagen will. Der Ort, wo Gott mir am nächsten ist, ist die Stille, in einer ganz einfachen, schlichten Gewissheit, dass er da ist. Nicht immer, aber immer wieder. Das genügt.

Anton Altnöder SJ, Nürnberg, geb. 1950

Wer ist dein Gott?

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