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Die Weltformel des Glaubens

Gott ist Liebe. Zugegeben: Dieser Satz klingt nicht sehr originell. Und doch, je länger ich darüber nachdenke, desto weniger fällt mir etwas anderes ein. Der französische Jesuit François Varillon hatte einmal sinngemäß geschrieben: »Wenn ihr bei einem Streit um theologische Fragen nicht einseht, dass es letztlich immer um Liebe geht, dann lasst es sein … vorläufig.« Vielleicht ist es meine naturwissenschaftliche Prägung, aber ich bin je länger je mehr davon überzeugt, dass das Eigentliche, um das es im Glauben geht, nicht einfach genug sein kann. Und daher sind es vor allem zwei einfache Formeln, die seit ein paar Jahren meine Erfahrungen mit Gott erhellen und mein Reden über Gott prägen.

Die erste stammt vom verstorbenen irischen Jesuiten Michael Paul Gallagher, der uns die kürzeste Definition des Wortes »glauben« vorgelegt hatte: »Say yes to a yes!« Sag ja zu einem Ja! Nicht irgendwelche abstrakten Wahrheiten und Lehrsätze stehen im Zentrum des Glaubens, sondern eine Beziehung. Glauben heißt, sich auf den einlassen und auf den vertrauen, der zu mir ja sagt ohne Wenn und Aber. Und dieses bedingungslose Ja Gottes zur Welt und zu uns Menschen ist es, worum es im christlichen Glauben geht und was wir an Weihnachten feiern. Gott, der Schöpfer des Universums, wird selber Mensch in der konkreten Wirklichkeit unserer Welt. Und er tut dies nicht mit Pauken und Trompeten, sondern still und diskret in der Gestalt eines kleinen Kindes. In der gewaltlosen Erscheinung und in der wehrlosen Liebe dieses Kindes beginnt das, was am Kreuz seine Vollendung finden wird: die Offenbarung der Liebe und Barmherzigkeit Gottes durch das Lebenszeugnis von Jesus von Nazareth. Er möchte uns zeigen und erfahren lassen, wer er ist und wer wir sind für ihn. In der ganz konkreten Begegnung mit Jesus erfahren sich Menschen als von Gott gesehen und wahrgenommen, als gekannt und anerkannt, als beim Namen gerufen und persönlich gemeint, als bedingungslos bejaht und geliebt.

Hier kommt die zweite Formel ins Spiel, die ich dem amerikanischen Franziskaner Richard Rohr zu verdanken habe. Er hatte 1998 in einem Vortrag in Zürich die wesentliche Aussage der Bibel in einem Satz zusammengefasst: »You are not o.k., but that’s o.k.!« Gottes Liebe stellt keine Bedingungen. Er fragt weder nach der Vergangenheit noch nach der Leistung. Seine Sehnsucht ist der lebendige, aufrechte Mensch. Er möchte mich frei machen von allem, was mich am Leben hindert. Und er tut das nicht etwa, indem er einfach ignoriert, was alles nicht o.k. ist. Nein, er nimmt meinen jeweiligen Ausgangspunkt ernst mit allem, was verletzt, lebensfeindlich oder eben sündhaft ist. Und weil er mich – wie es Papst Franziskus so schön ausdrückt – auch als Sünder anschaut und dennoch o.k. findet, kann ich immer wieder neu meinen Weg mit ihm wagen, ohne an meinem dauernden Scheitern zu verzweifeln. Ja, Gott ist für mich die Erfahrung, dass da einer ist, der ja zu mir sagt, auch wenn ich einmal nein sage … ja selbst dann noch, wenn ich einfach nicht aufhören kann, nein zu sagen. Manche Naturwissenschaftler träumen von der letzten, einfachen Formel hinter aller Wirklichkeit, der Weltformel. Im Glauben habe ich sie gefunden: Gott ist Liebe.

Beat Altenbach SJ, Basel, geb. 1965

Wer ist dein Gott?

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