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GOTT – abwesend und gegenwärtig

Wenn von Gott die Rede ist, dann befällt mich manchmal großes Unbehagen. Werden wir in unseren Glaubensgesprächen und Bibelrunden, in unserer Theologie, in unserer kirchlichen Praxis und Verkündigung dem Geheimnis Gottes auch nur annähernd gerecht? Können wir ihm jemals gerecht werden? Vor Gott muss man eigentlich verstummen, kein Begriff und kein Bild können ihn einfangen. Andererseits denke ich mir, dass gerade heute, in der Zeit einer abgründigen »Gotteskrise«, neu von Gott gesprochen werden muss: klar, eindeutig und überzeugend.

Für mich ist die Unterscheidung Martin Luthers zwischen dem verborgenen und dem offenbaren Gott sehr wichtig geworden. Wenn ich in die Welt blicke, dann sehe ich nichts von Gott, weil Gott kein Teil dieser Welt ist. Gott ist vollkommener als alles, was ich denken oder erfahren kann. Ich stutze immer ein wenig, wenn von den unterschiedlichsten Gotteserfahrungen berichtet wird oder wenn man sich auf den Willen Gottes beruft. Kann man einen Gott, der »in unzugänglichem Licht wohnt« (1 Tim 6,16), so ohne weiteres erfahren? Was ich erfahre, ist eine Welt, die wunderschöne und auch ganz schreckliche Seiten hat; eine Welt, die eigentlich absurd ist, jedenfalls aber ambivalent, und gerade in ihrer Ambivalenz auf ein unbegreifliches Geheimnis verweist, das mir jedoch völlig unzugänglich bleibt. Ich denke mir, dass nichts ohne Gott sein kann, dass alles von ihm abhängig ist. Aber dieser Gedanke ist für sich genommen in keiner Weise tröstlich, weil er mich nur dem verborgenen Gott ausgeliefert sein lässt. Für mich heißt das, unter dem »Zorn Gottes« zu stehen. Und das ist keine harmlose Angelegenheit.

Erst vor diesem dunklen Hintergrund gewinnt die Botschaft Jesu ihre wahre Bedeutung: Jesus Christus, und er allein, offenbart die Gegenwart des verborgenen Gottes. Durch Jesus habe ich Zugang zu Gott und kann zu ihm beten, also auf sein Wort antworten. Im Evangelium wird mir zugesagt, dass das Geheimnis der Wirklichkeit mich mit unendlicher Barmherzigkeit umfängt, und nicht nur mich, sondern die ganze Welt. Jesus, der Sohn, offenbart den Vater und nimmt die Menschen hinein in seine Beziehung zum Vater; eine Beziehung, die von Ewigkeit her besteht und nur im Glauben erkannt werden kann, eine Beziehung, die selber Gott ist, der Heilige Geist. Nur in einem trinitarischen Verständnis ist Gemeinschaft mit Gott sinnvoll aussagbar. Gott lässt uns geborgen sein in einer Gemeinschaft mit ihm, gegen die nichts in der Welt ankommt, nicht einmal der Tod. Darauf will ich mein Vertrauen setzen. Und dieses Vertrauen kann ich mit Vernunft und Erfahrung weder begründen noch widerlegen. Doch in diesem Vertrauen erscheint dann auch die Welt in einem neuen Licht, nicht mehr als ein Gleichnis der Abwesenheit Gottes, sondern als ein Gleichnis seiner Gegenwart. In diesem Vertrauen werde ich anders leben: menschlicher, freier, mutiger. Ich muss nichts in der Welt vergöttern. Ich muss an der Welt nicht mehr verzweifeln.

So lebe ich irgendwie in der Spannung zwischen dem verborgenen und dem offenbaren Gott. Der Gaube, das Vertrauen auf Gott, ist bei mir häufig angefochten. Bis jetzt gab es aber immer wieder auch die Erfahrung, dass gerade die Anfechtungen mich auf Gott verweisen. Ich hoffe, dass das so bleiben wird. Was mich stets tröstet, ist der Gedanke, dass letztlich nichts von mir abhängt.

Robert Deinhammer SJ, Innsbruck, geb. 1977

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