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ОглавлениеWir und Gott: nüchternes Feststellen und jubelnder Dank
1. Immer schon fragten und klagten viele Menschen: Weshalb hilfst du mir nicht, Gott? Weshalb mir so wenig und anderen mehr? Wofür soll ich dir überhaupt danken? Zahlreiche Menschen, die tiefgründig ihre Zeit und Gesellschaft untersuchten, zogen den Schluss, dass Gott sich nicht um sie kümmert, entweder weil er sich erhaben über seine Schöpfung fühlt oder weil er tief enttäuscht über seine Geschöpfe ist, ja, dass er sich tieftraurig über uns Menschen wegen unserer Sünden von uns trennte.
Menschen beschlossen deshalb, sich von Gott zu befreien, um bloß für sich selbst zu leben und nur noch vor sich selbst Rechenschaft ablegen zu müssen. Manche leugneten die Existenz eines Gottes überhaupt.
2. Wie will ich, der ich weiterhin bewusst und gewollt Christ bleiben will, darauf antworten? Meine im Gebet und im Verlangen nach Wahrheit errungene, zugleich bereits vor Jahrhunderten errungene Antwort lautet:
Gott Vater erschuf in Liebe zu seinem Sohn und zum Heiligen Geist diese Welt und stellt an deren obersten Platz den mit und zur Freiheit begabten Menschen und liebt ihn.
Gott fordert und fördert wiederum die Liebe des Menschen in den drei Richtungen: 1. zu sich, Gott, 2. des Menschen zum Menschen und 3. des Menschen zu sich selbst. Diese dreifache Ausrichtung lässt uns erkennen: Gott verzichtet bewusst und gewollt aus Liebe zu uns darauf, vorrangig verehrt zu werden, wenn bloß die Menschen, z.B. die Mitglieder eines Staates, sowohl einander wie sich selbst lieben und untereinander für Freude, Frieden und das Gemeinwohl sorgen. Gott bevorzugt insofern das Geschöpf vor sich selbst!
Und so wie Gott von sich selbst absieht und auf seine Verehrung – und sogar um unseretwillen auf das irdische Weiterleben seines Sohnes – verzichtet, so soll je nach Situation auch der Mensch auf eine ihm von Menschen entgegenkommende Liebe verzichten können. Mit ehrfürchtigem Stolz kann uns dies erfüllen!
3. Also: Gott sah sich und sieht sich nie durch eine Sünde zum Rückzug und Ausstieg aus dieser Liebesbeziehung veranlasst, sondern liebt vielmehr ununterbrochen und unvermindert stark die Menschen, ja einen jeden Menschen, auf jedem Schritt und in allen seinen Beziehungen. Und Gott leidet mit, wenn Menschen sündigen und andere an deren Sünden leiden müssen.
Daher sollen wir Menschen eine so starke, souveräne Liebe, also die Gottes zu uns, von unserer Seite aus erwidern und IHN ehren, ja verehren! Allein solche Gegenseitigkeit trägt zu unserem Wohlbefinden – und Heil – bei.
4. Die von Menschen aufgestellte Lehre, dass sich Gott aus Trauer über uns zurückzog, ist unrichtig. Allerdings überträgt Gott sein unmittelbares Wirken zumindest im politischen Zusammenleben von sich auf die Menschen; ER bleibt selbstverständlich, vermittelt durch Menschen, höchst verantwortlich!
Gott zog sich also weder aus Abneigung zu uns noch aus Zorn über uns zurück, sondern aus tiefer Zuneigung zum Menschen, der als freies Wesen geschaffen ist, um sich in freiem Handeln seinem Ziel, dem wahren Menschsein, anzunähern. Menschliches Handeln soll die Schöpfung ihrer Vollendung näherbringen und sie verantwortlich zum Guten, Schönen und gerechten Leben ausgestalten. Und jedes Handeln soll Gott zur wahren Ehre gereichen.
5. Somit lässt sich die von kritischen Zeitgenossen angestrebte Verantwortung auch – und eigentlich nur! – erreichen und anzielen, wenn wir mit Gott, dem Schöpfer, zusammenleben wollen. Unser Ziel bleibt: Gott, den Schöpfer und Erlöser, zu ehren, zu verehren und in Freiheit zu lieben. Gott hilft zugleich unermüdlich, dass wir Schritt für Schritt, Tag für Tag auf dem Weg zu ihm vorwärtskommen, um dieses Ziel, also IHN selbst, zu erreichen.
Schluss:
1. Wer Gott aus der Welt und zu Verzichten drängen will, soll wissen, dass und weshalb Gott sich selbst enorm zurückzieht und verzichtet.
2. Wenn der Mensch sich selbst verliert oder verneint, so hilft Gott, dass der Mensch sich wieder findet und zu bejahen vermag.
3. Wer Gott töten will, soll wissen, dass Gott seinem einzigen Sohn schmerzlichst den Weg zu den Menschen freigab, die fähig zum Töten waren.
4. Wo der Mensch für sich Vorteil, allenfalls Gerechtigkeit fordert, schenkt Gott sich selbst und heilt den Menschen aus Krankheit, Selbstbetrug und Versklavung.
Norbert Brieskorn SJ, München, geb. 1944