Читать книгу Wer ist dein Gott? - Vitus Seibel - Страница 11
ОглавлениеGott des Alltags
Gott ist für mich derjenige, der mich bewegt hat, diesen Beitrag zu schreiben. Sonst hätte ich über Gott gar nichts zu sagen. Aber sobald Gott selbst sich meiner Vernunft, meines Herzens und meiner Hände bedient, habe ich sehr wohl etwas über ihn zu sagen. Deshalb soll hier die Rede nicht von Gott sein, sondern mit Gott. Wenn ich also überhaupt etwas über Gott zu reden vermag, dann nur in der Form des Dialogs.
Gott ist stets erwartungsvoll. Er ist immer interessiert, etwas über mich und mein Leben zu erfahren. Es klingt ein wenig paradox, aber gewiss. Gott freut sich über jede freudige Geschichte, die ich ihm »erzähle«, als ob er sie zum ersten Mal hörte. Wenn ich voll Kummer mit meinen Klagen vor ihn trete, dann zeigt er sich zutiefst bewegt. Wenn ich schwach und schweigsam seine Gegenwart suche, dann ist er da, mir seinen stillen Beistand zu leisten. Gott ist mir also zunächst ein ganz zarter, feinfühliger Freund. Gott, der erhabene und alles Verstehen und Vorstellen übersteigende Schöpfer des Universums, macht sich für meine Bedürfnisse vollkommen verfügbar. Diese meine Bedürfnisse werden fast immer einwandfrei erfüllt. Und zugleich fast immer in einer Art und Weise, wie ich mir das selbst nie ausdenken könnte. Dann bleibt mir am Ende des Tages nur noch ein großes mit Dankbarkeit erfülltes Staunen.
Gott ist aber nicht nur ein Empfänger, der nur auf meine Initiativen reagiert, sondern vielmehr ein ganz aktiver Geber. Er ist überhaupt die Motivationsquelle, die mich bewegt, eine Initiative aufzugreifen und ihn zu suchen. Er sucht mich also, indem er versucht, mich zum Suchen nach ihm zu bewegen. Das fällt ihm nicht immer sehr leicht, weil ich manchmal ganz schön stur sein kann. Aber er ist doch Gott, er schafft das.
Gott ist gegenwärtig. Das bedeutet für mich, dass er sich in meinem Leben finden lässt. Eine große Motivation, warum ich ein Jesuit geworden bin, war, mein Leben zu verleugnen und dafür nur Gott zu suchen. Aber mit der Zeit hat mich diese Suche nach Gott in mein Leben zurückgeführt, wenn auch mit ganz anderen Augen. Gott hat mir gezeigt, dass er mir in der Wirklichkeit begegnen möchte, und deshalb suche ich jeden Abend diese Wirklichkeit, wenn ich die Hände zusammenfalte und einen Rückblick auf den vergangenen Tag werfe. Dort zeigen sich mir Gespräche, Begegnungen, Erkenntnisse, Gefühle, Stimmungen usw., die eine bestimmte Botschaft über mich selbst und über Gott in sich bergen. Diese Botschaften sind Ermutigungen oder Bestätigungen, die mich in diese oder jene Richtung zu bewegen bzw. die schon eingeschlagene Richtung zu bewahren versuchen. Mittlerweile gibt es jeden Tag eine solche Fülle an Botschaften, die von Gott geschenkt werden, dass ich, ganz überwältigt, meine Hände wieder entfalte und alle diese empfangenen Ermutigungen und Bestätigungen zurück in seine Barmherzigkeit vertrauensvoll versenke. Mich tröstet dann sein Wort: »Was ich in dir angefangen habe, werde ich auch vollenden.« Und dieses Wort richtet sich auch an jeden, der diese Zeilen liest.
Lukas Ambraziejus SJ, München, geb. 1995