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Duisburg Röttgersbach, 11. Mai

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Das Knoopsche Anwesen bestand aus einem anderthalbgeschossigen Einfamilienhaus und einer angebauten Garage. Ein schmaler Streifen Garten trennte das Haus von der Waldecker Straße. Eine brennende Bogenlampe war die einzige Begrüßung für den Heimkehrer. Mikael stellte seine Sporttasche samt Schlafsack an der Treppe ab. Er würde beides später mit nach oben nehmen, wo das Schlafzimmer lag. Die ganze untere Etage schien in Dunkelheit zu liegen. Als Knoop sein Wohnzimmer betrat, lagen Frau und Tochter einvernehmlich auf dem Sofa unter einer Decke und schauten fern. Während AnnaLena sofort aufsprang, um ihren Vater zu begrüßen, blieb Christel liegen. Mikael schaltete die Deckenbeleuchtung ein.

„Du kommst aber ziemlich spät von deinem Sportvergnügen. Wolltest du nicht mittags hier sein? Hat es denn wenigsten Spaß gemacht?“ Christels Stimme klang ziemlich ungehalten.

Knoop setzte sich neben sie auf das Sofa und schaukelte AnnaLena auf den Knien. Sie hatte ihren Vater umarmt und begann an seiner Schulter zu schmusen.

„Das ist aber kein freundlicher Empfang, den ihr mir bereitet?“ Er küsste seine Frau auf die Stirne. „Ich bin in einer neuen MK.“

Christels Stöhnen war unverkennbar. „Auwei! Dann werden wir dich ja die nächsten Tage wieder nicht sehen.“

AnnaLenas Griff verstärkte sich, so als könnte sie damit das Gehörte ungeschehen machen.

Mikael hielt er für das Beste, darauf nicht weiter einzugehen. Statt dessen erzählte er ihr von dem nächtlichen Anruf und den Vorstellungen seines Chefs, nach dem Anruf sofort nach Schermbeck zu kommen. Christel erhob sich und quittierte einige seiner Schilderungen mit ihrem hellen Lachen.

„Na ja, dann ermittle mal schön.“ Mit diesen Worten nahm sie die gesamte Couch in Anspruch.

Zum Frühstück hatte Mikael zum letzten Mal gegessen. Mit den Worten: „Ich schmiere mir ein Brot!“, ging Mikael in die Küche. Er hatte gerade die Zutaten dafür auf das Arbeitsbrett gelegt, als AnnaLena angeschlichen kam. So verhielt sie sich immer, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. Knoop brauchte nur zu warten. Sie würde gleich mit ihrem Bedrängnis herausrücken.

„Du, Papi, wir haben eine Neue in unserer Modern-Dance-Mannschaft.“

„Schön, und wie gut tanzt sie?“ Knoop gab seiner Stimme einen beiläufigen Klang.

AnnaLena runzelte die Stirn. „Nicht schlecht, aber das ist es nicht.“

Knoop wartete.

„Papi, die ist so hässlich. Gerlinde hat gesagt, dass...“

„Ich bin auch nicht der Hübscheste und was deine Mitschüler über andere tratschen, das interessiert mich nicht. Außerdem, du sollst von anderen Menschen nicht mit 'die' sprechen. Sie hat bestimmt einen Namen. Oder?“

AnnaLena schluckte mehrmals. Der Verlauf des Gesprächs verlief in eine Richtung, die ihr nicht gefiel. „Rosalinde!“ Der Name des Mädchens wurde so ausgesprochen, als hießen alle Hässlichen dieser Welt so.

„Schöner Name. Ich hatte mal eine Freundin dieses Namens“, log Knoop. „Warum sagt du, mir nicht, warum du die Rosa so hässlich findest.“ Er strich seiner Tochter sanft über die Haare.

AnnaLenas Züge glätteten sich. „Die ist einfach hässlich. Du musst sie dir anschauen. Papi, die ist so hässlich, Petra will ein Bild von ihr ins Internet stellen.“

„Also, das solltet ihr auf keinen Fall tun.“ Knoops Stimme nahm einen harten Klang an. Dann atmete er tief durch. Emotionen waren im Moment wenig hilfreich. „Sag deiner Petra, sie soll keine Dummheiten machen. Damit macht sie sich strafbar. Und es gibt jede Menge Ärger. Aber kommen wir auf dein Problem zurück. Nun, es ist mir im Moment nicht möglich deine Rosa anzuschauen. Das siehst du doch ein. Du musst sie mir also beschreiben.“ Knoop biss ein Stück von seiner Brotscheibe ab und hoffte, er könne den Bissen in Ruhe zerkauen.

AnnaLena zögerte. Lippe und Zähne arbeiteten sichtbar miteinander. „Nun, die...“, sie schluckte, „Rosa hat einen Kopf wie ein Totenkopf.“ Ihre Augen leuchteten. „Bah, voll ätzend.“

„Sie hat also kaum Muskeln in Gesicht.“ Mikael hob abwehrend die Hände, als sich das Gesicht seiner Tochter erneut verfinsterte. „Ich frage nur, um dich besser zu verstehen.“

Das Kindergesicht nahm einem wohlwollenden Zug an. „Die hat am ganzen Körper gar keine Muskeln. Du musst mal sehen, wie die Kleidungsstücke an ihrem Körper baumeln. Einfach ätzend, sag ich dir ja.“

„Kann sie eine Erbkrankheit haben?“ Knoop versuchte einen behutsamen Widerspruch.

„Erbkrankheit?“ AnnaLenas Stimme klang so laut, als begrüße sie jemanden auf der anderen Straßenseite.

„Ich weiß es ja auch nicht, was Rosa fehlt. Aber was du mir gesagt hast, lässt dies vermuten. Es ist eine Übertragung von...“ Knoop zögerte, ob seine Tochter den Weg dieser Erklärung, begreifen könnte. „Pass auf, ich erkläre es dir so. Alles, was du hast, wie du aussiehst, dass hast du von Mama oder von mir. Die Augen hast du von Mutti, den Mund von mir. Wenn ich überlege, dann hast du von Oma Mutti die Nase und das Kinn ist von deinem Großvater, aber den kennst du ja nicht.“ Knoop hob abwehrend beide Hände, damit seine Zuhörerin nicht abschweifen konnte. „Das hast du von uns geerbt. Das sind die Erbanlagen. Nun werden aber nicht nur tolle Sachen wie deine blauen Augen oder deine lockigen Haare von den Eltern an die Kinder vererbt. Auch Krankheiten werden so übertragen, also vererbt. Du kannst dich doch an die Familie Bergmann erinnern, die haben doch auf dem Eckgrundstück gewohnt.“

AnnaLena nickte.

„Erinnerst du dich an deren Tochter? Ich glaube Kati hat die geheißen...“

„Kerstin“, verbesserte ihn das Mädchen.

„Richtig! Kerstin. Kerstin hatte nicht so Augen, wie du und ich. Sie waren mehr geschlitzt. Man bezeichnet dies als Mongolismus. Das ist...“

„Kerstin war aber in Ordnung. Ich durfte sogar mit ihrem Einrad fahren. Nur sprach sie ein wenig schleppend.“

„Siehst du, auch Menschen mit Erbkrankheiten können tolle Menschen sein.“ Knoop schob den Rest der Brotschnitte in den Mund und trank dazu einen Schluck Limonade.

„Aber die ... die Rosi, die ist so ... die sieht so furchtbar aus. Ich muss mich immer vor Eckel schütteln.“ AnnaLenas Gesicht verzog sich, so als müsste sie den Saft einer ganzen Zitrone schlucken.

„Du musst auf was Schönes von ihr schauen. Ich kenne sie nun nicht. Aber hat sie nichts, was dir gefällt?“

Seine Tochter grübelte. Für Mikael Zeit genug, sich über die Käseschnitte herzumachen. „Doch! Sie hat wunderschöne schwarze Haare. Glatt, lang und die glänzen immer.“

„Siehst du. Das ist doch schon ein Anfang. Beobachte sie, du wirst weitere Belege finden. Vielleicht hat sie eine tolle Stimme oder sie ist ehrlich, man kann sich auf sie verlassen. Sie tratscht nicht über dich. Und, und, und. Du wirst sehen, auch hässliche Menschen können liebenswert sein. Weißt du, was wirklich hässlich ist?“

AnnaLena schaute ihn mit fragenden Augen an.

„Nicht Rose ist hässlich, sondern das Verhalten von dir, Petra und wem sonst auch immer ist hässlich und gemein. Wie ihr mit Rosa umgeht, das ist hässlich.“ Er küsste seine Tochter auf die Stirn. Dann ging er ins Wohnzimmer und dort zum Fernseher, um ihn abzuschalten. In dieser Phase durfte er Christel nicht wecken.

Duell der Mörder

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