Читать книгу Duell der Mörder - Volker Buchloh - Страница 22
Schermbeck, 14. Mai
ОглавлениеDie Überwachungskamera auf Vanderstettens Haus schwenkte wieder in Richtung Zufahrt. Knoop hielt zwar seinen Ausweis in die Höhe, aber man kannte ihn bereits. Ohne Sprechkontakt aufzunehmen, ertönte der magnetische Türöffner. Das schmiedeeiserne Tor glitt, wie von Geisterhand gezogen, zur Seite. Der Uniformierte erwartete Mikael und Carlos an der Haustüre. Diese bestand aus drei Segmenten, deren dicke Gläser aber keinen Blick ins Innere zuließen. Sie erfuhren, dass Herr Vanderstetten nicht anwesend war. Selbsttätig machte der Diener von sich aus das Angebot, auch mit Frau Vanderstetten sprechen zu können. Natürlich wollte Knoop auch mit seiner Frau sprechen, wenn sie schon einmal da waren. Dies war eine geeignete Möglichkeit, sich einen Eindruck von den Familienverhältnissen zu machen. Außerdem faszinierte ihn die Erscheinung dieser Frau. Der Uniformierte bat sie ins Haus, führte sie aber in eine andere Räumlichkeit. Frau Vanderstetten besaß einen eigenen Empfangsraum. Die Auswahl von Bildern und Möbeln zeigte deutlich weiblichen Geschmack, aber es fehlte jeglicher Nippes, den Mikael von daheim kannte. Mit einer einfachen Geste seiner Hand bat der Hausdiener die Gäste, Platz zu nehmen. Alles lief wortlos ab. Nur drei Worte kamen über seine Lippen.
„Getränke wie gestern?“
Knoop nickte, weil er an den Zweck ihres Besuches dachte. Nach einigen Minuten erschien der Diener wieder. Auf dem Tablett standen die gleichen Getränke, wie man sie gestern geordert hatte.
„Schön, dass man Ihre Wünsche nun schneller erfüllen kann.“
Der Hausdiener beugte seinen Rücken, als er die Getränke vor jedem formvollendet abstellte. Lautlos zog er sich zurück. Knoop hatte die Tasse halb geleert, als er feststellte, wie identisch der Kaffee im Vergleich zum gestrigen schmeckte. Ob man hier über den Geschmack eines jeden Gastes Buch führte? Die Sitzgarnitur dieses Raumes war aus weißem Leder, welches so dünn verarbeitet war, dass man Angst haben musste, es bei der geringsten Belastung zu durchdringen. In einem so exquisiten Möbel hatte Knoop noch nie gesessen. Die im Gegensatz dazu härtere Bespannung ermöglichte das Sitzen, ohne dass einem der Magen eingequetscht wurde. Dennoch fühlte man sich wie auf Wolken. Auch Carlos schien die Einrichtung des Hauses zu gefallen. Er sagte nichts, weil er befürchtete, man könne sie abhören. Aber fortwährend, wohin er auch blickte oder verstohlen zeigte, nickte er achtungsgebietend. Dann aber konnte er es sich doch nicht verkneifen, den Teppich an einer Stelle hoch zu heben. Nach mehreren Fühlversuchen flüsterte er „Seide“ und wenig später „sehr dünn!“. Dann streckte er seinen Daumen nach oben und nickte anerkennend.
Eliza Vanderstetten schien über die Teppiche und das Parkett nahezu zu schweben. Auch Jezebel hatte den geräuschlosen Gang eines Raubtiers. Die Dame des Hauses war, was den Durchschnitt des weiblichen Geschlechts betraf, mindestens einen Kopf größer. Ihre schlanke Figur erweckte einen Hauch von Zerbrechlichkeit. Aber das traf mit Sicherheit nicht zu. Die wohlüberlegten Bewegungen ihres Körpers hatten ihre Ursache in gymnastischen Übungen, denen sie sich periodisch unterzog. Eliza Vanderstetten trug diesmal ein Kleid aus weißer Seide. Sie liebte wohl Kleider, die ihr bis zum Fuß reichten. Dieses hatte aber keine Bordüren. Statt dessen schlängelte sich eine Anakonda vom Nacken kommend den Arm hinunter. Im ersten Moment glaubte Knoop an ein lebendes Exemplar, so treffend waren die Farben des Tieres ausgewählt.
„Bleiben Sie doch bitte sitzen, meine Herren.“ Eine Handbewegung unterstrich diese Bitte. Ohne diese Bewegung zu unterbrechen, warf sie ihren blonden Zopf über die Schlange. „Wie Jerome Ihnen schon sagte, ist mein Mann außer Haus. Sie können gerne hier auf ihn warten. Ich habe gerade mit ihm telefoniert. Er wird in einer knappen halben Stunde hier sein.“
Der Dalmatiner kannte wohl den Platz, an dem er sich ohne Kommando niederließ. Nach einigen Minuten legte er den Kopf auf die Vorderläufe. Jedes Mal wenn Laurenzo oder Knoop zur Tasse oder zum Glas griffen, um zu trinken, hob er den Kopf.
Jerome erschien und setzte wortlos ein Glas Wasser vor seiner Chefin hin. Diese nickte dankend. Sie hob das Getränk hoch. „Zu Ihrem Genuss! Mein Mann hat mich schon darüber informiert, was Sie von ihm wollen. Was ist das für eine Frau, die sich da prostituiert? Eine Dunkelhäutige, wie ich gehört habe?“
Knoop nickte. „Einem Gewerbe ging sie nicht nach, aber für Geld hat sie es schon gemacht.“
„Wie darf ich das verstehen?
Knoop zog seine Unterlippe hoch. „Mein Kollege Laurenzo hat diese Befragung geleitet. Fragen wir ihn doch.
Laurenzo hatte sich darauf eingerichtet, als Beobachter an dem Gespräch teilzunehmen. So plötzlich ins Spiel zu kommen, raubte ihm förmlich die Sprache. Er hustete mehrfach. Eliza Vanderstetten bemerkte diese Unsicherheit. Mit einem liebenswürdigen Lächeln drehte sie sich zu dem Kriminalassistenten. Dadurch überbrückte sie die Unpässlichkeit ihres Besuchers.
„Sie haben diese Befragung geleitet?“
Laurenzo nickte. „Jaaa.“
„Interessant. Was für ein Mensch war denn diese Tote? Erzählen Sie doch einfach.“ Die warmen Worte und das aufmunternde Lächeln rissen alle Hemmnisse nieder.
Laurenzo räusperte sich. „So weit wie wir das ermitteln konnten, war die Tote mit einer Reihe Einheimischer intim...“
„Einheimischer? Mit meinem Mann auch? Vermuten Sie das?“ Völlig emotionslos klang ihre Stimme.
Knoop hob beschwichtigend die Hände. „Dazu gibt es keinen Anlass. Wir müssen nur den Kreis der Verdächtigen verkleinern.“
Ohne darauf einzugehen, wandte sich Frau Vanderstetten wieder Carlos zu und munterte ihn mit einem Lächeln auf fortzufahren.
Carlos schaute seinen Kollegen an. Als dieser keine Reaktion zeigte, fuhr er fort. „Sie machte es für Geld, aber sie pflegte es wohl nur in einem kleinen, ausgewählten Kreis zu machen. Wir haben aber noch keinen Hinweis, in diesem Kreis ihren Mörder zu finden.“
Knopp stellte mit Befriedigung fest, wie sein Kollege Carlos, ohne rot zu werden, lügen konnte.
Frau Vanderstetten zeigte weiterhin Interesse an der Arbeit der Polizei. Von den speziellen Fragen des Schermbecker Falls kam man bald zu allgemeinen Situationen menschlicher Abgründe. Ohne ins Detail zu gehen, berichtete Knoop von komischen und interessanten Details seiner Arbeit. In einer Phase, in der sich das Gespräch zischen ihr und Laurenzo abspielte, fragte Mikael nach der Toilette. Der Kopf des Hundes war gehoben, bis der Mann die Zimmertür schloss, dann sank er wieder auf die Vorderpfoten zurück.
Die Örtlichkeit war erwartungsgemäß komfortabel. Ausgewählte Keramik mit goldenen Armaturen, indirekte Beleuchtung und Kristallspiegel bestimmten das Bild. Mikael war versucht herumzustöbern. Obwohl er nicht wusste, wonach er suchen sollte, gab er diesem Impuls nach. Eliza Vanderstetten musste eine eigene Toilette haben. In diesem Raum gab es außer einigen Cremes und Eau de Toilettes nichts, was seine Neugier beflügelte.
In dem Gespräch mit Laurenzo hatte es einen Themenwechsel gegeben. Eliza Vanderstetten erzählte von Persönlichkeiten aus Schermbeck und Laurenzo hörte ihr begeistert zu. Auf einmal richtete sich der Dalmatiner auf. Er schüttelte sich kurz, richtete aber seine Aufmerksamkeit in Richtung Eingangsbereich.
„Ah, das wird mein Mann sein.“
Das Gespräch erstarb. Beide warteten auf das Erscheinen von Bernhard Vanderstetten.
Mikael hatte gerade seine Notdurft verrichtet. Auf dem Rückweg zu dem Empfangszimmer hatte er die Gelegenheit ergriffen, mehr von den anderen Räumlichkeiten zu sehen. Er hatte in verschiedene Zimmer des Erdgeschosses geschaut. Hier zeigte sich noch deutlicher als in den ihm bekannten Räumen, wie auserlesen die Einrichtung des Hauses war. Die Bewohner standen auf modernen Möbeln. Die Art ihrer Gestaltung und die Kombination zueinander machten deutlich, hier handelte es sich um Designerstücke. Er gab schnell die Absicht auf hochzurechnen, welchen Wert sie hatten. Er machte sich gerade auf den Weg zu dem Besucherzimmer, da ertönte ein diskreter Summton. Plötzlich erschien Jerome vor ihm. Er bemerkte Knoop nicht. Sein Interesse galt einem Monitor, der auf einmal auf einer Kommode im Eingangsbereich sichtbar wurde. Während Jerome auf die Bilder der Überwachungskamera starrte, öffnete seine Rechte instinktiv eine Schublade. Was Knoop sah, war eine SIG-Sauer. Sie verschwand wieder, als Jerome auf dem Bildschirm seinen Chef erkannte. Er drückte einige Knöpfe, um das Schiebetor und das Garagentor zu betätigen. Dann ging er auf die Eingangstüre zu. Sieh mal an, dachte Mikael, Jerome ist nicht nur Diener, er ist auch Leibwächter. Geräuschlos verschwand Knoop im Empfangsraum von Eliza Vanderstetten.
Der Ankömmling hatte wenig Zeit. Er hatte ein paar Unterlagen in der Hand, die er nicht ablegte. Es war ein höfliches Zeichen, dass er zu arbeiten gedachte. Dies passte Knoop, denn sie hatten schon viel Zeit, zu viel Zeit hier verbracht. Hatte Mikael mit Ablehnung ihres Anliegens gerechnet, so sah er sich getäuscht. Ruckzuck war die Speichelprobe erledigt.
„Man muss ja die Arbeit der Polizei unterstützen. Damit Sie nicht wieder hierher kommen müssen, wenn sich die Faktenlage ändert. Sagen sie mir doch einfach den Zeitpunkt der Tat. Dann kann ich Ihnen sofort sagen, wer mich gesehen hat.“ Vanderstetten lächelte freundlich.
Mikael nannte ihm das Zeitfenster.
Vanderstetten lächelte immer noch. „Sehen Sie, da kann ich ihnen eine Menge Arbeit ersparen. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Frau und ich auf einem Empfang, den der Direktor der Volksbank Schermbeck gegeben hat. Fünfzigjähriger Geburts-tag. Es muss auch Fotos von diesem Empfang geben. Ich bin bestimmt auf einigen drauf.“