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Duisburg Wedau, 12. Mai

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Die Rechtsmedizin war im Klinikum 'Am Kalkweg' untergebracht. Nun gingen Höfftner, Knoop und Laurenzo durch lange, kalte Flure zum Seziersaal. Höfftner ging voraus. Mit ihren kurzen Beinen und dem breiten Becken fühlte sich Knoop an eine Gans erinnert. Sie scheint Pullunder zu mögen, dachte Mikael. Höfftner hatte zwar ihre Garderobe gewechselt. Aber das diesmal ausgewählte giftgrüne Strickwerk war wieder viel zu eng und betonte - wie gewohnt - die Speckrollen ihres Körpers. Im Raum arbeiteten drei Personen. Jeder der Ärzte beschäftigte sich mit Körpern auf Edelstahltischen. Hier lag der Rest, was einmal ein ganzer Mensch gewesen war. Zwei der mit riesigen Plastikschürzen und Mundschutz bekleideten Ärzte schauten kurz auf, wer da den Saal betrat. Dann beugten sie sich wieder zu ihrer Arbeit nieder. Als sich der Dritte ihnen zuwandte, erkannte Knoop in ihm Norbert Liesner. Mit dem hatte er schon mehrmals zusammengearbeitet.

Liesner war vermummt, wie ein Chirurg bei der OP. Unter der grünen Topfmütze drängten sich blonde Locken hervor. Er zog seinen Mundschutz nach unten. An einem Druckknopf des Mikrofons schaltete er die Aufzeichnung aus. Mit seinem Körper verdeckte er einen Teil der Leiche.

„Um es vorweg zu sagen, der Körper sieht nicht gut aus.“ Er winkte seine Besucher heran.

Auf dem Seziertisch lag der Körper einer dunkelhäutigen Frau. Man hatte ihre Haare geschoren. Der Brustkorb war geöffnet, alle inneren Organe waren ihm entnommen worden. Sie lagen wohl in den Plastikgefäßen auf einem Beistelltisch. Der Kopf war zu einem Drittel nicht mehr vorhanden, wie auch der linke Arm fehlte.

„Also, wie ich schon sagte, die...“

Neben sich hörte Mikael, wie Carlos so tief einatmete, als hätte er vor, fünfzig Meter weit zu tauchen. Dann drehte sein Nebenmann ab und stürzte zu einem Keramikbecken an der Wand. Er würgte und das Würgen wollte nicht aufhören. Höfftner schienen die Gerüche und das Aussehen toter Körper nichts auszumachen. Sie zeigte jedenfalls keinerlei Regung. Knoop selbst hatte vor Betreten des Sektionsbereiches Spray in seine Nasenöffnungen gepumpt. Nur Carlos war vielleicht aus Unwissenheit untätig geblieben. Mit hochrotem Kopf würgte er, benetzte sein Gesicht mit Wasser und würgte wieder. Mikael zog ihn an den Schultern hoch und pumpte etwas Spray vor dessen Nase. Carlos jappste wie ein Bergsteiger ohne Sauerstoffflasche auf dem Himalaja, dann richtete er sich auf. Mikael reichte ihm den Spray.

„Drücke vorne in der Nase, jeweils nur einmal pro Loch. Atme dann mehrmals tief durch. Du wirst sehen, du wirst nichts mehr riechen.“ Und mit einem Lächeln fügte er hinzu: „In den nächsten Stunden werden Steak, Pommes und Kuchen alle den gleichen Geschmack haben.“ Dann zog er Laurenzo an den Seziertisch zurück.

Höfftner verdrehte die Augen. Für sie war Unwohlsein eine Schwäche des männlichen Geschlechts. Liesner quittierte Laurenzos Übelkeit mit einem gleichgültigen Blick. Dieser war nicht der erste, der bei solchen Anblicken schlapp machte.

„Fangen wir noch einmal an. Die Todesursache ist eindeutig die durchtrennte Kehle. Wer das gemacht hat, der hatte Routine darin. Der Schnittverlauf ist glatt und hat genau die richtige Tiefe. Die Frau war sofort stumm und wenig später ausgeblutet. Man könnte auch von menschlichem Schächten sprechen.“

Liesner schmunzelte über den eigenen Witz. Laurenzo war immer noch mit der Geruchsbeeinträchtigung geplagt. Knoop zog seine Brauen nach oben. Nur Höfftner teilte diesen Scherz. Der Pathologe räusperte sich, rückte die Sehhilfe zurecht und setzte seinen Vortrag fort.

„Die Tat ist am Freitag so zwischen 17 und 20 Uhr geschehen. Genaueres kann ich erst nach weiteren Analysen der Organe sagen. Sie ist nie zwischengelagert worden. Der Fundort ist also der Tatort, wenn man den Unterschied von ein paar Metern mal vernachlässigt. Das zeigen die Gewebeproben deutlich. Während des Ausblutens lag sie auf dem Bauch. Man hat gewartet bis kein Blut mehr floss. Man hat dann eine Silofolie geholt, in die man sie eingewickelt hat. In der Folie sind nur die üblichen Ausscheidungen, Sekret und Kot. Die Menge des Blutes in der Folie war zu gering, um darin verblutet zu sein.“

Er nahm seine randlose Brille von der Nase und rieb über den Nasenrücken. Knoop schaute, wie seine Kollegin Höfftner, Dr. Liesner während des Vortrags an. Carlos Gesicht zeigte eine Spur von Farbe. Es war genau zu sehen, wie er sich zusammenriss.

“Die Frau muss zwischen 30 und 40 Jahre alt sein. Eher 40 als 30. Ja, was noch? Ach ja. Sie hatte Geschlechtsverkehr, allerdings Stunden vor der Tat. Die Flüssigkeit aus der Scheide ist zur DNA-Bestimmung schon weg. Sie hatte mindestens eine Geburt. Auch der Abstrich unter den Fingernägeln wird noch analysiert. Aber ich glaube nicht, dass wir dort Täter-DNA finden werden. Die Frau muss von hinten überrascht worden sein. Ausgerissene Haupthaare, die wir gefunden haben, lassen vermuten, der Kopf des Opfers wurde nach hinten gerissen. Etwas so.“ Liesner knickte seinen Kopf nach hinten, dann fuhr er mit dem rechten Zeigefinger über seine Kehle. „Rechtshänder. Es gibt... Ach, bevor ich es vergesse. Die Tatwaffe ist etwas Besonderes. Es ist ein Klappmesser mit Federmecha-nismus. Der obere Teil der Klinge hat eine beidseitig ge-schliffene Klinge. Der untere Schneidenteil ist einseitig als Säge gestaltet. So entstehen beim Herausziehen aus Wunden schlimme Verletzungen, weil weitere Adern oder Muskelteile noch zusätzlich durchtrennt werden. Ich habe mich da in meiner Literatur umgesehen. Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine sogenannte 'Molukkische Klinge'.“

Liesner nahm mit jedem seiner Besucher Blickkontakt auf. Jeder schaute fragend drein. Mit einem Lächeln auf den Lippen setzte er seinen Vortrag fort. „Die Molukken sind eine Provinz von Indonesien. Man bezeichnet sie auch als Gewürzinsel. Die dortigen Piraten bevorzugen eine solche Waffe. Sie...“

„Entschuldigen Sie, dass ich unterbreche.“ Ingrid Höfftner gewann an Körpergröße. „Heißt das, der Täter ist ein Gelber?“

„Oder ein Weltreisender, der sich dort damit eingedeckt hat. Die Waffe gibt es nämlich nur dort.“ Liesner zog seine Schultern hoch. „Ich habe dort im Buch die Seite aufgeschlagen, damit Sie sich ein Bild davon machen können.“ Er zeigte auf einen Abstelltisch am Fenster.

„Wir müssen das überprüfen. Kollege Laurenzo, können Sie das machen?“ Höfftner hätte auch Knoop einen solchen Auftrag erteilen können, aber irgendwie erfüllte es sie mit Befriedigung, den weidwunden Polizeianwärter weiter quälen zu können.

Carlos verspürte keine Kraft in sich, um sich der Anweisung Höfftners zu widersetzen. So nickte er nur kraftlos.

„OK! Dann machen Sie weiter Doc.“

Liesner hüstelte. „Ja, wo war ich stehen geblieben? Ach, ja, Epithel. Es gibt Hautplättchen auf der Kleidung und Schmutz! Es ist fraglich, ob wir wegen der Verschmutzung daraus DNA bestimmen können. Ich gebe mein Möglichstes. Und wenn, ob die vom Täter stammen, kann ich jetzt noch nicht sagen. Auf jeden Fall gibt es jede Menge Tier-DNA.“

Während der Ausführungen hatte Knoop es aufgegeben, den zerstückelten Körper der Nackten zu betrachten. Er schaute auf den Wandkalender, dessen Monatsseite eine Wildschweinrotte zeigte. Laurenzo suchte Unergründliches an der Zimmerdecke. Nur Höfftner schaute seelenruhig den Vortragenden an.

Der Rechtsmediziner kratzte sein Nackenhaar unterhalb der Kopfabdeckung. „Kommen wir zum Zustand der Auffindung der Toten. Ich hatte Ihnen schon gesagt, sie war in eine Silofolie gewickelt. Die helle Seite nach innen, die schwarze nach außen. Die Tote wurde auf der rechten Seite liegend abgelegt. Sie wurde nur notdürftig mit Erde und Laub bedeckt. Das war zu gering, denn Raubtiere haben die Folie durchtrennt, um an dem Fleisch zu beißen. Die Haare an den Bissstellen werden ebenfalls noch analysiert. Ich schätze, es waren Füchse und ein Hund. Höchstwahrscheinlich der Hund des Finders der Leiche. Auf Befehl seines Herrchens hatte dieser den abgerissenen linken Arm der Toten in der Nähe des Weges fallengelassen.“

Liesner hob zur Demonstration den abgetrennten Arm hoch. Als Laurenzo wieder zu würgen begann, legte er das amputierte Teil wieder an Ort und Stelle zurück und stellte sich zwischen den Kriminalen und den Seziertisch.

„Haben Sie sonst noch Fragen?“

Laurenzo fasste das als Aufforderung auf, dass die ganze Sache nun beendet sei. Höfftner schüttelte nachdenklich den Kopf. Knoop kratzte an seiner Schläfe.

„Können Sie ein Foto von dem Gesicht machen? Man wird es wegen der angenagten linken Hälfte so nicht bei der Fahndung verwenden können. Kann man diese Seite rekonstruieren? Es gibt doch Software dafür?“

Liesner nickte. „Ich maile Ihnen die Aufnahme zu. Das war´s? Wenn ich was habe, ich melde mich.“ Er drehte sich um, als keiner mehr etwas fragte. Dann verschwanden seine Hände in dem geöffneten Brustkorb.

Laurenzo stöhnte und stürzte zur Tür.

Laurenzo wartete an der Wagentür ihres Dienstfahrzeugs, als die beiden anderen schweigend aus dem Gebäude traten. Beim Aufschließen des Fahrzeugs konnte Höfftner sich nicht mehr zurücknehmen.

„Weltreisender! Pah, dass ich nicht lache.“ Höfftner hielt sich an der Fahrertüre fest. „Unser Doktor hat noch nichts vom Internet gehört. Ich möchte wetten, jeder Jäger kann solch ein Gerät im Waffenschrank haben.

In Laurenzos Gesicht kehrte die Farbe zurück.

„Man sollte das googeln.“ Knoop dachte bei dem Vorschlag aber nicht an sich.

„Gute Idee meine Herren!“ Höfftner verschwand im Wageninnern.

„Da wäre noch etwas.“ Knoop drehte sich zu Laurenzo um, schaute aber seine Kollegin an. „Die Spurensicherung hat doch bei der Plane Sägespuren festgestellt. Rita Minkat soll sich doch mit Liesner in Verbindung setzen, ob dies von unserer Molukkischen Klinge herrührt?

„Wenn du meinst.“ Höfftner startete den Wagen.

Duell der Mörder

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