Читать книгу Duell der Mörder - Volker Buchloh - Страница 9

Schermbeck, 2. Mai

Оглавление

Angst weitete die Augen auf maximale Größe. Das Gehirn hatte keine Befehlsgewalt mehr über den Körper. Alles, was ablief, unterstand dem Kommando autonomer Reflexe und diese wurden durch die Sinneseindrücke bestimmt, die ihr Gehirn wahrnahm. Und diese befahlen die absolute Starre aller Muskeln. Die Hände hatten sich am Saum der Bettdecke festgekrallt. Die Kraft war so gewaltig, dass der obere Teil der Finger nicht mehr durchblutet wurde. Die dunkle Farbe der Haut erschien dadurch heller. Die Frau wollte die Bettdecke über den Kopf ziehen, um das Grauen nicht mehr ansehen zu müssen. Aber genau so gewaltig wie dieser Drang war auch die Angst, sie würde nicht mehr mitbekommen, was Matatanga mit ihr vorhatte.

Draußen wurde es dunkel und es war nicht das erste Mal gewesen, dass der große Geist sie um diese Zeit besuchte. Es war abgelaufen, wie es immer ablief. Der Wind wehte Steine gegen die Scheiben ihres einzigen Zimmerfensters. Dann ertönten Stimmen, deren Sinn sie nicht verstand. Nomfunda wusste aber, der Große Geist sprach nie Worte, die Menschen verstehen konnten. Das wusste sie von ihrer Mutter und die hatte es von ihrer Mutter gelernt. Und wenn die Ahnen das sagten, dann war dies die Wahrheit. Und Wahrheiten bezweifelte man nie. Langsam bewegte sich der Kopf Matatangas von unten nach oben. Er schwankte, so als klettere er die Außenfassade des Gebäudes hoch. Geister brauchten keine Leitern und Matatanga erst recht nicht. Und die Höhe eines zweiten Stockwerks war für den Geist eine Kleinigkeit. Die krausen Kopfhaare bewegten sich im Winde, der draußen herrschte. Die in Falten gelegte Stirne kündigte das Unheil an, denn nun erschienen wieder die glühenden Augen oberhalb der Fensterbank. Blutrot gefärbt suchten sie nach ihr. Und Matatanga fand immer, was er suchte. Die abgeknickte Nase, verunstaltet mit vielen Runzeln und Warzen, drehte sich zu ihr hin. Der Odem des Todes drang aus den Nasenlöchern. Pendelnd erschien nun der Mund in ihrem Sichtfeld. Weit aufgerissen zeigten sich riesige Zähne, die mehr an das Gebiss eines Hais erinnerten, als an die eines Menschen. Aber wer hatte behauptet, Matatanga sei ein Mensch?

Als ihre Mutter ihr als Kleinkind von Matatanga erzählte, hatte sie ein anderes Bild vom Großen Geist gehabt. Aber dies waren Gedankenbilder längst vergangener Tage. Dass er selbst tatsächlich so furchtbar aussah, hatte sie sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Aber es war einleuchtend. Matatanga, so hatte man ihr immer eingebläut, erschien nie ohne Grund. Und sie aufzusuchen, das war eigentlich überfällig. Sie hatte schwere Schuld auf sich geladen. Es gab keine Ausreden bei den Begleitumständen, unter denen dies geschehen war. Matatanga hatte sie für schuldig befunden. Der Große Geist wusste alles, auch das, was sie entgegnen wollte. Sie musste seinen Schiedsspruch widerspruchslos akzeptieren. Alles andere würde nur viel schlimmer sein.

Matatanga schien draußen vor dem Fenster zu bleiben. Überlegte er, ob er in diese armselige Kammer eindringen sollte? Nun erkannte sie seine Absicht. Er wollte ihr wohl noch einmal all die Verbrechen vor Augen führen, denen sie sich schuldig gemacht hatte. Vor ihren Augen erschienen Bilder, die nicht weniger schrecklich waren, als das Aussehen Matatangas da draußen. Aber der Große Geist wollte ihr wohl nicht die Zeit geben, in Echtzeit noch einmal alles zu erblicken, was sich ereignet hatte. Der Film vor ihren Augen lief im Zeitraffer ab. Sie sah die Mengen toter Körper, diejenigen welche andere umgebracht hatten, wie auch solche, die sie selbst erschlagen, erschossen oder massakriert hatte. Sie wusste, ihr Tod stand ihr unmittelbar bevor.

Duell der Mörder

Подняться наверх