Читать книгу Rio Grande Charly Sammelband 5 Western Romane - W. K. Giesa - Страница 10

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Clinton war ein kleines Nest, das aus ein paar Häusern, einer Kreuzung und einem Saloon bestand. Okay, einen Sheriff gab es auch, der sein Office nahe an der Kreuzung hatte, schräg gegenüber dem Saloon, aber damit hatte es sich schon. Falls es hier einen Reverend gab, musste er seine Sonntagspredigten im Saloon abhalten; eine Kirche oder auch nur eine kleine Kapelle hatte Charly Wash nicht entdeckt.

Clinton lag etwa auf halber Strecke zwischen Oklahoma und der Grenze zum Panhandle von Texas. Vermutlich verdankte der Ort seine Existenz der Tatsache, dass er am Washita River lag und ein paar Dutzend Meilen weiter ostwärts der „Chisholm-Trail“ vorbeiführte, auf dem die Rinderzüchter aus Texas ihre Herden quer durch Oklahoma zu Bahnstationen in Kansas zu treiben pflegten. Es war anzunehmen, dass eine aufstrebende Stadt wie Oklahoma City wilde Cowboys ungern sah; also wichen sie nach Clinton aus, wenn sie Station machten, um sich dort auszutoben.

So zumindest nahm Charly es an.

Immerhin war in dem kleinen Saloon eine Menge los. Dafür konnten nicht allein die wenigen Einwohner Clintons und der umliegenden spärlich gesäten Farmen verantwortlich sein. Der Bartender hatte alle Hände voll zu tun, alle Tische waren besetzt. In einer Ecke stand ein Klavier, das von einem hageren, grauhaarigen Männlein malträtiert wurde. Charly hatte schon bessere Spieler gehört. Aber welcher Künstler von Rang verirrte sich schon nach Clinton?

Dafür waren die Girls Spitzenklasse.

Sie waren zu viert, mit den Haarfarben gut sortiert von blond über braun und schwarz bis fuchsrot. Was sie trugen, war kaum der Rede wert. Man konnte die neckischen Sächelchen getrost als Unterwäsche bezeichnen; knappe Mieder, Rüschenhöschen, Strumpfhalter und schwarze Netzstrümpfe. Charly befeuchtete seine trocken werdenden Lippen. Ein Bild wie dieses hätte er irgendwo an der Ostküste oder in verruchten Goldgräberstädten erwartet, aber nicht hier, wo sich Fuchs und Hase eine gute Nacht wünschten.

Immerhin; das prächtige Gesamtbild lud zum Verweilen ein. Und er hatte ein wenig Ablenkung verdammt nötig. Gerade sechzehn Jahre war das Bürschlein gewesen, das ihm in die Kugel gelaufen war. Charly hatte den Boy festnehmen und nach Fort Smith bringen wollen. Aber der Junge war starrköpfig und wollte einfach nicht aufgeben. Er hatte dermaßen ungestüm angegriffen und Charly mit einem Feuerzauber eingedeckt, dass der junge Deputy nicht anders konnte, als den jungen Banditen mit einer Kugel zu stoppen. Er hatte die Schulter des Jungen treffen wollen, aber der hatte ausgerechnet in dem Moment einen unvorhersehbaren Sprung zur Seite gemacht.

Er war sofort tot gewesen.

Charly machte sich Vorwürfe. Ein bitterer Geschmack füllte seinen Mund. Vor Gericht wäre der Junge vielleicht ziemlich gut weggekommen. Aber wie hätte Charly es anders machen sollen? Er war gezwungen gewesen, sich zu verteidigen.

Mit schleppenden Schritten ging er bis zur Theke und schob den Stetson mit zwei Fingern etwas höher. Der Keeper sah ihn nur fragend an, während er am Zapfhahn stand und Gläser füllte, die von den Mädchen an den Tischen verteilt wurden.

„Einen Whisky zum Einstand“, sagte Charly und legte ein paar kleine Münzen auf den Tresen.

„Wenn du mehr trinken willst, setz dich an einen der Tische, Stranger“, sagte der Keeper nicht gerade unfreundlich. „Wir haben jede Menge zu tun, und ich möchte nicht immer zwischendurch Leute bedienen, die hier herumstehen und mich nervös machen, indem sie mir auf die Finger sehen.“

Charly zog die Brauen hoch. „Das sagt mir ein Keeper zum ersten Mal.“

„Ich werd‘ nun mal nervös dabei, Freund. Tu mir den Gefallen, ja?“ Er füllte ein Glas mit Whisky und schob es Charly zu. „Die Girls sind fix genug, da brauchst du nicht lange auf deine Drinks zu warten. Aber ich krieg‘s hier so besser in den Griff, verstehst du? Die Leute von Clinton kennen‘s, und Fremde gewöhnen sich daran.“

Charly drehte sich halb um und musterte die buntgemischte Gesellschaft, die zechte, spielte oder sich unterhielt und krampfhaft bemüht war, die musikalischen Übungsversuche des Klavierquälers zu überhören. „Sind das alles Einwohner von Clinton?“, fragte er.

„No, Mister. Ich weiß nicht, woher sie kommen. Vielleicht von einem Viehtreck. Ist mir auch egal, solange sie bezahlen und sich anständig benehmen.“

Charly nickte, nahm sein Glas und suchte sich einen Tisch, an dem noch Platz war. Die drei Männer, die sich dort unterhielten, nickten ihm grüßend zu, rückten aber etwas zur Seite und unterhielten sich nur noch leise. Verständlich, dachte Charly. Er warf wieder einen Blick in die Runde. Wie Cowboys sahen die Männer hier nicht aus. Dafür trugen zumindest die, bei denen Charly es sehen konnte, die Colts etwas zu tief. Weidereiter trugen das Holster am Hosengürtel. Da störte der Colt nicht beim Reiten und bei der Arbeit. Nur wer davon ausging, dass er seinen Revolver nicht dazu brauchte, mit dem Kolben Nägel in den Zaun zu schlagen oder mit Schüssen Rinder zu erschrecken und in die gewünschte Richtung zu jagen, trug seine Waffe etwas tiefer am Oberschenkel, damit er schneller ziehen konnte.

Auch Charly trug seinen Colt tief.

Das hatte ihm schon oft genug das Leben gerettet. Der Nachteil war, dass jeder ihn sofort als Revolvermann einschätzen musste.

Sein Whiskyglas war leer. Er wollte gerade die Hand heben und einem der Girls zuwinken, als die Schwarzhaarige von selbst neben ihm erschien. Sie strahlte ihn an. „Auch neu hier? Was willst du trinken?“

Charly deutete die gewünschte Größe an. „So einen Eimer Bier, wenn‘s recht ist. Ich bin Charly.“

„Ich bin Patsy“, sagte die Schwarze. „Bleibst du länger in Clinton, Charly?“

„Das kommt darauf an“, sagte Charly etwas zweideutig. Es kam darauf an, ob die Männer mit den tief geschnallten Colts auf Verdruss aus waren, und darauf, ob Charly weibliche Gesellschaft fand. Seit er die leichtgeschürzten Mädchen gesehen hatte, war ihm klar, was ihn auf andere Gedanken bringen konnte, weg von dem Jungen, den er hatte erschießen müssen.

„Würde mich freuen“, sagte Patsy leise. „Dein Bier kommt gleich, Charly.“

Der Klavierspieler wollte immer noch nicht aufhören. Charly fragte sich, warum ihn noch keiner aus dem Fenster geworfen hatte und das Instrument gleich hinterher. Aber vielleicht waren die Leute hier einfach nichts Besseres gewöhnt.

Patsy kam mit dem Bier. Sie zeigte deutlich, dass er ihr gefiel, und er hatte ähnliche Empfindungen. Sicher war er aber erst, als sie ihm zu verstehen gab, wann sie Feierabend hatte und dass sie hier im Saloon ein kleines Zimmer bewohnte. „Am Ende des Korridors“, raunte sie ihm leise zu.

Charly lächelte.

Vielleicht fand der Fall auf diese Weise doch noch einen erfreulichen Abschluss. Er blies den Schaum vom Bier und trank in kleinen Schlucken.

Rio Grande Charly Sammelband 5 Western Romane

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