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Am 22. Mai des Jahres 1901 macht die Probierdame Elli Ritter, eine stattliche Vertreterin der 46er Größe, mit ihrer Freundin Bischof einen Ausflug nach Werder bei Berlin.

Es versteht sich von selbst, daß dieser Blütensonntag verregnet. Ein heftiger Ostwind zerrt an den langen Röcken der Frauen, verbiegt die federgeschmückten Strohhüte, bläst die Regenschirme zu Tüten um.

In dem Fruchtweinlokal von Möstmann sind nur noch wenige Stühle frei. Unsere Damen setzen sich zu zwei blauhaarigen Südländern. Der eine schenkt Erdbeerwein ein, lacht Elli an und zeigt dabei ein blendend weißes, starkes Tiergebiß. Sprechen kann man nicht miteinander, aber der Lärm der Blechkapellen und der humorbeflissenen Berliner ist ohnehin so groß, daß man sich am besten im Tanz verständigt.

Um elf Uhr ist die Bischof mit ihrem Kavalier verschwunden. Kurz nach zwölf steht Fräulein Ritter in einem fremden Hotelzimmer vor dem Spiegel. Der Hut ist verrutscht, das Kostüm verregnet. Das Gesicht gedunsen und erstaunt.

Der Südländer betritt das Zimmer in einem lila seidenen Pyjama. Elli hat noch nie einen so bunt verkleideten Mann gesehen. Lachend und erschüttert zugleich wirft sie sich ihm an den Hals.

Am andern Morgen findet sie sich allein. Sie greift erschreckt nach ihrer Handtasche. Es sind fünfzig Mark mehr drin als am Abend vorher. Etwas verlegen fährt sie zur Arbeit. In der überfüllten Elektrischen schläft sie ein. Sie träumt von einem Maulwurf mit Menschengesicht. Spitzschnäuzig, samtfellig. Als sie am Hausvogteiplatz aussteigt, merkt sie, daß sie das Gesicht des Fremden vergessen hat.

Schicksale gebündelt

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