Читать книгу Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit - Werner Diefenthal - Страница 12

Оглавление

Münster, Dezember 1532

»Verdammt! Und das vor unseren Augen!«

Von Waldow tobte. So hatte Markus seinen Vorgesetzten lange nicht mehr gesehen. Aber er verstand, warum der Hauptmann so reagierte.

Nicht genug, dass man nicht verhindern konnte, dass in Münster in allen Stadtkirchen jetzt evangelische Prediger zu den Menschen sprachen. Auch das vom mittlerweile ernannten Bischof von Waldeck verhängte Handelsverbot mit der Stadt und die Beschlagnahmung von Vieh der umliegenden Bauernhöfe zeigte keinerlei Wirkung. Es war von Waldow schwergefallen, den Bauern ihre Rinder, Schweine und Schafe zu nehmen. Im Traum sah er immer wieder die weinenden Frauen und Kinder; die Männer, deren Existenz er damit möglicherweise vernichtet hatte. Dennoch tat er seine Pflicht, wurde allerdings immer missmutiger und gereizter.

Und gerade hatte Markus ihm gestehen müssen, dass sich eine wahre Katastrophe ereignet hatte.

»Wer war dafür verantwortlich?«, fauchte von Waldow mit geballten Fäusten. »Wer hatte dafür Sorge zu tragen, dass eben dies nicht geschieht?«

»Linhard Karlin, Hauptmann. Er war mit zehn Männern zum Schutz eingeteilt.«

»Schaff mir diese Missgeburt sofort her!«, blaffte von Waldow. »Wer ist auf die glorreiche Idee gekommen, ihn einzuteilen?«

Markus verzog keine Miene.

»Ihr, Hauptmann.«

Von Waldow stutzte einen Moment, dann fiel es ihm wieder ein.

»Stimmt. Er hatte darum gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen.« Er ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Es schien ja nicht so, als ob es wirklich schwierig werden würde und er sollte zeigen, dass er Männer führen kann. Was ist mit den anderen?«

»Sitzen da und brüten vor sich hin. Sie verstehen nicht, wie das geschehen konnte.«

»ICH AUCH NICHT!«, erklang plötzlich eine Stimme vom Eingang. »Hauptmann, wie erklärt Ihr mir das?«

Bischof Franz von Waldeck trat ein, sein Gesicht zornesrot. Von Waldow sprang auf und sah dem Geistlichen ins Gesicht.

»Ich kann es nicht erklären, noch nicht.«

»Sagt mir, wie kann es sein, dass Eure Männer eine einfache Aufgabe nicht erfüllen können? Ihr solltet die bischöflichen Berater in Telgte schützen! Wisst Ihr, wie wichtig diese Beratung war? Es sollten weitere Maßnahmen gegen Münster beschlossen werden, und jetzt haben diese dickköpfigen Münsteraner sie in ihrer Gewalt. Damit sind mir die Hände gebunden.«

»Eure Eminenz, mir ist klar, was das bedeutet. Aber gebt mir die Möglichkeit, mit den Männern zu sprechen, damit ich weiß, was geschehen ist. Entschuldigt mich bitte.«

Er gab Markus einen Wink, mit ihm zu kommen, und suchte nach Karlin. Er fand ihn in einem Zelt, wie er vor sich hinstarrte. Wider Erwarten war er nüchtern. Der nur mittelgroße Mann war, wie alle wussten, oft betrunken. In diesem Zustand war er jedoch ein Kämpfer, der vor nichts und niemandem Angst hatte. Vor einem Kampf wurde er regelrecht abgefüllt. Nüchtern jedoch war er unscheinbar und glänzte nicht gerade durch Verlässlichkeit. Als von Waldow und Markus eintraten, sprang er auf.

»Hauptmann, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Von Waldow betrachtete ihn von oben bis unten. Als er mit seinem Trupp losgezogen war, hatte er eine blitzsaubere Uniform getragen. Jetzt allerdings sah sie aus, als habe er damit schon in Wien die Osmanen bekämpft, verdreckt, zerrissen und schlecht sitzend. Das war der Anblick, den von Waldow von ihm gewöhnt war.

»Was ist geschehen? Du bist zu mir gekommen, hast mich angefleht, dir endlich ein Kommando zu geben. Und jetzt hast du mich enttäuscht.«

Karlin zuckte zusammen, als wenn ein Peitschenschlag ihn getroffen hätte.

»Die Berater haben uns nicht mit in das Gebäude gelassen. Wir mussten draußen warten. Und es war kalt. Also habe ich nur zwei Männer abgestellt, die den Eingang bewachen sollten. Dass die Münsteraner bereits im Haus waren, wussten wir nicht.«

»Und du bist nicht auf die Idee gekommen, vorher nachzusehen, ob alles in Ordnung ist?«

»Doch, wir haben von oben bis unten alles durchkämmt. Aber wie sollten wir erkennen, ob die Bediensteten dort Münsteraner sind oder nicht? Als am Abend keinerlei Lichter aufflammten, wurde ich misstrauisch und wir sind hineingegangen. Es war niemand mehr da. Keine Spur! Im Keller fanden wir einen Verschlag, der uns am Morgen entgangen war, darin waren die echten Bediensteten, gefesselt und geknebelt. Sie erzählten uns, dass man sie vor Sonnenaufgang, als sie alles vorbereiteten, überfallen und eingesperrt hatte.«

»Habt ihr die Verfolgung aufgenommen? Und wie sind sie aus dem Haus überhaupt herausgekommen?«

»Ich habe die beiden Männer befragt, die vor dem Hauptportal Wache gehalten haben. Dort ist niemand herausgekommen. Dass es einen zweiten Ausgang gab, der durch den Keller führt, habe ich übersehen.«

»Noch einmal: Wo warst du und wo waren die anderen Soldaten? Ich verlange eine Erklärung, warum nur zwei Männer Wache gestanden haben! Warum wurde das Haus nicht komplett bewacht?«

Karlin senkte den Kopf.

»Ich fürchte, das ist meine Schuld. Ich war … nun …«

»SAG NICHT, IHR WART BEI HUREN!«

»Doch, Hauptmann.«

»DAS DARF NICHT WAHR SEIN!« Von Waldow brüllte jetzt in einer Lautstärke, die Markus noch nie gehört hatte. »IHR HABT GEVÖGELT UND IN DER ZEIT VERSCHWINDEN DIE MÄNNER, DIE IHR SCHÜTZEN SOLLTET?«

Der Soldat sank immer mehr in sich zusammen und sehnte sich nach etwas zu trinken.

Markus tat er schon wieder fast leid, aber Karlin hatte sich eines massiven Pflichtvergehens schuldig gemacht und würde dafür bestraft werden, gemeinsam mit den Männern, für die er verantwortlich gewesen war. Zum Glück befanden sie sich nicht in einem Krieg. In dem Fall wäre er als Verantwortlicher möglicherweise sogar hingerichtet worden. Markus fasste den Hauptmann am Arm.

»Wir müssen zum Bischof.«

Langsam beruhigte sich von Waldow.

»Ja, du hast Recht.« Er wandte sich ab, marschierte aus dem Zelt, gefolgt von Markus. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, drehte er sich noch einmal um und ging zu Karlin zurück. »Ich hoffe, dir ist klar, dass ich dich dafür einsperren muss. Du bleibst hier, bis Astheimer und Bachmüller dich holen. Auch deine Männer werden bestraft. Wie, das erfährst du noch.«

Bischof von Waldeck hörte zu, was der Hauptmann berichtete, und stöhnte auf.

»Ich wusste, dass sie raffiniert sind, aber damit konnte wohl niemand rechnen.«

»Eminenz, ich werde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.«

»Das werdet Ihr, da bin ich mir sicher. Aber wie bekommen wir die bischöflichen Berater wieder zurück? Und, was noch wichtiger ist, was wird uns das am Ende kosten?«

»Könnt ihr nicht mit ihnen verhandeln?«, warf Markus ein.

»Verhandeln ja, aber ich werde es nicht selber tun. Das lässt meine Position nicht zu. Ich brauche jemanden, der neutral ist.« Er strich sich über das Kinn. »Und ich habe eine Idee. Hauptmann, ich möchte, dass Ihr und Eure Männer die Stadt genau beobachtet. Wir waren zu nachlässig, das hätten wir schon vorher machen sollen. Niemand geht hinein, niemand geht hinaus! Und zwar so lange, bis ich etwas anderes sage.«

Damit verließ er das Zelt. Markus schüttelte grimmig den Kopf.

»Da waren mir die Osmanen lieber, da wusste man wenigstens, gegen wen man kämpfte.«

Jetzt musste von Waldow wieder lächeln.

»Ja, Markus, das ist Politik. Etwas, wovon wir einfachen Soldaten nicht viel verstehen. Wir führen nur das aus, was die Herrschaften sich ausdenken.« Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Nun zu Karlin. Von Gaisberg soll ihn sich vornehmen. Verschärfter Drill und Nachtwachen. Wenn er dienstfrei hat, wird er in Ketten gelegt, außerdem erhält er für zwei Wochen nur Wasser und Brot, seine Männer für eine Woche. Und ich will, dass sie alle sofort die Stadttore bewachen.«

Markus nickte. Er fand, dass Karlin mehr Glück als Verstand gehabt hatte.

Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit

Подняться наверх