Читать книгу Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit - Werner Diefenthal - Страница 17

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Silvanus sah Anna und Markus hinterher, als sie sich Richtung Fluss verzogen, und runzelte die Stirn. Ihm war klar gewesen, dass genau das passieren würde. Und er wusste, Anna würde Markus irgendwann die Wahrheit über ihre Herkunft verraten. Er hoffte nur, dass dies nicht direkt bei ihrem ersten Treffen nach so langer Zeit geschehen würde.

Es dauerte eine Weile, bis sie wieder auftauchten. Er erkannte sofort, dass die beiden wohl nicht sehr viel geredet hatten, und auch Markus wirkte nicht wie ein Mann, dem man eine unangenehme Wahrheit erzählt hatte. Silvanus entspannte sich. Als er sah, wie Max die junge Frau zur Begrüßung beinahe erdrückte, musste er lachen. Schließlich kamen sie näher. Er lächelte jovial und klopfte dem Hünen auf die Schulter.

»Na, Max, lange nicht gesehen.«

Der Angesprochene grunzte, dann grinste er und hieb dem Gauklerfürsten eine seiner gewaltigen Pranken auf die Schulter, dass dieser beinahe in die Knie ging.

»Gauklermann! Max sieht, Anna geht es gut. Glück für dich!«

Silvanus verdrehte die Augen.

»Na, wenn du sie nicht kaputt kriegst, dann schaff ich das bestimmt nicht«, grinste er süffisant und spielte damit auf Ravensburg an, als Max im Lager der Gaukler aufgetaucht war und unbedingt mit Anna hatte schlafen wollen.

Dass im Wagen rein gar nichts in dieser Richtung geschehen war, sondern dass Anna und Max Pläne geschmiedet hatten, um Markus aus den Fängen des Inquisitors zu befreien, das wusste Silvanus bis heute nicht. Markus sah verwirrt aus.

»Wieso sollte Max Anna kaputt bekommen?«

»Ach, hat dir dein Freund nicht erzählt, dass er sie, nun, besucht hat? Und so, wie der Wagen gewackelt hat, waren die beiden nicht gerade mit Kuchenbacken beschäftigt.«

Markus sah erst Max an, dann Anna, die sichtlich errötete. In all dem Trubel in den letzten Tagen in Ravensburg, nachdem der junge Soldat endlich wieder zur Besinnung gekommen war und sie befreit hatte, hatte sie völlig vergessen, ihm davon zu erzählen – und es auch gar nicht als wichtig empfunden. Und auch Max wurde rot wie jemand, der zu lange in der Sonne gelegen hatte.

»Max! Ist das wahr?«, rief Markus entsetzt aus.

Der Hüne lächelte dümmlich, während Silvanus sich laut lachend entfernte. Anna starrte ihm erzürnt hinterher. Er hatte es wieder einmal geschafft, Unfrieden zu stiften!

»Ist nicht so, wie dummer Gauklermann sagt.«

»Ach ja? Wie war es denn dann?«

In Markus stieg die Wut hoch. Es war wie in Wien, als einige seiner Kameraden zu Anna gegangen waren. Er wusste, sie verdiente damit ihr Geld, aber es tat trotzdem weh, dass ausgerechnet sein bester Freund auch mit Anna geschlafen hatte.

»Max nix Liebe gemacht mit rote Anna.«

Stammelnd erzählte der tumbe Riese, was geschehen war und wie er am Schluss auf dem Bett herumgehopst war, damit man zumindest den äußerlichen Schein gewahrt hatte.

»Und dann alles kam anders, Markus wieder Freund. Max hat nich mehr dran gedacht, zu erzählen.«

Markus sah Anna an, die totenbleich neben ihnen stand.

»Stimmt das? Ihr beiden hättet mich entführt?«

Anna nickte kaum merklich. Markus stieß die Luft aus und ballte die Fäuste.

»Ihr seid mir echt feine Früchtchen. Und nun schmiert mir dieser Silvanus das aufs Brot. Ich wette, der sitzt jetzt in seinem Wagen und lacht sich eins.«

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Hauptmann von Waldow saß indes in seinem Zelt und grübelte. Er hatte in seinem Soldatenleben schon vieles erlebt. Der Kampf um Wien war dabei nicht gerade eine seiner angenehmen Erinnerungen. Dort jedoch hatte er seinen Feind gekannt und konnte sich ihm auf dem Schlachtfeld stellen. Hier tappte er weitgehend im Dunkeln.

Wie konnte man jemanden besiegen, der sich nicht zum Kampf stellte? Alles schien aus politischen Winkelzügen zu bestehen. Ihm war klar, früher oder später würde man die Stadt erstürmen müssen. Das sagte ihm seine Erfahrung. Aber er hatte einfach zu wenig Informationen. Wie viele bewaffnete Männer standen ihm gegenüber? Wie waren die Verteidigungsanlagen aufgebaut, wie war die Moral innerhalb der Männer in Münster? Wer innerhalb der Mauern gehörte zum Feind, wer nicht?

»Ich brauche einen Spion«, murmelte er. »Aber wen kann ich in die Stadt schicken?«

Er kratzte sich am Kopf und sehnte sich nach etwas Abkühlung. Mühsam erhob er sich und ging ins Freie. Er sah, wie Markus mit Anna und Max zu debattieren schien und eine vage Idee formte sich in seinen Gedanken.

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»Willst du jetzt wirklich unser Wiedersehen mit etwas verderben, das vor zwei Jahren nicht passiert ist?«

Anna hatte die Arme verschränkt und schürzte spöttisch die Lippen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Markus so heftig auf die Enthüllung reagieren würde.

Der junge Soldat stemmte die Fäuste in die Hüften und starrte über seine Geliebte hinweg.

»Ich frage mich einfach, warum ihr mir nichts davon erzählt habt!«

Mit den Augen rollend warf Anna die Hände in die Luft.

»Wovon denn? Dass wir Silvanus haben glauben lassen, wir hätten das Lager geteilt, damit er Max zu mir lässt? Dass wir versuchen wollten, den Markus zurückzubekommen, den wir kennen und lieben? Lass mich überlegen – wahrscheinlich kam es uns nicht mehr ganz so wichtig vor, nachdem du mit dem Inquisitor ins Lager einmarschiert bist und alle rothaarigen Frauen verhaftet hast!«

Nun war es Markus, dessen Gesicht glühte. Er grinste verlegen.

»Du hast Recht … Lass uns das Wiedersehen nicht mit etwas verderben, das vor zwei Jahren nicht passiert ist.«

Max stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, der einem brünstigen Hirsch alle Ehre gemacht hätte. Anna lachte zufrieden und legte die Arme um Markus’ Hals.

»So gefällst du mir. Es war eine schlimme Zeit, und ich möchte nicht mehr daran denken. Ich will das Heute und Jetzt genießen!«

Schmunzelnd zog Markus sie näher an sich.

»Nichts täte ich lieber, aber ich muss gleich Patrouille gehen und mich vorher noch mit Hauptmann von Waldow besprechen. Kann ich danach zu dir kommen?«

Die Rothaarige nickte und gab ihm einen Kuss, der ein Versprechen enthielt: »Ich warte auf dich!«

Sie sah ihm nach, als er mit Max zum Soldatenlager zurückkehrte, und spürte, wie die Anspannung langsam von ihr abfiel und durch Wut ersetzt wurde.

Es war vollkommen unnötig gewesen, dass Silvanus ihnen diesen Seitenhieb verpasst hatte. Reine Boshaftigkeit! Wenn sie es ihm nur hätte heimzahlen können!

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Von Waldow wartete bereits auf Markus und grinste ihn an.

»Noch genug Kraft für die Patrouille?«

Der junge Soldat grinste und tat so, als ob es ihm peinlich wäre, dass sein Vorgesetzter wusste, was er in den letzten Stunden getrieben hatte.

»Ich … ähm, also …«

Der Hauptmann winkte ab.

»Alles gut, Markus. Alles in Ordnung. Mir war klar, dass ihr euch direkt ineinander verkeilt«, lachte er. »Und ich gönne es euch. So lange sie mir genug von dir übriglässt, damit du deine Pflichten erfüllen kannst.« Er wurde wieder ernst. »Ich habe nachgedacht. Die Patrouillen, die wir gehen, sind nicht zielführend. Sobald wir uns sehen lassen, verziehen sich all jene, die wir eigentlich beobachten müssten. Und das hilft uns nicht weiter. Wir haben immer noch keine Ahnung, was dort«, er zeigte in Richtung Stadtmauer, »wirklich vor sich geht.«

Er erzählte Markus, was ihm durch den Kopf gegangen war. Der hörte aufmerksam zu und nickte schließlich.

»Ihr habt Recht. Ich habe darüber auch schon nachgedacht, aber noch ist mir keine Lösung eingefallen.«

»Dann denk weiter darüber nach.« Jetzt grinste von Waldow wieder. »Sofern du die Nacht überlebst in ihren Armen. Aber erst die Patrouille. So lange wirst du wohl noch aushalten.«

Jetzt lachte auch Markus.

»Ja, Hauptmann. Das schaffe ich.«

»Und Markus«, hielt von Waldow ihn auf, »ich möchte nicht, dass ihr heute in die Stadt geht. Reitet um sie herum. Und versucht abzuschätzen, wie viele Menschen unterwegs sind, also wer in die Stadt geht und wer hinaus.«

Der junge Soldat blinzelte verwirrt.

»Ursprünglich sollten wir heute zum Dom und von dort weiter«, erwiderte er.

»Ja, ich weiß. Aber es ist heiß, die Menschen sind mürrisch. Haltet euch von Ansammlungen fern. Beobachtet. Schaut euch die Mauer an. Mehr nicht.«

»Wie Ihr befehlt, Hauptmann.«

Damit verließ er das Zelt und suchte seine Männer, die mit ihm gemeinsam auf Streife gingen. Obwohl sie sich bemühten, ernste Gesichter zu machen, wusste Markus, was sie dachten. Doch er war ihr Vorgesetzter und sie hielten sich bewusst zurück.

»Nun sagt schon, was ihr denkt, bevor ihr platzt«, ergriff Markus die Initiative.

Die Männer prusteten los.

»Entschuldige, aber kaum ist dein Rotfuchs wieder da, steht bei dir alles stramm.«

»Hat sie dich leergemolken?«

»Muss Liebe schön sein.«

»Ich bin noch an einem Stück, auch ist noch alles da, wo es hingehört. Aber aus euch spricht wohl eher der Neid der Besitzlosen«, konterte er.

Die Männer lachten, wurden wieder ernst.

»Können wir los? Oder müssen wir dich aufs Pferd heben?«, war der Kommentar von Astheimer, der immer noch einen draufsetzen musste und dabei spitzbübisch grinste.

Statt einer Antwort schwang sich Markus in den Sattel. Er wusste, er konnte sich auf seine Begleiter verlassen. Das musste er auch. Blindes Vertrauen in den Nebenmann war eine der wichtigsten Voraussetzungen, in einem Kampf zu überleben. Jetzt, wo sie gemeinsam gelacht hatten, war die Stimmung gelöst und sie konnten sich auf die vor ihnen liegende Aufgabe konzentrieren. Markus gab weiter, was Hauptmann von Waldow ihm gesagt hatte. Die Männer schwiegen, nickten allerdings. Sie schienen erleichtert, dass sie nicht in die Stadt mussten. Es war jedes Mal ein heikles Unterfangen. Es gab zu viele Möglichkeiten, sie in einen Hinterhalt zu locken. Keiner wusste, was als Nächstes geschehen würde.

Markus setzte sich an die Spitze, drehte sich noch einmal um.

»Ihr wisst Bescheid. Achtet auf das Umfeld. Und beobachtet die Mauern. Ich will nicht, dass irgendwer meint, wir wären Hasen und einen von uns als Abendessen schießt.«

Damit ritten sie los.

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»Willst du im Zuber hocken bleiben, bis dir die Haut vom Körper weicht, oder hast du vor, heute noch etwas Sinnvolles zu tun?«

Anna, die im sauberen, nach Rosen duftenden Wasser ein wenig vor sich hin gedöst hatte, zuckte heftig zusammen und fuhr herum, dass das Wasser spritzte. Es überraschte sie nicht, Caspar Meisner vor sich zu sehen, genauso wenig wie die Eiseskälte in seinen grünen Augen.

Sie ignorierte seinen missgestimmten Gesichtsausdruck und richtete sich etwas auf. Es hatte Anna viel Mühe gekostet, genug Wasser für ein Bad heranzuschaffen, und sie wollte diese Wohltat genießen, so lange es möglich war.

»Plant Silvanus eine Vorstellung?«

»Morgen«, knurrte Caspar. »Heute sollen wir erst einmal in die Stadt ziehen und auf dem Marktplatz tanzen und musizieren, um das Interesse der Münsteraner zu wecken. Nur eine kleine Gruppe. Du, Emilia, Barbara, Ludwig, Veit, Zacharias, Adam, Eberlin und meine Brüder und ich.«

Anna verzog das Gesicht. Kleine Gruppe? Nach den Verlusten, die sie in Ravensburg erlitten hatten, war das praktisch die Hälfte der Truppe! Zuwachs hatten sie lediglich von ein paar jungen Huren bekommen, aber sie waren noch nicht gut genug, um bei den Vorstellungen mitzutanzen und bedienten nur in den Wagen die Freier.

»Ich komme sofort«, seufzte Anna und griff nach einem Tuch, um sich abzutrocknen.

»Zieh eins der Akrobatenkostüme an, du sollst nicht nur tanzen, sondern bei uns mitmachen«, brummte Caspar noch, bevor er sich trollte.

Anna verdrehte innerlich die Augen. Er hatte die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, sie eines Tages dauerhaft in sein Bett zu bekommen. Es ging ihm gegen den Strich, dass Markus wieder aufgetaucht war. Sie hoffte nur, dass er sie nicht aus Trotz fallen ließ!

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Obwohl sich der Tag schon dem Ende zuneigte, waren die Gaukler nicht allein, als sie nach Münster gingen. Ganze Menschentrauben zogen mit ihnen, betend und singend. Es war nicht das erste Mal, dass die Gaukler auf Protestanten stießen, die sich der Täuferbewegung in Münster anschließen wollten. Schon seit einigen Tagen waren ihnen diese Menschen begegnet, und es war nicht schwer gewesen, herauszufinden, wer sie waren. Man hatte sich nur unauffällig verhalten und zuhören müssen.

Jetzt jedoch konnten sie sich unmöglich unscheinbar verhalten in ihren leuchtend bunten Gauklergewändern. Mehr als ein empörter Blick der frommen Reisenden streifte die Gruppe. Eberlin verzog das Gesicht.

»Wer hätte gedacht, dass es möglich wäre, dass Christen noch verklemmter werden«, brummte er in sein Doppelkinn.

»Sie werden schon auftauen, wenn wir erst zu tanzen anfangen«, zeigte Emilia sich optimistisch und warf die langen blonden Haare zurück. Anna teilte diese Zuversicht nicht. Fast fürchtete sie, die Wachen, die am Mauritztor standen und alle Neuankömmlinge grimmig musterten, würden sie gar nicht in die Stadt lassen, aber sie starrten die Gauklertruppe nur durchdringend an und liessen sie passieren. Innerhalb der Stadtmauern nahmen die Kameraden Aufstellung, und dann stieß Zacharias der Drache seinen berühmten Feuerstrahl just in dem Moment aus, in dem Veit Haberkorn einen donnernden Paukenschlag aus seiner Trommel dröhnen ließ.

Eine solche Eröffnung ihrer Darbietung verfehlte nie seine Wirkung, zog alle Augen auf sie, aber diesmal war es anders als sonst. Erschrockene Schreie erklangen, und die Menschen wichen vor ihnen zurück. Ludwig von Tanneberg, der blonde Barde, breitete einladend die Arme aus.

»Herrschaften, Bürger von Münster, lasst euch entführen in unsere Welt der Wunder!«

Damit begann er zu singen und die Laute zu schlagen, während Veit mit seiner Trommel einen treibenden Rhythmus begann. Die Mädchen fingen an zu tanzen, aber Anna fühlte sich unbehaglich. Nicht überall empfing man sie mit offenen Armen, aber neugierig waren sie alle. Hier sah sie keine neugierigen Blicke. Mütter zerrten ihre Kinder in die Häuser und schlugen die Türen zu, die Blicke, die sie trafen, waren empört, richtiggehend feindselig.

Es folgte ihnen auch niemand, als sie durch die engen Gassen zum Domplatz zogen. Dennoch war der Platz voller Menschen, und sie starrten die Gaukler an. Jeder einzelne Blick schien Anna wie eine Lanze, die sich ihnen entgegenstreckte, um sie aus der Stadt zu vertreiben.

Mit dem letzten Trommelschlag des Liedes erreichten sie ihren Standort direkt vor der Dompforte. Schon als sie auf ihrem Weg an St. Lamberti vorbei gekommen waren, hatte Anna erstaunt festgestellt, dass man das Portal der Kirche mit Brettern vernagelt hatte. Dasselbe war mit dem Dom passiert, aber die Gauklerin hatte keine Zeit, sich darüber zu wundern, denn noch bevor Ludwig das nächste Lied anstimmen konnte, begannen die Rufe.

»Sünder!« »Teufel!« »Verschwindet!«

Anna und Barbara tauschten einen Blick, und Anna sah noch, wie ihre Freundin den Mund öffnete, um mit ihr zu sprechen, als etwas sie hart am Kopf traf, und Barbaras Worte verwandelten sich in einen erschrockenen Schrei. Anna taumelte, fing sich aber noch, bevor sie im Staub landen konnte. Sie spürte, dass ihr eine Flüssigkeit am Kopf herablief und glaubte im ersten Moment, man habe sie mit einem faulen Ei oder einer Frucht beworfen, aber als sie ihre Schläfe berührte und dann ihre Finger begutachtete, sah sie dunkelrotes Blut.

»Raus hier, nichts wie raus!«

Caspar packte sie am Arm und zerrte sie mit, als die Gruppe ihr Heil in der Flucht suchte. Die Männer nahmen die Frauen in die Mitte, als immer mehr Steine, faules Obst und Gemüse zu fliegen begannen, und Anna schützte ihren Kopf mit den Armen, rannte wie in Trance mit den anderen mit, obwohl ihr Kopf schmerzte und ihr schwindelig war.

Das Geschrei um sie herum wurde immer lauter, die aufgebrachten Münsteraner griffen nach ihnen, doch der starke Adam hatte sich an die Spitze der Gruppe gesetzt und pflügte durch die Menschen hindurch wie ein Stier. Als sie den Domplatz hinter sich ließen, stellte sich ihnen niemand mehr in den Weg, der Hagel von Gegenständen ließ nach, und es wurden nur noch Fäuste drohend in ihre Richtung geschüttelt.

Dennoch war Anna grenzenlos erleichtert, als sie durch das Mauritztor stürzten und halbwegs unbeschadet aus der Stadt entkamen, wenn auch völlig besudelt und verdreckt.

»Was zum Teufel war das?«, keuchte die Rothaarige entsetzt.

Ludwig wischte sich ein faules Ei aus dem Gesicht.

»Eine Stadt voller Spaßverweigerer!«

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Nach drei Stunden kehrten Markus und seine Männer zurück. Es war eine ereignislose Patrouille gewesen. Niemand hatte sie beschossen oder war ihnen begegnet. Sie hatten die Mauer betrachtet, nach Schwachstellen gesucht, aber nichts gefunden. Markus war frustriert, als er sein Pferd zu Max brachte, der es abrieb und fütterte.

»Markus geht zu rote Anna?«

»Was? Ja«, antwortete er, während er seinem Freund half. Er war in Gedanken immer noch unterwegs, rief sich das Bild der Mauer ins Gedächtnis. Wie konnte man in die Stadt gelangen, ohne Aufsehen zu erregen? Und wie konnte man das Vertrauen dieser Wiedertäufer erringen? Langsam reifte eine Idee in ihm.

»Los. Max macht allein. Markus muss Anna glücklich machen. Und sich selber!«

»Bist du sicher? Ich helfe dir gerne, du bist mein Freund.«

In Wahrheit wäre er am liebsten sofort nach der Rückkehr zu Anna gelaufen, aber er wollte seinen besten Freund nicht wieder vernachlässigen. Diesen Fehler hatte er einmal gemacht und schmerzhaft dafür bezahlt. Max grinste.

»Wenn Markus glücklich, dann auch Max.«

Markus umarmte seinen Freund.

»Danke.«

»Aber Markus erst waschen. Stinkt wie totes Wiesel!«

Der junge Soldat stutzte.

»Was würde ich nur ohne dich machen?«

Max lachte.

»Stinken wie totes Wiesel!« Er zeigte in eine Ecke des Stalls. »Max gemacht warmes Wasser.« Dann zwinkerte er ihm zu. »Aber Markus nicht glauben, Max ihn waschen!«

Max hatte in der Tat zwei Stunden damit verbracht, genug Wasser aus den fast ausgetrockneten Bachläufen zu holen, damit Markus sich baden konnte. Aber er tat es gerne für seinen Freund, wusste er doch, dass Markus bei Anna glücklich war. Erfrischt und sauber machte er sich etwas später auf den Weg zu Annas Wagen. Er klopfte an die Tür und hörte ein zaghaftes »Herein«. Als Markus in den Wagen trat und Anna ihn ihrem Bett und auf dem Boden lauter blutige Tücher sah, wurde er bleich.

»Wer war das?«, zischte er. »Ich bring ihn um!«

Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit

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