Читать книгу Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit - Werner Diefenthal - Страница 13
ОглавлениеRavensburg, März 1533
Steffan von Rabensteiner zu Döhlau patrouillierte durch die Stadt. Seit einigen Wochen hielten sie sich wieder hier auf, um die letzten verbliebenen Hexen zu jagen. Stolz trug er die Kutte und das Kreuz, das von Ravensburg ihm geschenkt hatte.
Bei ihm waren fünf Soldaten, die ihn auf Schritt und Tritt begleiteten und auf seine Befehle warteten wie gut dressierte Hunde. Sie sahen in jedes Schankhaus, klopften wahllos an Türen, verschafften sich überall Zutritt, um Spuren von Hexerei zu finden. Als sie um eine Ecke kamen, blieb zu Döhlau stehen.
»Das darf nicht sein!«, stöhnte er leise. Er wandte sich an die Soldaten. »Ihr durchkämmt hier in dieser Straße die Häuser, ich sehe mich dort drüben um.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er los und folgte einer Gestalt, die er gesehen hatte und die ihn in innere Aufruhr versetzte. Von fern leuchteten die roten Haare, die anmutige Gestalt fesselte die Blicke aller, die ihr begegneten.
»Du verdammte Hexe bist also auch wieder in der Stadt. Und dieses Mal ist niemand da, der dich beschützt!«
Leise murmelte Steffan vor sich hin und näherte sich der Frau, die keinerlei Verdacht schöpfte. Als sie in eine dunklere Gasse einbog, zögerte der Soldat der Inquisition nicht. Mit ein paar kurzen Sätzen war er hinter ihr, sein linker Arm flog nach oben und er hielt ihr den Mund zu. Ein leises Röcheln und ein Zucken ihres Körpers waren die Folge.
»Hab ich dich, du Hure des Satans! Damit hast du nicht gerechnet, nicht wahr, Anna!«
Die Frau versteifte sich, undeutliches Gemurmel war die Antwort. Langsam drehte zu Döhlau sie herum und erstarrte. Vor ihm stand nicht diejenige, die er zu erkennen geglaubt hatte, sondern ein junges Mädchen im ähnlichen Alter, mit denselben flammendroten Haaren. Er fluchte lautlos und löste die Hand über ihrem Mund.
»Anna? Isch bin nisch Anna. Isch heiß Martha. Und watt soll datt? Wer sindse? Watt wollnse?«
»Halt den Mund, Hexe!«, zischte zu Döhlau. Ihm wurde klar, dass er ein Problem hatte. »Halt einfach dein Maul!«
Seine Gedanken rasten. Sollte er sie einfach gehen lassen? Oder mit einem Vorwand verhaften? Martha begriff langsam, wen sie vor sich hatte. Ihre Knie gaben nach.
»Oh nein, ihr seid de Inquisition. Isch hab nischt jemacht. Nur einjekauft für de Herrschaft. Bitte, isch jeh jeden Tach inne Kirche. Und gehurt hab isch och nich! Noch niemals hab isch mit nem Mann watt jemacht, datt wolln de Herrschaften nisch. Bitte bitte …« Jetzt brach sie in Tränen aus.
»Wie alt bist du?«
»Fuffzehn, Herr.«
Zu Döhlau sah sie von oben bis unten an. Ihre Wangen waren nass von den Tränen und sie schluchzte ununterbrochen, dann gab sie sich einen Ruck.
»Isch weiß nich, wattse von misch wolln, aber isch weiß, ihr müsst misch jehen lassen.« Zu Döhlau frage sich, woher sie auf einmal den Mut nahm, sich mit ihm anzulegen, und bekam gleich die Antwort. »Mein Herr iss der Bruder von de Bischof, dem werd isch datt allet verzähln. Und der wird dann …«
Jetzt reichte es zu Döhlau. Mit der flachen Hand schlug er ihr ins Gesicht, sodass ihr Kopf zur Seite flog.
»Ich sagte, du sollst das Maul halten!«
In ihm kochte jetzt alles hoch. Anna, die er nicht hatte auf den Scheiterhaufen bringen können, Markus, der ihm entwischt war. Als Martha anfangen wollte, zu schreien, packte er sie an den Haaren und hieb ihren Kopf mehrmals gegen die Hauswand. Es knirschte, das Blut spritzte, dann erschlaffte das Mädchen.
Zu Döhlau stand über ihr, schwer atmend, starrte auf den leblosen Körper hinab.
»Oh mein Gott, was hab ich getan?«
Ihm war klar, wenn das herauskam, dann würde auch von Ravensburg ihn nicht schützen können. Er sah sich um, es war niemand zu sehen. Er beugte sich nach unten, drehte das Mädchen auf den Rücken, zerriss ihr das Oberteil, sodass ihr Brüste freilagen, und zerrte ihr den Rock hoch. Als er ihr nacktes Geschlecht sah, würgte es ihn, aber er riss sich zusammen, und verschwand schnell aus der Gasse, ging eine Runde und traf wieder auf die Soldaten.
»Und, etwas gefunden?«, fragte er und bemühte sich, nicht aufgeregt zu klingen.
»Nein, Herr. Nichts.«
»Nun, dann kehren wir ins Quartier zurück.«
Als sie gerade abrücken wollten, drang ein lauter Schrei an ihre Ohren.
»MORD! HILFE!«
Sie rannten los in die Gasse, aus der die Stimme kam. Ein Mann stand an der Hauswand, festgehalten von einigen anderen. Steffan trat zu der Gruppe, fragte forsch.
»Inquisition. Was ist hier los?«
Eine Frau, die sich über den leblosen Körper am Boden gebeugt hatte, richtete sich auf.
»Ich habe gesehen, wie der da«, sie zeigte auf den Mann, der immer noch festgehalten wurde, »sich hier über etwas gebeugt hat. Mir kam das komisch vor und als ich näher kam, da war mir klar, was los war. Er hat das arme Ding umgebracht und wollte sich wohl gerade an ihr vergehen.«
Zu Döhlau hätte laut lachen können. Das war köstlich, fand er.
»Du wolltest also eine Leiche schänden? Ich denke, das wird dir sehr schnell leidtun. Bringt ihn ins Verlies.« Er wandte sich an die Frau. »Würdet ihr das bezeugen?«
»Jederzeit.«
»Sehr gut, dann möchte ich Euch bitten, mitzukommen, damit wir alles protokollieren können. Auch ihr«, er wandte sich an die Männer, »werdet uns begleiten.« Er stellte sich vor den Mann, der festgehalten wurde. »Und du, du solltest beten.«
Ein undeutliches Genuschel war die Antwort und zu Döhlau erkannte, warum er nichts verstand.
»So, man hat dir also bereits die Zunge herausgeschnitten. Mal sehen, ob wir dich nicht doch irgendwie zum Reden bringen können.«
Eine Woche später wurde der arme Tropf, der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, für schuldig des Mordes und der versuchten Leichenschändung befunden und gerädert.