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Vor den Toren Münsters, August 1533

Markus’ ehrliche Sorge rührte Anna. Als er sich besorgt an ihr Bett setzte, griff sie nach seiner Hand.

»Ich kann dir leider nicht sagen, welcher Münsteraner mich mit seinem Stein getroffen hat! Ein faules Ei wäre mir deutlich lieber gewesen.«

Elisabeth betrat den Wagen mit einer Schüssel Wasser und sauberen Tüchern. Ihre Miene verfinsterte sich, als sie Markus sah. Sie hatte seine Beteiligung an den Vorgängen, die zum Tod ihrer Tochter geführt hatten, nicht vergessen.

»Da schau her, der Hexenjäger ist wieder da!«

Er schluckte trocken, erwiderte aber nichts. Er sah nur Anna an.

Die Erinnerung an die Zeit in Ravensburg würde er zu gerne auslöschen, aber er wusste, sie würde ihm für den Rest seines Lebens begleiten. Nicht jeder konnte ihm seine Fehler verzeihen. Das musste er akzeptieren.

Anna biss sich auf die Unterlippe. Sie hätte sich gerne vor Markus gestellt, wusste aber, dass Elisabeth kein Argument gelten lassen würde. Zu schwer lastete der Tod ihrer Tochter auf der Seele der Hebamme. Anna entschied sich für ein halbes Lächeln.

»Lässt du uns bitte für einen Moment allein, Elisabeth? Danke für deine Hilfe, aber es geht mir schon besser!«

Markus sah Elisabeth nach, die ihn mit einem letzten Blick, aus dem Blitze schossen, bedachte und dann den Wagen verließ. Er seufzte.

»Hört das nie auf? Erzähl mir, was geschehen ist.«

Anna setzte sich vorsichtig auf, schloss einen Moment die Augen, bis sich der Raum nicht mehr um sie herum drehte, und zuckte die Schultern.

»Wir waren nicht sonderlich willkommen in Münster! Zugegeben, es gibt immer Moralapostel, die uns ›Unehrliche‹ nicht in ihrer Nähe haben wollen, aber dass die ganze Stadt ›Sünder‹ schreit und uns mit Steinen bewirft, habe ich noch nie zuvor erlebt! Und dabei dachte ich, die Protestanten wären offener als die anderen!«

Er hielt ihre Hand, biss sich auf die Unterlippe.

»Anna, so sehr ich mich freue, dich zu sehen, ihr hättet nicht herkommen dürfen. Von allen Städten im Reich ist Münster wohl im Moment diejenige, um die ihr den größten Bogen schlagen solltet.«

Er erklärte in kurzen Sätzen die Lage und endete damit, dass er auch die Anwesenheit von Ferdinand von Ravensburg erwähnte.

»Ich rechne damit, dass hier bald ähnliche Zustände wie in Wien herrschen werden, nur dass wir dieses Mal die Angreifer sind.«

Annas Augen wurden immer größter, als sie die Zusammenhänge begriff. Plötzlich schien alles glasklar.

»Silvanus ist absichtlich hergekommen!« Vermutlich hatte er nicht gewusst, dass sein Halbbruder hier sein würde, aber alles andere konnte er sich, falls er es nicht von Reisenden ohnehin gehört hatte, zusammenreimen. »Soldaten wollen Huren. Vielleicht hofft er sogar, aus einem Angriff auf die Stadt Profit schlagen zu können.«

Sie hatte nicht vergessen, dass aus Wien mit der Gauklertruppe der Domschatz verschwunden war. Markus fluchte leise.

»So ein Lump. Jetzt hat er allerdings das Problem, dass ihr in der Stadt nicht gern gesehen seid. Also kann er nicht damit rechnen, dort Vorstellungen zu geben. Und hier bei uns gibt es nicht genug zu verdienen.« Er kratzte sich am Kinn. »Trotzdem haben wir noch ein anderes Problem. Wir haben keine Ahnung, was in der Stadt wirklich vor sich geht. Wir wissen nicht, wie viele wehrfähige Männer sie haben, wie sie bewaffnet sind. Ob sie nur über Heugabeln verfügen oder sogar über Arkebusen.«

Annas grünblaue Augen musterten ihn ungläubig, und, wie Markus zu erkennen glaubte, fast ein wenig spöttisch.

»Ihr habt keine Verbündeten in der Stadt? Nicht einen einzigen Spion? Irgendetwas macht ihr falsch, Soldat!«

»Ja, das kann sein. Aber wir sind auf so etwas nicht vorbereitet gewesen. Unsere Ausbildung war nur darauf gerichtet, Schlachten zu schlagen, nicht eine Stadt zu belagern. Wir haben darin keine Erfahrung, im Gegensatz zu den kaiserlichen Truppen. Und dann haben wir den Fehler gemacht, uns zu oft in der Stadt selber zu bewegen, jetzt wissen sie, wie wir aussehen. Einfach jemanden in Bauernkleider zu stecken und reinschicken, das wird nicht klappen.«

Anna schürzte die Lippen, ein Hauch von Verschlagenheit stahl sich in ihre Züge.

»Glaubst du, dein Hauptmann wäre bereit, uns dafür zu bezahlen, wenn wir es für euch machen?«

Markus starrte sie an.

»Bist du verrückt? Das lasse ich nicht zu, dass du in die Stadt gehst!!«

Doch bei genauem Nachdenken musste er sich eingestehen, dass Anna nicht ganz Unrecht hatte. Aber er wollte nicht, dass sie sich in Gefahr begab.

Wieder spürte sie, wie gut es tat, dass er sich um sie sorgte, aber sie konnte trotzdem nicht anders, als ihn auszulachen, und pikte ihn in die Brust.

»Warum nicht? Ich bin ein großes Mädchen. Wenn du nicht in meiner Nähe bist, passe ich auch auf mich selbst auf. Ich bin zierlich und schwach und harmlos. Keiner verdächtigt mich. Und wenn doch …« Sie richtete sich auf und gab Markus einen kurzen, aber sehr süßen Kuss. »… verwirre ich ihm die Sinne, bis er nicht mehr weiß, woran er gerade noch gedacht hat!«

In seinem Magen grummelte ein leises Gefühl der Eifersucht. Er erinnerte sich an Wien, wo sie einigen seiner Kameraden zu Willen hatte sein müssen. Aber er unterdrückte das Gefühl. Er wusste, dass sie in der Zeit der Trennung bei anderen Männern hatte liegen müssen, aber auch er war nicht keusch gewesen. Es war ein stillschweigendes Abkommen, das sie getroffen hatten. Und dennoch, er würde nicht zulassen, dass sie alleine in die Stadt ging. Er hielt es für viel zu gefährlich, dass sie sich ohne Schutz in die Höhle des Löwen begab. Dann kam ihm eine Idee.

»Du gehst nicht ohne mich. Wir müssen uns nur die passende Geschichte ausdenken.«

Ein Strahlen breitete sich über das hübsche Gesicht der Rothaarigen aus.

»Das würde mir gefallen! Was sagst du, gehen wir gleich zu deinem Hauptmann und unterbreiten ihm den Vorschlag? Wenn er damit einverstanden ist, kann er gleich Silvanus davon erzählen.«

Er sah sie lange an, lächelte. Trotz ihrer Verletzung schien es ihm, als wäre sie noch schöner geworden,

»Wie wäre es, wenn wir zunächst …«

Damit beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuss, in den er seine ganze Leidenschaft, sein ganzes Verlangen legte. Anna ließ sich zurück auf ihr Lager sinken und zog ihn mit sich. Bald konnte sie nicht mehr unterscheiden, ob es seine Nähe oder ihre Kopfverletzung war, die sie schwindelig machte.

Viel später lag er neben ihr. Eine angenehme Müdigkeit machte sich in ihm breit. Die letzten Stunden hatten sie sich immer wieder ihrer Leidenschaft hingegeben, sich geliebt und alles andere um sie herum ausgeblendet. Langsam jedoch holte die Wirklichkeit den jungen Soldaten wieder ein. Er richtete sich halb auf, stützte sich auf dem linken Arm ab und streichelte mit dem Zeigefinger der rechten Hand über Annas Wange, betrachtete sie und sein Blick war voller Liebe. Träge öffnete sie die Augen und sah ihn an.

»Was?«, murmelte sie schlaftrunken.

»Ich weiß nicht«, flüsterte er, »aber ich bilde mir ein, du bist noch schöner geworden.« Er sah ihr in die Augen. »Und ich denke, du hast Recht. Wir sollten mit von Waldow reden, alles sorgfältig planen. Vor allem müssen wir klären, wie wir die Informationen aus der Stadt bekommen. Aber jetzt lass uns nicht mehr davon reden. Ich habe Zeit bis morgen Mittag, bevor mein Dienst beginnt. Und es wäre schade, wenn wir die Zeit mit Reden vergeuden.«

Anna lächelte ihn sanft an, dann zog sie seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn. Zu gerne ließ Markus sich erneut fallen, genoss ihre Zärtlichkeiten und erwiderte sie. Schnell vergaßen sie alles um sich herum und ließen ihrer Leidenschaft freien Lauf. Sie hatten viel nachzuholen!

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Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit

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