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Kapitel 5

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März 2316

Blinder Passagier

Bérénice Savoy langweilte sich. Sie stierte an die Decke und überlegte verzweifelt, was sie noch tun könnte. Sie hatte alle körperlichen Bedürfnisse während der letzten neun Wochen befriedigen können. Sie hatte ausreichend hervorragendes Wasser, sogar irgendein ihr unbekanntes samboll´sches Gesöff, das vielleicht 5 % Alkohol besaß. Sie hatte mehr als genug Nahrungsmittel, sogar Medikamente gefunden, die sie nach langem Zögern vorsichtig bei sich angewandt hatte, um kleinere Verletzungen und Beschwerden zu behandeln. Ihrer Compri-Schulung zufolge konnte sie die Aufschriften auf den Medikamentenverpackungen lesen, aber da stand natürlich nichts über die Verträglichkeit und Dosierung dieser Mittel bei Menschen. Gott sei Dank hatte sie keine ernsthaften Verletzungen und brauchte wirkliche Risiken erst gar nicht einzugehen.

Sie hatte in der Nähe ihres Versteckes massenhaft Unterkünfte gefunden, die allesamt leer waren. Dieser riesige Frachter konnte also bei Bedarf etliche Passagiere aufnehmen, was er bei seinem nächsten Stopp möglicherweise auch tun würde. In den verlassenen Quartieren hatte sie Gegenstände und Einrichtungen gefunden, die für andere Spezies als Sambolli geeignet waren. Von einigen glaubte sie, deren Funktion erahnen zu können, andere waren ihr völlig fremd und so ließ sie von den meisten Sachen die Finger. Am Ende der ersten Woche ihres Aufenthaltes hatte sie sogar eine Kabine entdeckt, die sich für Humanoiden als brauchbar erwies. Sie wagte aber nicht zu hoffen, dass die Sambolli-Händler dies tatsächlich für Menschen vorgesehen hatten, die ja offiziell zu ihren Feinden zählten.

Allerdings hatte sie ihre eigenen Fetzen gegen recht ansehnliche Kleidung in tiefem Blau eingetauscht, die ihr nun warm und überaus elastisch am Körper lag. Sie hatte aus ihrem Beutezug eine richtige Modenschau veranstaltet, stundenlang in drei Humanoid-Kabinen gewühlt und sich lange überlegt, was sie auswählen sollte. Zu ihren Schätzen gehörte eben der blaue Dreiteiler, bestehend aus Hose mit geschlossenen Füßen, einem Sweater ähnlichem Ding und einem wadenlangen Mantel aus dem gleichen Material. Den Stoff kannte sie nicht. Aber ihre Untersuchung ergab, dass er aus mindestens sieben Schichten bestand, wobei die innerste völlig kratzfrei war. Weitere Lagen wiesen dünne winzige Luftpolster auf, dazu eine Saugschicht für Schweiß, und die äußere Lage besaß eine überaus effektive schmutzabweisende Nanobeschichtung.

Sie hatte sich dabei in einer Glasfläche, welche als Raumteiler fungierte, betrachtet und das Ergebnis für gut befunden: Ihre ohnehin durchtrainierte, schlanke Statur hatte die vergangenen Strapazen gut weggesteckt. War sie vorher aufgrund der Gefangenschaft mit Mangelernährung und einseitiger Bewegung bei der Strafarbeit eher sehnig, ja geradezu dünn bis zur Grenze der Unterernährung gewesen, zeigte ihre jetzige Figur in Folge der Hetzerei im Dschungel, der ausreichenden Nahrung und dem Überangebot hier an Bord mehr Muskelmasse, was ihr wieder eine weiblichere Kontur verlieh.

Leider ist niemand da, dem dies angenehm auffallen könnte, schmunzelte sie vor sich hin. Als Schuhwerk hatte sie ein Paar Stiefel entdeckt, die unmöglich aus Leder bestehen konnten, sondern innen eine dicke Lage aus eindeutig Reptilienhaut mit kleinformatigen Schuppen aufwiesen. Die Schuppen hatten an den Rändern zwar Knorpel in Stecknadelkopfgröße und sie hatte anfangs befürchtet, sich fürchterliche Schwielen zu laufen. Aber nach nur einer Stunde Tragezeit hatte sie eher das Gefühl gehabt, eine Fußreflexzonenmassage genossen zu haben. Die Außenhaut der Schuhe hatte auch Schuppen, allerdings waren sie aus einem unbekannten Metall, das in einem seidenmatten Stahlblau schimmerte.

Die meiste Arbeit hatte sie sich mit einem Rettungsnetz aus sehr zähem Gurtmaterial gemacht. Alleine für die Herstellung zweier Gürtel mit Taschen, einem Tragegeflecht für einen Rückentornister, den sie aus einem flexiblen Behälter für Flüssigkeiten gewonnen hatte, benötigte sie eine geschlagene Woche.

Bérénice hatte sich darüber hinaus die Mühe gemacht, eine bessere Scheide für ihr Katana zu fertigen. Die alte Scheide war schon an mehreren Stellen brüchig geworden und die Gefahr, das kostbare Schwert zu verlieren, war ihr die zusätzliche Arbeit mehr als wert gewesen. Ihr Spiegelbild in voller Montur – sie wollte sich an das Gewicht ihrer Ausrüstung gewöhnen und ihre Beweglichkeit testen – beeindruckte sie selbst: Eine bildhübsche dunkelhäutige Frau, mit noch viel dunkleren, jetzt tiefe Zufriedenheit, ausstrahlenden, Augen. Jetzt war sie Nice, wie sie von ihren vielen Freunden genannt wurde. Hätten diese ihr brutales Vorgehen gegenüber den Sambolli-Jägern oder bei den Händlern gesehen, hätten sie sie Ice genannt.

Als Bérénice diesen Gedanken hegte, veränderte sich der Ausdruck ihres Spiegelbildes und sie konnte das Eis in ihren Augen glitzern sehen. Sie war härter geworden, als sie schon vorher gewesen war. Und sie war sicher auch gefährlicher geworden, was ihr in ihrer jetzigen Situation ein gerütteltes Maß an Hoffnung zurückgab. Sie fuhr in ihrer Selbstbeurteilung fort. Ihre ansonsten langen Haare hatte sie im Dschungel noch zu einem Zopf gebunden gehabt. Doch dieser hatte sie schon in dem fürchterlichen Kompromiss von einem Raumanzug gestört. Jetzt trug sie ihr schwarzes Haar nackenlang, über den Ohren jedoch völlig glattrasiert. Zum Teil aus Langeweile, zum Teil aber auch aus der Hoffnung heraus, wieder einen Raumanzug zu besitzen, wollte sie schon mal die körperlichen Voraussetzungen dafür verbessern. Viele ihrer Trooperkolleginnen trugen völlig rasierte Köpfe, wie auch die meisten Männer. Bérénice hatte sich noch nie mit diesem Brauch anfreunden können. Sicher, sie war Spacetrooperin, aber immer noch auch eine Frau.

Ihre Körpergröße von 182 Zentimetern hatte sie im Vergleich zu den anderen Trooperinnen zusätzlich im wahrsten Sinne des Wortes herausragen lassen. Wenn sie ihre normale schwarze Trooperuniform anhatte, hatte man sie aufgrund ihrer Gesamterscheinung auch schon mal Black Ice genannt.

Die würden sich wundern, wie sehr ich mich dem Namen annähere, dachte sie. Vorher hatte sie sich geschämt, wenn jemand sie als Eisblock, dazu noch anachronistisch als schwarzen Eisblock bezeichnete. Dabei hielt sie sich für überaus empfindsam. Jede Verwundung, die jemand sich einfing, jeder Tod eines Kameraden, ja selbst der Tod ihrer Feinde ließ sie nicht völlig unberührt. Als sie sich an das Chaos im Frachthangar erinnerte, kamen ihr Zweifel an ihrer eigenen psychischen Beurteilung, doch sie empfand jetzt tatsächlich … Mitleid, aber keine Trauer für die unschuldigen Frachtarbeiter, ja sogar für die Tiere. Sicher war sie in der Lage zu töten und den Tod anderer als Tatsache anzunehmen. Doch das war ein Überlebens-Instinkt, den jeder Krieger haben musste, sonst würde er bei jeder Auseinandersetzung im falschen Moment zögern, scheitern und bald selbst sterben. Aber nach der Hitze des Kampfes musste man mit den schrecklichen Bildern – und Verlusten – fertig werden, sonst zerbrach man daran.

Ihr Blick hob sich wieder und verräterische Feuchtigkeit in den Augenwinkeln hatte das eisige Glitzern ersetzt. Bérénice atmete mehrmals tief durch und wandte sich von der Glasfläche ab. Sie räumte einigermaßen auf, sodass man bei einem Betreten der Kabinen nicht sofort erkennen konnte, dass jemand sich hier bedient hatte. Überhaupt hatte sie jeglichen Abfall und Spuren sorgfältig vermieden und in die überall vorhandenen Konverterschächte geworfen. Auf Raumschiffen ist der Müll schon immer ein Problem gewesen. Anfängliche Rücktransporte zur Erde oder irgendwelchen Basen wichen recht schnell der Verwendung des Abfalls als Brennmaterial. Und die Sambolli waren wie viele andere raumfahrenden Rassen auf die gleiche Idee gekommen.

Doch nun lag sie immer noch da und langweilte sich. Sie hatte nichts mehr zu tun oder zu entdecken. Weiterführende Exkursionen in andere Bereiche des Schiffes wagte sie nicht, sie würde nur ihre eigene Entdeckung provozieren. Nein, sie würde hier ausharren, bis das Schiff landete.

Bérénice nutzte die folgenden Tage mit ihrem üblichen Programm. Fitnessübungen, Spiegelkämpfe mit dem Katana, disziplinierten Umgang mit ihren Vorräten, welche sie auf einem Level hielt, das ihr ein Auskommen für mindestens zwei Wochen garantierte.

Allen Kabinen, in denen Humanoide hausen konnten, fehlten allerdings zwei entscheidende Dinge, die sie sich nur zu sehr wünschte: ein passender Rauman*zug und eine Energiewaffe. Gottlob waren die Sambolli – und viele andere Rassen im Universum – Sauerstoffatmer. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Händler irgendwo landen könnten, wo es keine atembare Atmosphäre gab, war also gering, aber nicht unmöglich.

Odyssee

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