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Koma Eins

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Ihr Herz gab stakkatoartige Schläge von sich und der erste Atemzug war der einer Ertrinkenden, die mit pfeifenden Lungen die Luft in sich hinein sog. Noch während sie beide Flügel durch tiefe Züge mit unsichtbarem Leben füllte, riss sie die Augen auf. Ihr Blick zuckte im gleichen hastigen Takt, mit dem sie Stoß um Stoß wieder zu Atem kam. Eben noch wäre sie beinahe ertrunken. Nun schlug die Hitze wie ein Hammer auf sie ein und sie drückte ihre Lider zu schmalen Schlitzen zusammen.

Ihre Augen sagten ihr, dass sie sich in einer Wüste befand. Ihr Verstand sagte ihr, dass dies nur eine virtuelle Welt war. Doch alle ihre Sinne behaupteten das Gegenteil. Die Hände tasteten grobkörnigen Sand, ihre Haut verspürte das Prickeln vom Wind getriebener einzelner Körner, ihr ganzer Körper war innerhalb von Augenblicken schweißüberströmt. Und sie musste die Augen von der sengenden blau-weißen Sonne wenden, die wie eine blendend helle Fackel am tiefblauen Himmel gleißte.

Verdammt gut gemacht, dachte Bérénice und richtete sich aus ihrer liegenden Position in eine hockende auf.

Auch wenn ich von Dünen umsäumt bin, stelle ich mich nicht als Zielscheibe auf.

Kaum hatte sich ihr Atem beruhigt, meldeten ihre Ohren neues Unheil. Das Singen des Windes nahm an Stärke zu und aus dem linken Augenwinkel nahm sie einen Schatten wahr. Alle Vernunft außer Acht lassend, schnappte sie sich die Lasersichel aus dem Rückenhalfter, entsicherte sie und rannte geduckt die Düne vor ihr hinauf. Sie hatte noch nicht die Hälfte der Düne erklommen, als sie bereits die Ursache für den Schatten erkannte. Am Horizont bewegte sich eine Wand aus Sand auf sie zu. Nur unbewusst verglich sie die Farbe des Sandsturms mit den groben Körnern zu ihren Füßen.

Dasselbe Zeug.

»Okay, dann bin ich wirklich am Arsch«, sprach sie gegen den zunehmenden Wind und die nun unangenehm werdenden Körner in der Luft. »Das scheint ja eine richtig große Wüste zu sein.«

Als sie den Kamm der Düne erreicht hatte, zupfte sie ihren dreckigen Umhang vor Mund und Nase und drückte die Augen zu noch engeren Schlitzen zusammen. Mit einer Hand hielt sie den Umhang, die andere trug die Waffe.

»Scheiße, bei einem Sandsturm ist das Ding so gut wie nutzlos. Da kannst du ja gleich versuchen, mit einem Pappmesser einen Tiger zu erstechen.«

Wie fast jeder Vergleich hinkte auch ihrer. Tatsache aber war, dass die Lasersichel – bei aller Energiestärke die sie besaß –, innerhalb eines Sandsturmes keine gute Waffe darstellte. Jedes einzelne Sandkorn würde sicherlich bei Kontakt mit der gebündelten Energie sofort schmelzen. Doch gegen eine Wand aus Myriaden Körnern kam auch dieses Wunder der Waffentechnologie nicht an. Bevor sie auch nur den Strahl gegen irgendeinen Gegner würde richten können, wäre seine Energie durch den Sand so abgeschwächt, dass nur noch ein laues Lüftchen am Ziel ankäme.

Mit einem Seufzen und vor Sand knirschenden Zähnen wechselte sie die Laserwaffe gegen ein höllisch scharfes Schwert.

Bérénice schätzte, dass der Sturm sie in weniger als einer Viertelstunde erreichen würde, vielleicht sogar schon früher.

Es ist verdammt schwer, Entfernungen zu bestimmen, wenn man keinen Bezugspunkt hat und der Horizont fast völlig aus einer zerfaserten Wand aus Sand besteht.

Sie drehte sich im Kreis und blieb nach nur einer halben Drehung wie angewurzelt stehen.

In weniger als 400, vielleicht 350 Metern Entfernung, raste eine Herde exotischer Tiere durch den Sand. Deren Fluchtweg würde knapp an ihr vorbeiführen, sollten sie die Richtung beibehalten. Diese Spezies hatte sie noch nie gesehen.

»Die Jungs lassen sich wirklich etwas einfallen.«

Die Tiere erinnerten grob an Giraffen, waren aber nur halb so groß und dunkler im Fell, das dicht und kurz die muskulösen Körper bedeckte. Acht Beine wirbelten im lauter werdenden Sausen des Windes mit fast nicht zu hörenden Schritten in einem grotesken Rhythmus über den Sand. Die Füße bestanden aus ovalen großen Plattfüßen, die verhinderten, dass die Tiere im Sand einsanken. Auf dem mannslangen Hals thronte ein bulliger Schädel, von dem eine Mähne dunkelbrauner, fast schwarzer Haare flatterte. Es mussten so an die 40 bis 50 Exemplare sein; nur wenige waren so klein wie Bérénice.

Im gleichen Augenblick, als die Trooperin den Entschluss fasste, eines der Tiere zu töten und als Deckung gegen den Sandsturm zu nutzen, sah sie den Button aus grell fluoreszierendem Orange aus dem Sand auftauchen.

»Der Wind hat dich freigelegt.«

Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren, rannte sie die Düne hinab. Es war die gleiche Sekunde, in der die verängstigte Herde die Richtung wechselte und nun kerzengerade auf sie zuraste.

»Was habe ich doch für ein Glück?!«

Sie dankte Gott für den groben Sand, der auch ihren kleinen Füßen genug Halt bot, und versuchte dabei, nicht zu stolpern und in ihr eigenes Schwert zu stürzen. Zwischen den einzelnen Sprüngen blickte sie abwechselnd von den Tieren auf die immer näher heranrollende Front des Sturms und zum verheißungsvoll blinkenden Button.

»Das wird verflucht knapp.«

Mit verzweifelten Sprüngen hastete sie über den tanzenden Sand. Mittlerweile bissen die Körner wie wütende Insekten in ihre Haut.

Dann traf sie auf das vorderste Tier. Sie hatte keine Chance zu einem tödlichen Streich. Denn das aufgeregte Tier erfasste schlagartig das blanke Entsetzen, als es so unvermittelt etwas sah, das nicht vor dem Sturm floh, sondern ihm entgegenlief. Dazu noch ein Wesen, das es bestimmt noch nie gesehen hat, dachte Bérénice. Mit erstaunlicher Eleganz fegte es nur um Haaresbreite an der Frau mit dem gezückten Schwert vorbei und raste die Düne hoch, die Bérénice gerade herabgekommen war.

Doch die Frau hatte nur einen Wimpernschlag Zeit, sich über das Weibchen zu wundern. Zumindest nahm sie an, dass nur Weibchen Zitzen besaßen. Denn dicht hinter der davonstiebenden Mutter stürzten zwei Jungtiere heran. Und ihr Reaktionsvermögen war noch nicht so entwickelt wie das ihrer Mutter. Eines prallte mit einem Bein an die Schulter der Frau, sodass Bérénice herumgewirbelt wurde. Doch das war ihr Glück, denn sonst hätte das zweite Tier sie schlicht in den Sand gestampft. Bérénice riss sich zusammen und schlitzte dem letzten Tier die Seite vom ersten bis zum vierten Beinansatz auf.

Die Reaktion des tödlich verletzten Achtbeiners war erstaunlich. Er stolperte nach links und wirbelte in einer Kreisbewegung herum, welche die Frau förmlich einschloss. Die anderen Tiere der Herde fegten vorbei und verschwanden zwischen den Dünen.

Bérénice versuchte, an dem tobenden Tier vorbei zu dem Button zu gelangen, aber sie hatte genug damit zu tun, den immer wilder um sich schlagenden Beinen des Jungtieres auszuweichen. Und als es plötzlich zusammenbrach, erreichte der Sandsturm einen Nachzügler der Herde. Das Tier war entweder krank oder alt, denn es befand sich noch über 150 Meter hinter der Herde. Als es von den vordersten Ausläufern des Sandes getroffen wurde, wich Bérénice das Blut aus dem Gesicht. Wie eine Fräse rasierten die Körner dem armen Tier das Fleisch von den Knochen. Innerhalb weniger Augenblicke vermischten sich Fleisch, Blut und Organe mit dem gnadenlosen Sand zu einer rotbraunen Masse.

Bérénice wartete keine einzige Sekunde mehr.

Push the button before you get killed!

Mit aller Kraft, die noch in ihr steckte, schoss sie auf den fluoreszierenden Punkt im braunen Chaos zu und drosch noch im Fallen ihre Rechte auf den Knopf.

Odyssee

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