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Die Religion

Anfang der Siebzigerjahre trat ich aus der evangelischen Kirche aus. Ich tat dies nicht, wie manche Freunde mutmaßten, um die Kirchensteuer zu sparen, sondern aus Überzeugung. Einer Organisation, der ich nie aus eigenem Willem beitrat und deren Inhalte mich nicht überzeugten, konnte und wollte ich nicht länger angehören. Es wäre unredlich, ein Glaubensbekenntnis herunterzuleiern, von dem ich kein Wort ernstnehmen kann.

Wenn ich mich in der Welt umschaue und überall das Elend sehe, wie soll ich da an einen gütigen Vater im Himmel glauben? Wie kann ein gerechter Gott Kriege dulden, in denen Menschen millionenfach abgeschlachtet werden? Wie konnte er es zulassen, dass unschuldige Menschen als Hexen verbrannt wurden? Wieso konnte ein Holocaust geschehen? Diese Liste könnte man lange fortführen. Hinzu kommen die Verfehlungen in den Kirchen: Vergewaltigungen und Grausamkeiten gegen anbefohlene Kinder geschahen nicht nur in der katholischen Kirche, auch in evangelischen Kinderheimen wurde teilweise schwer gesündigt. Ich lasse es nicht durchgehen, wenn es dann heißt, das sind eben menschliche Schwächen, die überall vorkommen. Nein, gerade für die Kirchen, die so absolutistisch und rechthaberisch auftreten, die von ihren Schäflein verlangen, gottesfürchtig zu leben und ihre Sünden zu bereuen, während ihr eigenes Personal sich an Kindern vergeht, darf es in meinem Verständnis keine Entschuldigung geben.

Ich kann auch wenig damit anfangen, wenn Leute mir erzählen, dass Gott, der Herr, ihnen aus großer Not geholfen habe, oder sie zu Erfolgen führte, weil sie dafür gebetet hätten. Was ist mit all denen, die ebenso inbrünstig beten und keine Hilfe bekommen? Pastor Bonhoeffer, zum Beispiel, war ganz bestimmt ein gottesfürchtiger und guter Mensch. Trotz seiner Gebete wurde er nicht gerettet, sondern von den Nazi-Schergen ermordet.

Dies ist meine ganz persönliche Meinung, ich will niemand von seinem Glauben abbringen. Doch manchmal wundere ich mich, dass Politiker eher zugeben, schwul zu sein, als sich zum Atheismus zu bekennen. Die Macht der beiden großen Kirchen in Deutschland scheint ungebrochen.

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