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Mit Hoppeditz in Lingens kleiner Kneipe

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Nach mehrjährigem Aufenthalt in der Rheinischen Metropole vom Bazillus Karneval heillos infiziert, war ich nach unserer Rückkehr in Lingen wild entschlossen, den Rheinischen Frohsinn auch hier zu verbreiten. Mit Jeckenkappe und Klatsche ausgerüstet, machten meine Frau und ich uns am Rosenmontagabend auf den Weg zu unserer kleinen Kneipe. Jung und übermütig stieß ich die Tür auf und aus vollem Herzen schmetterte ich mein „Helau – Helau – Helau“ in den Raum.

Betretenes Schweigen. Die vier Männer vor dem Tresen warfen ablehnende Blicke auf mich. Meine Frau ging hinter meinem Rücken in Deckung. Sie hatte mich gewarnt. Als gebürtige Lingenerin kannte sie die Mentalität ihrer Landsleute allzu gut. Einer brummte „Moin“. Danach drehten mir alle den Rücken zu. Der Wirt schob ein gefülltes Glas Bier über den Schanktisch. Er begrüßte mich mit kurzem Nicken.

Allen Mut zusammennehmend, jubelte ich noch einmal „Helau“. Gleichzeitig stellte ich mich zu den Männern an der Theke. „Köm und Pils für jeden“, bestellte ich. „Heute ist Rosenmontag und am Mittwoch ist sowieso alles vorbei“, setzte ich sarkastisch hinterher. „Deshalb Prost, Leute“. Immerhin zustimmendes Kopfnicken.

Einer fragte, woher ich wohl komme. Ich gab Antwort. „Un diene Fru?.“ Als er vernahm, dass sie Lingenerin sei, ging die Ausfragerei los. Es stellte sich heraus, dass mein Schwiegervater ein ehemaliger Kollege vom Eisenbahnausbesserungswerk war. Der Bann schien gebrochen und damit sich auch die gewünschte Stimmung einstellte, schob ich eine weitere Lage Köm und Pils nach.

Der Wirt begriff und schaltete das Radio mit dem damaligen NWDR ein. Schunkel- und Karnevalslieder erklangen, die so etwas wie Fastelovend- Stimmung in der emsländischen Kneipe verbreiteten und bewirkten, dass eine weitere Runde geschmissen wurde. Spendiert vom Ausfrager an der Theke. „Heidewitzka, Herr Kapitän.“ Einer wollte unbedingt mit meiner Frau tanzen. Ich hatte meine Zweifel, aber es ging gut. Emsländer vertragen eine Menge.

Kurz darauf erschien die Wirtin, bekannt wegen ihrer schmackhaften Küche. Sie fragte, ob Appetit auf frische Frikadellen vorläge. Und ob. Als sie gleich darauf mit der gehäuften Schüssel noch dampfender, leckerer Frikadellen zurückkehrte, fielen alle darüber her. Ein junger Frisörmeister und seine Frau schauten, angelockt vom Trubel der nach draußen drang, neugierig ins Lokal, um sich nach Ablegung der Garderobe sogleich ins tanzende Getümmel zu stürzen. Meine Frau war auch schon wieder vergeben.

So nach und nach gesellten sich weitere Nachtschwärmer zu uns. Der Wirt drehte die Lautstärke des Radios etwas höher. Jetzt ging die Sause erst richtig los. Musikalisch oder nicht, alles sang, tanzte und schunkelte. „Es war einmal ein treuer Husar “. Ich fühlte mich wieder in die Düsseldorfer Altstadt versetzt. Hoppeditz, die Symbolfigur des Rheinischen Karnevals, winkte über den Rhein.

Von einem Tisch wurde mit Konfetti und Luftschlangen geworfen. Und plötzlich lief einer Kopfstand zwischen den Tischen. Die Damen kreischten vor Vergnügen und belohnten unter viel Gelächter den Bodenakrobaten mit roten Herzen, die sie mit Hilfe ihrer Lippenstifte auf die frei liegenden Waden malten.

Es ging schon auf Mitternacht zu, als der Wirt noch einen draufsetzte und auf jeden Tisch eine Flasche Sekt stellte. Nun kochte die Stimmung über. „Polonaise!“, schrie eine Jeckin, die sich das Tablett vom Tresen geschnappt hatte und, darauf Takt schlagend, eine Schlange in Bewegung setzte. Die schob sich in engen Schleifen durch das Lokal. Man duzte sich, man küsste sich und jedermann war des anderen bester Freund. „Trink, trink, Brüderlein trink.“. Aber wie es im Leben so zugeht - alles geht einmal vorüber, und auch die tollste Fete findet irgendwann ihr Ende.

Im darauf folgenden Jahr hatte sich meine Karnevalseuphorie weitgehend verflüchtigt, hatte ich mich im neuen Umfeld akklimatisiert. Man sagt, die geographische Örtlichkeit prägt den Menschen. So liebt der Münchner seine Maß, der Rheinländer die Weinseligkeit und der Emsländer Köm und Pils. Zumindest war das so - damals, in den frühen Sechzigern.

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