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Sich eine Platte machen
Оглавление»Und, machst du ’ne Platte?«, fragte mich eine Freundin und Kollegin, nachdem ich ihr ein Lied schickte, das ich sang. Der Klang ihrer Antwort freute mich sehr: dass jemand »Platte« sagt und nicht CD oder »Tonträger« oder »Produkt«. Kein Wunder, die feine Frau ist, wie auch ich, vom Jahrgang 1961, der nicht nur beim Wein schmeckt. In dem Jahr haben wir die Mauer gebaut, also ich selbst jetzt nicht, am 13. August 1961 war ich erst 47 Tage alt, aber sogar im Säuglingsalter kann man bereits Akte der Zivilisation erleben, die man erst später als solche wahrzunehmen im Stande – oder sagt man klein- und zusammengeschrieben und also ohne den Stand, imstande ? – ist.
Mein Bargeld war alle, und so ging ich, weil ausschließlich Bargeld so lachen kann, wie eben nur Bargeld lacht, »Geld ziehen«, also in die sparkassitive Automatenwirtschaft, die man »Freiheit« nennen könnte, wenn man an die Bedeutung dieses schönen, großen Wortes keinen Gedanken zu verschwenden bereit wäre.
In der Geldabholestelle lagen drei Männer meines Alters auf dem Marmorboden, sie sahen äußerlich recht herabgesunken aus und dünsteten auch nicht bestens; der Anblick »dauerte mich«, wie das im Grimmschen Märchen heißt, in der Sprache derer, die immerhin das Wagnis zu unternehmen versuchen, auf dem vorgegebenen Weg in die Idiotie hin und wieder auf eine Art und Weise zu straucheln, die zu erleben und zu betrachten sich eventu- und spirituell lohnen könnte.
Die drei Herren hatten, wie man im Jargon der Obdachlosigkeit sagt, »Platte gemacht«, ich stand am »Spucki« genannten Geldspuckautomaten, sah, dass ich mehr hatte als ich brauchte und »zog Geld«, und dann gab ich den drei wahren Bohemiens Kaurismäkischer Prägung einen Zwanni, »ein Pfund«, wie der Berliner sagt, und bat die, wie meine Omma sie genannt hätte, Tippelbrüder, etwas zu ihrem und auch zu meinem Wohl zu trinken. Sie bedankten sich sehr. Ich ging, und draußen, in der unwirtlichen Straße, schämte ich mich, für die Welt und ihre Beschaffenheit und dafür, dass ich so wenig gegeben hatte.
Heimwärts lief ich, zur Schönen, um ihr zu berichten, die aber, bevor ich beginnen konnte, ganz ihrerseits über jemanden sagte: »Der macht sich da überhaupt keine Platte«, womit gesagt war, dass der Erwähnte sich keinen Kopf machte, keinen Gedanken, keine Birne, keinen Kösel, der also die höchste aller Lebenskünste beherrschte, aber bevor ich auch darüber noch hätte grübeln können, begann ich doch lieber zu kochen.