Читать книгу Der Ohrfeige nach - Wiglaf Droste - Страница 19
Schon wieder so ein Unwort, urggs...
ОглавлениеKann man mit dem Unfug des Wortes »Unwort« bitte aufhören? Und nicht mehr einmal per annum das »Unwort des Jahres« aus sich herausorrnanieren, jurygesättigt?
Am Anfang des Jahres 2014 wurde von der »Unwort des Jahres«-Jury die Vokabel »Sozialtourismus« als sprachlicher Gottseibeiuns auserwählt. Es gehört zu den Pflichten der aufklärungsverpflichteten Gedankenarbeiter, wenn sie denn solche sind, Hetze als solche zu benennen. Wenn man allerdings die Begründung der von einer Prof. Dr. Nina Janich angeführten »Sprecherin der unabhängigen Jury« liest, ahnt man, warum sozialdemokratischer Kitsch die Welt ungefähr um so vieles besser macht wie rechte Gewalt. Die Stammelei hat exakt diesen Wortlaut:
»Im letzten Jahr ist die Diskussion um erwünschte und nicht erwünschte Zuwanderung nach Deutschland wieder aktuell geworden. In diesem Zusammenhang wurde von einigen Politikern und Medien mit dem Ausdruck ›Sozialtourismus‹ gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht. Das Grundwort ›Tourismus‹ suggeriert in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit. Das Bestimmungswort ›Sozial‹ reduziert die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren. Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu. Der Ausdruck ›Sozialtourismus‹ reiht sich dabei in ein Netz weiterer Unwörter ein, die zusammen dazu dienen, diese Stimmung zu befördern: ›Armutszuwanderung‹ wird im Sinne von ›Einwanderung in die Sozialsysteme‹ ursprünglich diffamierend und nun zunehmend undifferenziert als vermeintlich sachlich-neutraler Ausdruck verwendet. Mit ›Freizügigkeitsmissbrauch‹ wird denjenigen, die die in der EU jetzt auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien garantierte Freizügigkeit nutzen, ein kriminelles Verhalten unterstellt. Der Ausdruck ›Sozialtourismus‹ treibt die Unterstellung einer böswilligen Absicht jedoch auf die Spitze.«
Unterzeichnet wurde der hanswurstdesgutenartige Schwall mit der Formulierung »Sprachkritische Aktion UNWORT DES JAHRES«; sowas muss man ja auch erstmal können.
Gesellschaft ist die Gesellschaft, in der man lebt, die man sich nicht ausgesucht hat, die man aber denkend, fühlend, handelnd schafft. Ich ziehe beispielsweise rumänische Akkordeonisten von exquisiter und jedes Klischee im äußersten Maß übererfüllender Öligkeit jedem Trottel und jeder Trottelin vor, die als unmusikalische Deutsche durchs Land trampeln oder, alteregoistisch, sich als Unwortdesjahresbessermenschen aufmandeln.