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Kunstmissbrauch in der SZ
ОглавлениеSeit gut 20 Jahren malt Ernst Kahl jeden Monat ein Bild für das Magazin Der Feinschmecker. Ich kaufe das Heft zwar nicht, nehme es aber am Kiosk in die Hand und blättere zu »Kahls Tafelspitzen«; es nicht zu tun, würde mich einer großen Freude berauben. Auf einem dieser Bilder ist ein Gourmand zu sehen, ein gieriger Vielfresser, der im Bett liegt, mit fieser Visage, Reißzähnen und Teufelshörnern, der Messer und Gabel schon umklammert hat, weil ihm das Frühstück gebracht wird. Es ist eins dieser schauderschönen, abgründigen Bilder, für die Kahl, ein Großmeister der komischen Malerei, von Kennern geliebt und von Angsthasen gefürchtet wird.
Am 2. Juli 2013 staunte Ernst Kahl nicht schlecht, als er per Telefonanruf davon erfuhr, dass genau dieses Bild in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt war, versehen mit der Bildunterschrift: »Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch. Peter Beinart beklagt, dass es dazu gekommen ist.« Was war passiert?
Auf der Seite »Das politische Buch« stand unter der Überschrift »Der Niedergang des liberalen Zionismus« eine Doppelrezension: Der Autor Heiko Flottau widmete sich Peter Beinarts »Die amerikanischen Juden und Israel. Was falsch läuft« und Werner Sonnes »Staatsraison? Wie Deutschland für Israels Sicherheit haftet«.
Und so, ohne jedes Zutun des Autors und ohne das des Malers Ernst Kahl, wurde aus Kahls Feinschmecker-Gierschlund die Karikatur eines raffgeilen Juden, ein antisemitisches Klischee par excellence. Kahl zeigte sich »entsetzt« und erklärte, dass die SZ über einen Vorrat seiner Bilder verfüge, aus dem sie sich immer wieder mal mit Illustrationen versorge. Er »wäre gern vorher gefragt worden. Dann hätte ich mit Sicherheit Nein gesagt«, sagte Kahl der Jüdischen Allgemeinen.
Wie man auf die Idee kommen kann, ein zauberhaftes Sudelblatt in einen Kontext zu stellen, der es als antisemitische Schmähschmiererei aussehen lässt, ist nicht begreiflich. Die verantwortliche Redakteurin Franziska Augstein, von der ich schon kluge Artikel las, fand zunächst nichts dabei; die SZ-Redaktion rang sich tags darauf dazu durch, einen »Fehler« einzugestehen und »Missverständnisse« zu bedauern.
Antisemitische Ressentiments sind ein zuverlässiges Depressivum. Man kann gegen sie nicht argumentieren, denn sie entspringen ja keiner Logik, und wer sie hegt, empfindet sie nicht als das, was sie sind. Ein Aggressivum dagegen ist es, einen solcher Ressentiments unverdächtigen Künstler in diesen Sumpf hineinzuziehen und ihn zu missbrauchen.
Der Journalismus wird, wenn dieser Kinderkomparativ gestattet sei, immer scheißer.