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Suhrkamp greige, Späti mauve

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»Eine Sinfonie in Greige-Tönen« wird in einer Zeitschrift für Lebensdesign versprochen. Greige? Was ist das?

Die Mischung aus grau und beige, erklärt mir die Freun­din, die mit innenarchitektonischem Firlefanz besser vertraut ist als ich es je sein werde oder möchte. Du kannst aber auch in mauve wohnen oder in taupe, sagt sie und lacht.

»Das klingt jetzt ein bisschen sehr schwul, oder?«, frage ich sie und zitiere Egon Friedells Diktum: »Ich verstehe nicht, wie man homosexuell sein kann. Das Normale ist doch schon unangenehm genug«, aber das gildet selbstverständlich nicht in einer Welt und einer Sprache, die nichts sein will als ihre eigene Fassade.

Es geht noch besser, sagt die Freundin: Die Firma Hermès, die man aber niemals profan eine Firma nennen dürfe, weil sie ja eine Marke sei, ein »brand«, bietet eine »Bibliothèque-Tapete« an, zwei Euro für einen Zentimeter, und für Bibliothèque mit e accent grave und que ist das doch quasi geschenkt.

Da hat sie Recht, und es gibt ja auch genügend Bücher, deren auf Tapete gedruckte Rücken in jedem Fall bessere Figur machen als sie selber. Und reicht es nicht, über Bücher zu sprechen und zu urteilen, wenn sie uns ihre Rücken gezeigt haben? Name des Autors und Titel, den Namen des möglichst berühmten Verlags nicht zu vergessen, mehr braucht es nicht, oder?

Denken Sie an Suhrkamp: eine Verlegerin in greige, die Bücher mauve oder taupe, das langt dicke für drei Jahre Feuilleton und für eine Generation Literaturwissenschaft. Bei einer »Langen Nacht der Literatur« traf ich diverse Schriftsteller, jüngere Männer Anfang bis Mitte dreißig, die allesamt vom selben Literaturdesigner betreut wurden, der ihnen samt und sonders nicht nur den identischen Bart Marke »verwegen für Angepasste« aufgeschwatzt oder verpasst hatte, sondern auch den gleichen nachtblauen Körperdunst, und alle sprachen sie ausschließlich darüber, wie man welchen Preis ergattern könne und welchen Juror man dafür kennen müsse.

Das passt so gut zur Bibliothèque-Tapete von Hermès wie die bei Suhrkamp erschienene Anthologie »Berlin bei Nacht«; der Verlag haut die nach Bierreklame klingende 264-seitige Sammlung zum Kampfpreis von 7 Euro 99 raus und präsentiert Autor_innen, die mit sexuell aber sowas von korrektem Unterstrich auf den Strich gehen oder die »sich eine Berliner Nacht zusammenbasteln« wollen, obwohl man Nächte nicht »basteln« kann, aber woher soll ein Literaturfunktionär das wissen? Immerhin: Bernd Cailloux ist mit einem schönen Text vertreten, und Freund Bittermann beschreibt trefflich kreuzbergspezifische Formen der Idiotie und des Elends.

Allein deshalb gehörte das Buch in die »Spätis« genannten Spätkaufläden. »Berlin bei Nacht«, zwei Billigpils dazu, macht ’nen Zehner, so ginge es doch, und in den Medienradauladen Suhrkamp könnte ein wenig Ruhe einkehren.

Auf dem Weg von einem Abend mit Freunden wurde ich von einem Nachbarn gestoppt, der draußen auf einer Bank vor einem Spätkauf saß und ein Glas klare Flüssigkeit mit Eis trank, die er mir als Gin Tonic vorstellte; ich möge ihm bitte Gesellschaft leisten, er werde mir auch so etwas Erfrischendes besorgen. Ich wollte ins Bett, doch der Nachbar ist ein liebenswürdiger Mann, und wenn er ein bisschen getrunken hat, beherrscht er alle Künste der charmanten Überredung. Also gut, auf ein Glas.

Eine Frau verließ den Spätkauf, sie trug zwei Flaschen Billigbier; der Nachbar, der sie offenbar kannte, lud auch sie zu einem Gin Tonic ein, und sie war dabei. Der späte Abend war mild, wir plauderten sutsche, die Frau verabschiedete sich und bedankte sich überschwänglich für das Getränk. »Ich habe meine letzten zwei Euro für das Bier hier ausgegeben«, stieß sie plötzlich hervor. »Und dabei bin ich Suhrkamp-Autorin.« Sie ging, sichtlich angezählt.

Schlagartig wurde mir klar, wie und warum das alles so ist mit der deutschen Hochkultur in mauve und in greige; allein die Bibliothèque-Tapete überzeugte nicht ganz.

Buchrücken alleine reichen eben doch nicht. Die Freun­din nahm mein neuestes Buch, das ich ihr gerade schenken wollte, las nur die Widmung, die einer anderen Frau galt als ihr, ließ das Buch zu Boden fallen und konstatierte: »Dein schlechtestes Buch. So miserabel hast du noch nie geschrieben.«

Angesichts dieser leider sehr souveränen und lustigen Reaktion wäre ich gerne schlagartig ertaupet, aber wenn man den Schischi einmal braucht, ist er naturgemäß nicht vorhanden. Soviel zum Gin des Lebens.

Der Ohrfeige nach

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