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|14|Ölhäfen im Landesinnern

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Menschen von der Waterkant reagieren immer wieder irritiert, wenn sie in süddeutschen Städten fern jeglichen schiffbaren Gewässers in einer Hafengasse landen.

In Köln am Rhein gibt es eine Hafengasse, die einst auf das Hafentor zuführte, vor dem die Hafenflächen gelegen waren. Auch in Ulm an der Donau und in Tübingen am Neckar gibt es jeweils eine Hafengasse. Doch die liegen mitten in der Altstadt, fern vom Flussufer, und daher wundern sich immer wieder aufs Neue fremde Menschen, wenn sie dort ein Straßenschild mit der Aufschrift „Hafengasse“ erblicken: Wo, bitte, ist denn hier ein Hafen?

Das Missverständnis besteht darin, dass man im mittleren und nördlichen Deutschland nur eine Art von Hafen kennt, und das ist der Schiffslandeplatz. Im Süden aber lebt der andere Hafen ungebrochen weiter, den es schon im Althochdeutschen als hafan gegeben hat, der jedoch im Schriftdeutschen dem Topf unterlegen ist.

Fischers Schwäbisches Wörterbuch gibt daran Martin Luther eine gewisse Mitschuld. Denn der verschmähte den Hafen. In seiner Bibelübersetzung ließ er die Kinder Israel den Fleischtöpfen Ägyptens nachweinen. Wäre er Schwabe gewesen, hätte er die Fleischhäfen bevorzugt und damit womöglich dem Hafen den Sieg über den Topf verschafft. Jedoch es hat nicht sollen sein. Schließlich muss man dankbar sein, dass seine Wiege nicht noch weiter nördlich stand, denn sonst hätten wir es heute in der Bibelstunde mit Fleischpötten zu tun.

In der Schriftsprache hat der Hafen nur als Glückshafen überlebt, der nicht mit dem Hafen der Ehe zu verwechseln ist. Der Begriff erinnert an die Zeiten, als man die Lose aus einem irdenen Hafen zog.

|15|Den Hafen und das Häfele gibt es aus unterschiedlichen Materialien, etwa als Blechhafen oder Keramikhafen, und zu den unterschiedlichsten Bestimmungen. Meist ist es der Inhalt, der zusammen mit dem Grundwort Hafen neue Begriffe bildet wie Milchhafen, Schmalzhafen oder Gsälzhafen. Auf diese Weise hatten die Schwaben vor Erfindung der Einwegflasche mehr Ölhäfen als die Saudis. Auch der Familienname Ölhafen kommt daher; er bezeichnete einen Ölhändler.

Häfen enthalten nicht immer nur Versorgungs-, sondern mitunter Entsorgungsgut, etwa der Seichhafen. Er wird auch gerne als Nachthafen bezeichnet, was nicht auf den Inhalt, sondern auf den Einsatz-Zeitraum zielt. Dieser Begriff wird auch gerne verwendet, um Vergleiche zu ziehen. So kann man sich unter einem „G’sicht wie an Nachthafe“ alles und nichts vorstellen. Nicht mehr im Realen, sondern nur noch in der Redewendung lebt der Schleckhafen fort. „Des isch fei koi Schleckhafe“ besagt, dass eine Tätigkeit alles andere als angenehm ist.

Ein Wort sucht man im Schwäbischen allerdings vergebens: den „Einhafen“, wie die korrekte Übersetzung von „Eintopf“ lauten müsste. Stattdessen behilft man sich halt mit dem Gaisburger Marsch.

Dem Schwaben sein Dativ

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