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|22|Das Geheimnis des Käsdrecks

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Im Neuschwäbischen gibt es das merkwürdige Wort Käsdreckzieherei. Es lässt an einen umgestürzten Fondue-Hafen denken, hat damit aber nichts zu tun.

„Dann gibt’s eine ewige Käsdreckzieherei, und am Ende profitieren nur die Anwälte davon.“ So spricht Notar Esslinger im Roman „Bienzle und die letzte Beichte“ resigniert zum Kommissar. Und in der 30. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg am 18. Juli 2002 im Kloster Bebenhausen sagte der Abgeordnete Claus Schmiedel (SPD) während einer Rede des Umwelt- und Verkehrsministers Ulrich Müller: „Das ist doch ein Käsdreck!“

Das sind zwei praktische Anwendungsbeispiele für das schwäbische Wort Käsdreck. Es ist insofern ungewöhnlich, als die Bestimmungswörter, die vor dem Grundwort Dreck stehen, üblicherweise dessen Verursacher nennen: Kuhdreck, Spatzendreck, Mausdreck.

Ausnahme ist der Scheißdreck, dessen zwei Wortbestandteile annähernd dasselbe ausdrücken, zur Verstärkung des Ausdrucks aber kombiniert sind. So etwas nennt man ein „Hendiadyoin“ (Eins vermittelst zwei). Sollte auch der Käsdreck ein Hendiadyoin sein? Schließlich gilt der Käse – ebenso wie der Dreck – häufig als Inbegriff des Wertlosen.

Zwar gibt es irgendwo in der Schwäbisch-Literatur einen Hinweis, wonach Käsdreck die Ablagerung an der Außenseite des Backsteinkäses sei. Aber das scheint eher der nachträgliche Versuch zu sein, einem bereits existierenden Wort einen Sinn zu geben. Fischers Schwäbisches Wörterbuch jedenfalls enthält nur im Nachtragsband einen Käsdreckmäurer (Spottname der Maurer), im Übrigen aber ist ihm der Käsdreck fremd, was darauf hindeuten könnte, dass dieses Wort eine Neuschöpfung ist.

|23|Es gibt in solchen Fällen aber auch noch eine andere Möglichkeit, nämlich die, dass ein altes Wort nicht mehr verstanden und deswegen umgedeutet wird. Und das wäre in diesem Falle das Wort Gêêsdreckzieherei. Gêês ist die Mehrzahl von Gââs, und das ist die Gans. Gêêsdreck ist der Gänsedreck, und dieses Wort gilt laut Fischer als – der Inbegriff des Wertlosen. Der Grund dafür geht aus folgendem Sprichwort hervor: „Der isch minder als der Gêêsdreck, und der sel dungt it.“

Der Umstand, dass dieser Geflügelmist nicht einmal zum Dünger taugt, gibt wiederum der Wendung „de Gêêsdreck ziehe“ ihren tieferen Sinn, der laut Fischer „vergebliche Arbeit tun“ bedeutet. Fischer nennt auch den Gêêsdreckzieher, und das ist ein Mensch, „der alles in die Länge zieht“ – ohne dass etwas dabei herauskommt, so möchte man hinzufügen.

Die Gêêsdreckzieherei ist bei Fischer zwar nicht erwähnt, dafür aber die Redewendung „Glaubsch du, i zieh lang de Gêêsdreck mit dir?“ (Glaubst du, ich streite lange mit dir herum?) Demnach wäre die Gêêsdreckzieherei ein langer fruchtloser Streit, von dem, wie Notar Esslinger sehr richtig zu Bienzle bemerkte, nur die Anwälte profitieren.

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