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1. Das tatsächliche Vorliegen des Verwaltungsakts

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§ 42 verlangt nach seinem eindeutigen Wortlaut das tatsächliche Vorliegen eines Verwaltungsakts. Die bloße Behauptung seiner Existenz genügt nicht[3] (vgl oben Rn 73). Der Gesetzgeber vermag aber das Vorliegen eines Verwaltungsakts zu fingieren (fingierter oder fiktiver Verwaltungsakt)[4]. Als rechtlich existent zu behandeln ist deshalb auch eine fingierte Genehmigung (so zutreffend Hufen, § 14, Rn 10). Von einer solchen gehen vielfach neuere Bauordnungen im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Baugenehmigungsverfahrens aus (vgl hierzu mwN Kopp/Schenke-W. Schenke, Anh. § 42, Rn 24). ZB gilt uU eine Baugenehmigung als erteilt, wenn über einen Bauantrag nicht innerhalb einer bestimmten Frist entschieden worden ist (vgl § 65 Abs. 4 RhPfLBO; s. zum verschiedentlich vorgesehenen Genehmigungsfreistellungsverfahren unten Rn 558). Zum Erlass von Verwaltungsakten durch automatische Einrichtungen s. Rn 207.

Kein Verwaltungsakt (Nichtverwaltungsakt) ist dagegen dann gegeben, wenn eine von einer Behörde beabsichtigte Regelung noch gar nicht nach außen bekannt gegeben wurde und somit nur ein Verwaltungsinternum darstellt (vgl zu einem anderen Fall eines Nichtverwaltungsakts auch Rn 209). Von einem Verwaltungsakt ist aber wiederum auszugehen, wenn eine Regelung mit Drittwirkung nur einem der Betroffenen bekannt gegeben wurde. Dies genügt bereits für dessen äußere Wirksamkeit. Für einen Verwaltungsakt iSd § 42 ist auch nicht essenziell, dass der Kläger formal Adressat des Verwaltungsakts ist. Deshalb kann zB ein Nachbar eine Baugenehmigung anfechten, die nicht an ihn adressiert ist und die von der Behörde nur dem Bauherrn (und ggf weiteren Dritten), nicht aber ihm mitgeteilt worden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass er nach § 42 Abs. 2 klagebefugt ist (vgl Rn 519 ff). Selbst wenn der Verwaltungsakt nicht in die Rechtssphäre Dritter eingreift und diese daher nicht klagebefugt sind, bleibt er dennoch auch im Verhältnis zu diesen ein Verwaltungsakt (vgl Rn 229 und Rn 242). Es gibt also keine relativen Verwaltungsakte (Gärditz/Gärditz, § 42, Rn 4; Koehl, BayVBl. 2003, 331, 332) und auch keine Verwaltungsakte mit Doppelnatur (str; s. hierzu auch Rn 228 und Rn 535 sowie R.P. Schenke, VerwArch. Bd. 104 (2013), 486 ff und Kopp/Schenke-W. Schenke, Anh. § 42, Rn 8 ff).

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Ohne Bedeutung für das Vorliegen eines Verwaltungsakts ist, ob dieser rechtswirksam oder nichtig ist. Das wird durch § 43 Abs. 2 S. 2 bestätigt, der von der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage auch gegenüber nichtigen Verwaltungsakten ausgeht. Auf diese Weise wird ua vermieden, dass der Kläger bei der Wahl der statthaften Klageart die oft schwierige Frage beantworten muss, ob ein rechtswidriger Verwaltungsakt bereits nichtig ist. Die Anfechtung eines nichtigen Verwaltungsakts führt nach hM zur gerichtlichen Aufhebung des nichtigen Verwaltungsakts[5] und nicht – wie zT vertreten – nur zur gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit. Letzteres stünde im Widerspruch zu Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 43 (vgl BT-Drucks. 3/55, Anl. 1, S. 33). Daraus folgt, dass nichtige Verwaltungsakte ua Gegenstand einer Gestaltungsklage sein können; bei der hierfür (bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist) einzig in Betracht kommenden Anfechtungsklage ist aber nach § 113 Abs. 1 S. 1 eine Gestaltung durch Aufhebung des Verwaltungsakts vorgesehen. Dem entspricht, dass nichtige Verwaltungsakte richtigerweise auch verwaltungsbehördlich gem. § 48 VwVfG aufgehoben werden können[6]. Davon geht auch § 46 VwVfG aus. Aus § 43 Abs. 2 VwVfG lässt sich entgegen Hufen (§ 14, Rn 11) nichts Gegenteiliges ableiten, denn zum einen hat § 43 Abs. 2 VwVfG nicht die Aufhebung eines Verwaltungsakts zum Gegenstand, zum anderen bezieht er sich (s. § 43 Abs. 3 VwVfG) ohnehin nicht auf nichtige Verwaltungsakte. Ließe man eine verwaltungsgerichtliche Aufhebung angefochtener nichtiger Verwaltungsakte nicht zu, so wäre das Gericht konsequenterweise gezwungen, bei einem subjektive Rechte verletzenden Verwaltungsakt stets zu prüfen, ob dieser Verwaltungsakt nichtig ist. Träfe dies zu, müsste es gem. § 86 Abs. 3 anregen, den Aufhebungsantrag des Klägers auf einen Feststellungsantrag umzustellen. Zudem käme die Gegenmeinung zu dem nicht überzeugenden Ergebnis, dass der Rechtsschutz gegen einen nichtigen Verwaltungsakt schwächer ausfiele als der Rechtsschutz gegen einen rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt. Das die Nichtigkeit feststellende Feststellungsurteil entfaltet nämlich Wirkung nur zwischen den Parteien (inter partes), während das den Verwaltungsakt aufhebende Gestaltungsurteil inter omnes wirkt (Ehlers, Jura 2004, 30, 32). Die Behauptung, etwas rechtlich nicht Existierendes könne nicht rechtgestaltend aufgehoben werden (so Hufen, § 14, Rn 11), überzeugt nicht, weil der Gesetzgeber selbstverständlich nicht gehindert ist, aus den oben aufgezeigten teleologischen Gründen die Aufhebung eines nichtigen Verwaltungsakts wegen des von ihm ausgehenden Rechtsscheins zu fingieren, wie durch § 43 Abs. 2 S. 2 geschehen (s. auch Schnapp, DVBl. 2000, 247, 249 f).

§ 5 Die Anfechtungsklage › II. Der Verwaltungsakt als Gegenstand der Anfechtungsklage › 2. Die Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts

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