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bb) Die Behörde

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Urheber der Verwaltungsmaßnahme muss grds. eine Behörde sein. Als Behörde ist gem. § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle anzusehen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Stelle muss die Maßnahmen dabei gerade in ihrer Eigenschaft als Behörde treffen. Keine Behörden iSd § 35 VwVfG sind staatliche Stellen, soweit sie Aufgaben privatrechtlich wahrnehmen oder gesetzgeberisch, staatsleitend oder rechtsprechend tätig werden. Nach § 35a VwVfG, der durch G. v. 18.7.2016 (BGBl I S. 1679) neu erlassen wurde und durch § 24 Abs. 1 S. 3 VwVfG ergänzt wird, kann ein Verwaltungsakt nunmehr auch vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen werden, sofern dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht[9]. Fehlt es an diesen Voraussetzungen liegt dennoch ein grundsätzlich rechtswirksamer Verwaltungsakt vor. Allerdings ist dieser rechtwidrig (Kopp/Schenke-W. Schenke, Anh. § 42, Rn 91). Seine Aufhebung wegen des ihm anhaftenden Verfahrensfehlers kann jedoch gem. § 46 VwVfG ausgeschlossen sein (Martini/Nink, DVBl. 2018, 503, 517).

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Das Parlament ist beim Erlass von Gesetzen oder bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang hiermit stehen (zB einer parlamentarischen Anhörung in Verbindung mit einem Gesetzgebungsverfahren oder aber parlamentarischen Handlungen, die sich schwerpunktmäßig auf die legislatorische Tätigkeit auswirken, wie etwa die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten) nicht als Behörde anzusehen. Im Hinblick auf den staatsleitenden Charakter der Auflösung des Bundestags durch den Bundespräsidenten bzw die Anordnung eines Wahltermins kann auch hierin kein Verwaltungsakt gesehen werden. Dagegen steht § 1 Abs. 4 VwVfG der Qualifikation einer durch die Verwaltung vorgenommenen Eintragung in das Wählerverzeichnis als Verwaltungsakt nicht im Wege (s.a. Rn 217)[10]. Zu beachten ist überdies, dass auch oberste Staatsorgane wie das Parlament oder der Bundespräsident ausnahmsweise funktionell Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und insoweit als Behörden iSd § 35 VwVfG handeln können, so zB der Bundestagspräsident bei der Ausübung der Polizeigewalt im Bundestag oder der Diensthoheit über die Bundestagsbeamten[11]. Als Behörde iSd § 1 Abs. 4 VwVfG ist ferner der Bundespräsident bei der Ernennung eines Beamten gem. Art. 60 Abs. 1 GG anzusehen. Auch Gerichte sind Behörden, soweit sie Maßnahmen tätigen, die keine in persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit vorgenommenen materiellen Rechtsprechungsakte sind. Allerdings stellen solche Handlungen häufig Justizverwaltungsakte dar, für die der Verwaltungsrechtsweg durch die spezielle Rechtswegzuweisung des § 23 EGGVG ausgeschlossen ist.

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Eine Maßnahme einer Behörde liegt auch dann vor, wenn ein mit Hoheitsgewalt beliehener Privater eine hoheitliche Maßnahme vornimmt, zB der TÜV bei der Verleihung der TÜV-Plakette. Soweit sich jedoch eine nicht mit Hoheitsgewalt betraute Privatperson hoheitliche Befugnisse anmaßt („Hauptmann von Köpenick“), fehlt es am Handeln einer Behörde, sodass insoweit ein Nichtverwaltungsakt vorliegt[12].

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In Zusammenhang mit dem Merkmal „Maßnahme, die eine Behörde … trifft“ steht auch, dass die Maßnahme einseitig erfolgen muss. Das Kriterium der Einseitigkeit dient insbesondere der Abgrenzung zu zweiseitigen Regelungen wie einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54 ff VwVfG), bei dem die Regelung nicht allein durch die Behörde, sondern durch die gleichgeordneten Vertragspartner gemeinsam erfolgt.

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Schwierigkeiten bereitet vor allem die Abgrenzung zwischen einem sog. mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, der durch die Behörde nur auf Antrag des Bürgers vorgenommen wird, und einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. Letzterer ist um so eher in Betracht zu ziehen, je mehr der Betroffene auf den Inhalt der Regelung Einfluss zu nehmen vermag und sich nicht lediglich der durch die Behörde getroffenen Regelung unterwirft.

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Keinen Verwaltungsakt stellt die Aufrechnung mit einer öffentlich-rechtlichen Forderung dar. Das trifft unbestreitbar zu, wenn sie durch einen Bürger erfolgt (keine Behörde iSd § 1 Abs. 4 VwVfG). Gleiches gilt aber grundsätzlich – sofern nicht zusätzliche gegenteilige Anhaltspunkte im Einzelfall vorliegen (vgl zB BayVGH, BayVBl. 1995, 565 f) – auch für die Aufrechnung durch einen Hoheitsträger. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum der Hoheitsträger in den Fällen der fehlerhaften Aufrechnung durch die grundsätzliche Wirksamkeit des Verwaltungsakts (§ 44 VwVfG) und die Möglichkeit der Bestandskraft privilegiert werden sollte. Der Hoheitsträger handelt daher bei der Aufrechnung – prinzipiell – nicht als Behörde iSd § 1 Abs. 4 VwVfG. Die Aufrechnung ist vielmehr als eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu qualifizieren, auf welche die Vorschriften der §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind[13].

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