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b) Maßgeblichkeit von Inhalt oder Form des Verwaltungshandelns
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Nach der Definition des Verwaltungsaktsbegriffs ist der Inhalt einer Regelung[61], nicht hingegen deren Form maßgeblich. Daran ändert sich selbstverständlich auch dann nichts, wenn – wie dies nicht selten zutrifft – die Form einer Maßnahme zugleich deren Inhalt beeinflusst oder die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Form des Handelns zugleich auch eine Aussage über dessen Rechtsnatur beinhaltet (s. auch Rn 226 f).
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Beispiele:
Auch wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass eine Wasserschutzanordnung eine Rechtsverordnung darstellt, liegt dennoch ein Verwaltungsakt vor, wenn die Wasserschutzanordnung nicht in der für Rechtsverordnungen üblichen Form, sondern durch eine Einzelbekanntmachung gegenüber dem Grundstückseigentümer erlassen worden ist (so zu Recht BVerwGE 18, 1 ff). Rechtmäßigkeit und Rechtsnatur einer Maßnahme müssen dabei strikt voneinander getrennt werden (s. oben Rn 128). Ebenso ist gem. § 79 Abs. 1 Nr 1 ein Verwaltungsakt dann gegeben, wenn die Widerspruchsbehörde eine angegriffene Maßnahme fälschlich als Verwaltungsakt qualifiziert und einen Widerspruchsbescheid erlässt (BVerwG, Buchholz 310 § 79 Nr 23).
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Erwägenswert ist allenfalls, ob bei einer Divergenz zwischen Form und Inhalt staatlichen Verwaltungshandelns nicht nur der Rechtsschutz gegeben ist, der nach dem Inhalt der Maßnahme einschlägig ist, sondern auch – in Anlehnung an die im Rechtsmittelrecht vertretene Theorie der Meistbegünstigung (zu dieser näher unten Rn 1225 ff) – der Rechtsschutz, der bei einem Abstellen auf die Form der Maßnahme einschlägig wäre[62]. Einer solchen Anknüpfung an den durch die Verwaltung erzeugten Rechtsschein stehen aber angesichts der für das Rechtsschutzsystem der VwGO typischen Verzahnung von materiellem Recht und Prozessrecht unüberwindbare Schwierigkeiten entgegen. Was die materiellrechtlichen Fehlerfolgen angeht, bestehen nämlich zwischen Verwaltungsakten, Realakten, innerbetrieblichen Maßnahmen und Rechtsnormen grundsätzliche Unterschiede, die es (anders als bei fehlerhaften gerichtlichen Entscheidungen) verbieten, den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz sowohl am Inhalt als auch an der Form des Verwaltungshandelns zu orientieren (s. auch iVm § 47 unten Rn 953). So sind beispielsweise rechtswidrige Verwaltungsakte grundsätzlich rechtswirksam, rechtswidrige Normen hingegen nichtig. Dem Rechtsschein, der durch eine fehlerhafte Handlungsform hervorgerufen wird, kann im Rahmen einer gerichtlichen Kostenentscheidung gem. § 155 Abs. 4 Rechnung getragen werden. Soweit bei einer Anknüpfung an den Inhalt einer Maßnahme kein Rechtsschutz gegeben ist, weil andere Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlen (zB – mangels subjektivrechtlicher Relevanz – die Klagebefugnis), wäre im Übrigen selbst unter Zugrundelegung der Meistbegünstigungstheorie verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz abzulehnen. Auch deren Anhänger lehnen nämlich die Einräumung gerichtlichen Rechtsschutzes dann ab, wenn bei einer zutreffenden, dem Inhalt der Entscheidung entsprechenden Form des Handelns gegen dieses kein Rechtsschutz eröffnet wäre.
§ 5 Die Anfechtungsklage › II. Der Verwaltungsakt als Gegenstand der Anfechtungsklage › 3. Der Gegenstand der Anfechtungsklage bei vorheriger Durchführung eines Widerspruchsverfahrens