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1. Oktober 1990
ОглавлениеDie USA drängen sich der westlichen Welt als Söldner auf, sagte Bolívar. Sie wollen den Krieg und haben nun wenigstens den Kriegszustand.
Panik an der Börse von Tokio. Die Kurse halbiert im Vergleich zum Jahresbeginn.
Zum ersten Mal Schüsse bei einer PDS-Veranstaltung.
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BVG-Urteil zum Wahlgesetz. – Parteien der DDR müssten dort 23,75 Prozent der Stimmen erhalten, um insgesamt über die 5-Prozent-Hürde zu gelangen. Bundesdeutsche Parteien, die einzig im Bundesgebiet kandidieren würden, bräuchten stattdessen nur 6 statt wie bisher 5 Prozent. Das wäre als Ungleichbehandlung anfechtbar. Die FAZ (Fromme) sauer auf das Verfassungsgericht.
Vorbesprechung der Volks-Universität 1991. – Ina Merkel gegen das Deutschland-Thema. Die DDR-Bürger wollten endlich etwas über die weite Welt wissen. Weder Nabelschau noch deutsche Selbstablehnung. Ina kicherte fortwährend, aber es lauerten Tränen.
Bis zur körperlichen Attacke soll André Brie, gegen den »Revisionismus« seines Vaters wütend, gegangen sein. Ehedem Kampfgruppenführer. Michael erwähnte es, als ich von den bitter herabgezogenen Mundwinkeln seines Bruders sprach.
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Unendlich schwierig und sehr notwendig, gerade jetzt als Linker die Widersprüchlichkeit der Situation zu denken. Von Eckart Spoo einen Rundbrief, worin er einseitig richtige Äußerungen von Steinkühler zitiert, die er entgegengesetzt einseitig richtig kritisiert. – Steinkühler schreibt in Metall, die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober biete der Menschheit »eine neue, vielleicht sogar eine allerletzte Chance«. – Spoo: »Gesamtdeutschland als letzte Chance der Menschheit? Geht es nicht eine Nummer kleiner?« – Steinkühler näher an der Wahrheit. Jetzt ist Weltinnenpolitik möglich geworden, ohne dass im mindesten sicher wäre, dass wir nicht nur westlichen Imperialismus-der-Sieger bekommen. Aber die deutsche Vereinigung ist ja nur Ausdruck einer globalen Änderung, die der Menschheit tatsächlich eine letzte Bewährungsprobe einräumt.