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Suche nach dem Selbstobjekt

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Narzisstisch gestörte Menschen bringen in Beratung oder Therapie die Bereitschaft mit, den Helfer ihrem Selbstgefühl einzuverleiben. »Selbstobjekt« ist ein brauchbares, aber in seinem Nutzen auch begrenztes Wort. Seine Erscheinungen im Alltag sind ersehnte Märchenprinzen oder hingebungsvolle Geishas, sind vollkommene Mütter oder Väter, Brüder oder Schwestern, zu denen alle Grenzen aufgehoben werden, sind makellose Chefs und begnadete Künstler. »Rein genau« nennt der Dichter diese Gefühle und setzt hinzu: »Du warst in abgelebten Zeiten/meine Schwester oder meine Frau!« Wer mit einem solchen Selbstobjekt verschmilzt, kann hoffen, alle seine Selbstgefühlsnöte zu überwinden. Diese Verschmelzung wird ersehnt und gefürchtet, denn wer sie eingeht, muss mit einer Zerstörung seines Selbstgefühls rechnen, wenn das Unternehmen nicht gut geht. Das Selbstobjekt muss idealisiert bleiben, es muss dauerhaft mit Gefühlen der Verliebtheit besetzt sein, sonst ist das Selbstgefühl bedroht.

Freud hat in seinen Brautbriefen Heinrich Heine zitiert, der in einem Gedicht von dem fiktiven arabischen Stamm der Asa spricht, »welche sterben, wenn sie lieben«. Auch seine Liebe sei von dieser Beschaffenheit. Dahinter steht ein in Europa (anders als in Asien oder Afrika) verwurzeltes Modell der idealen Liebe. Es ist im höfischen Mittelalter entstanden und wurde in den ideologischen Hintergrund der bürgerlichen Ehe aufgenommen.

Sowohl die Verliebtheit (als Fantasie der Erfüllung der Sehnsucht nach dem Selbstobjekt) als auch die mit dem Verlust eines idealisierten Menschen verbundenen Ängste und Schmerzen teilen Helfer und Schützling. Da wir alle von traumatischen Erfahrungen geprägt sind und unsere Möglichkeiten, sie zu verarbeiten, durch die Ausbildung zum Psychotherapeuten vielleicht reflektiert, aber keineswegs perfektioniert werden können, gibt es oft Fälle, in denen ein Klient Reifungsschritte vollzogen hat, die seinem Therapeuten nicht gelungen sind – beispielsweise eine Familiengründung.

Statt sich einzugestehen, dass der Kranke Stärken haben muss, die ihm selbst fehlen, kann der selbst von Perfektionismus beeinträchtigte Therapeut davon abhängig werden, dass der Klient sich selbst entwertet, um ihn aufzuwerten. Er kann dann Regressionsneigungen des Kranken nicht erkennen und angemessen auf diese reagieren. Die Sehnsucht nach Selbstobjekten teilen alle Menschen. Was die narzisstische Störung von der reifen Persönlichkeit unterscheidet, ist ihre Unfähigkeit, die Enttäuschung dieser Sehnsucht zu verarbeiten, in ihr handlungsfähig zu bleiben, sich entweder das einst idealisierte Liebesobjekt im Alltag zu bewahren oder ein neues zu idealisieren. Wer mit den Kränkungen im Zusammenhang mit dieser Sehnsucht nach dem Selbstobjekt umgehen kann, zieht vor allem seinen Körper und seine vitalen Triebe zu Rate. Er fühlt sich in andere Personen ein und orientiert sich an der sozialen Realität. So wird die Erfahrung ertragen, dass sich Gegenstände unserer Verliebtheit verändern. Sie sind weder so, wie wir sie haben möchten, noch werden sie so, wie wir sie erziehen wollen. Dennoch können sie mit uns in einen liebevollen Austausch treten.

Narzisstisch gestörte Menschen ertragen es nicht, wenn sich eine idealisierte Beziehung verändert. Sie fühlen sich massiv bedroht und vermögen dann oft nicht mehr, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen – zu mächtig sind ihre Bedürfnisse, sich für eine Kränkung zu rächen, die Veränderung eines Selbstobjekts auszulöschen. Ihre Perspektive ist verengt: Die (der) oder keine (keiner). Der gesunde Narzissmus räumt der zweiten Liebe eine bessere Chance ein als der ersten: Man hat doch aus deren Scheitern gelernt.

Hier einige typische Wege, mit der Problematik der Selbstobjektbeziehung umzugehen.

Narzisstische Störungen

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