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Nur Leistung zählt

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So muss sich beispielsweise ein Student vor einer Prüfung seine Leistungsfähigkeit beweisen, indem er pausenlos bis zur völligen Erschöpfung lernt. Das Gegenstück dieser Störung ist dann die Lernhemmung: Er kann alles andere leisten, aber sich nicht auf das Examen vorbereiten. Was er vollendet, muss einen so hohen Anspruch befriedigen, dass die narzisstischen Bedürfnisse die vernünftige Planung überrennen. Wenn er jeden Tag ein Stück machen würde, müsste er es am Abend wieder auflösen, wie es Penelope mit ihrem Schleier tat. Dieser kleine, mickrige, erbärmliche Fetzen von etwas, das doch ganz und groß und ganz groß sein muss, hat kein Recht, bestehen zu bleiben. Ihn in seinem Recht zu belassen, ihn ruhen zu lassen und am nächsten Tag ein kleines Stück weiterzuarbeiten, würde bedeuten, ein für alle Mal die Fantasie aufzugeben, dass blitzschnell etwas Großes entsteht, etwas Vollendetes geschaffen werden wird.

Sehr oft sind diese Größenfantasien gar nicht mehr auffindbar. Sie zeigen sich nur in einer immensen, unrealistischen Schärfe der Kritik. »Ich will beileibe nichts Großartiges machen«, sagt der Gestörte dann. »Wie kommst du auf diesen absurden Gedanken? Ich will nur eine ganz normale Leistung von erträglichem Durchschnitt abliefern, gar nichts besonderes!« Dann empfiehlt es sich oft, in seinen Papierkorb zu sehen. Dort finden sich dann die normalen, die durchschnittlichen Leistungen, die er keinem fremden Urteil zumuten will. Er hat das Gefühl, ersticken zu müssen, wenn er nicht alles auf einmal schafft, das ganze Feld in einem einzigen Atemzug, ohne abzusetzen, Tag und Nacht. In dieser rastlosen Arbeit kann er die Zweifel und Bedenken zum Verstummen bringen, die ihn quälend überfallen, wenn er zwischendurch ausrasten, sich etwas Schönes gönnen, die verdiente Ruhe mit Freude und Entspannung füllen möchte.

Wenn es solchen Personen doch gelingt, die Examensarbeit, an der andere ein Jahr schreiben, in zwei Wochen aufs Papier zu werfen und völlig übernächtigt beim letztmöglichen Termin das ausgedruckte Exemplar abzuliefern, sehen wir einen geschlagenen, geplagten Menschen. Es fällt uns nicht leicht, den narzisstischen Triumph zu erkennen, der mit dieser Aktion verknüpft ist. Aber manchmal finden wir ihn doch – etwa, wenn der Betroffene sein Haupt über die Arbeit eines Konkurrenten schüttelt. Dafür hat dieser Mensch ein volles Jahr gebraucht! Seine eigene Arbeit ist nicht viel besser. Aber das liegt daran, dass er sie in vierzehn Tagen hingehauen hat. Wenn er sich das Jahr Zeit hätte nehmen können, wenn nicht soviel dazwischen gekommen wäre, ja dann …

Die gegenwärtig wohl häufigste und unauffälligste Form der Abwehr narzisstischer Verwundungen ist eine Fixierung auf Leistung ohne Rücksicht auf andere Bedürfnisse. Wer arbeitet und etwas voranbringt, der kommt auf keine »dummen« Gedanken, er muss nicht über den Sinn des Ganzen nachdenken. Es gibt durchaus Fälle, in denen Menschen pausenlos arbeiten, ohne sich zu schaden. Ob ein Zustand schließlich als schöpferische Inspiration, konstruktive Überzeugung vom Sinn des eigenen Tuns oder manische Abwehr und Arbeitssucht zu beurteilen ist, hängt nicht davon ab, was wir in einzelnen Situationen beobachten können, sondern wie stabil und produktiv die Betroffenen handeln.

Narzisstische Störungen

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