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Corporativismo all’italiana

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Im italienischen Faschismus bildete sich eine eigenständige Variante der planwirtschaftlichen Organisationsform heraus. 1920 hatte der nationalistische Kriegstreiber und Dichter Gabriele D’Annunzio, Principe di Montenevoso, in der von seinen Legionären besetzten Hafenstadt Fiume (heute Rijeka) die «Carta del Carnero» verkündet, die eine Art protofaschistische Gründungsakte des italienischen Korporatismus war. Diese Verfassung trug die unverkennbare Handschrift des Utopisten Alceste De Ambris. Dieser Weggefährte D’Annunzios war weder ein Parteigänger Mussolinis noch ein Angehöriger der konservativen Militärs, sondern ein Anarchosyndikalist. Die Verfassung für das neue, kurzlebige Staatsgebilde Carnero im heutigen Kroatien wurde von Mussolini zwar verworfen, weil sie zu viel liberales, sozialistisches und anarchistisches Gedankengut enthielt. Einzelne Strukturelemente, die sich auf den Korporatismus bezogen, wurden jedoch vom faschistischen Regime vereinnahmt. D’Annunzio hatte neun Korporationen für einzelne Berufsgattungen wie Arbeiter, Arbeitgeber, Kader, Lehrer, Studenten, Seeleute und Künstler geplant. Eine zehnte Korporation war für den «neuen Menschen» vorgesehen. Inhaltliche Merkmale dieser auf die Zukunftsfiktion ausgerichteten Korporation hatten D’Annunzio und De Ambris aber wohlweislich offen gelassen.

Der Kulturphilosoph Julius Evola, ein Vordenker des italienischen Faschismus, fand für den Korporatismus folgende Worte: «Der Geist des Korporativismus (das politische Bestreben, den Staat durch Schaffung von berufsständischen Verbänden zu erneuern), war im Wesentlichen der einer Arbeitsgemeinschaft und einer schöpferischen Solidarität, deren feste Angelpunkte die Prinzipien der Sachkenntnis, der Qualifikation und der natürlichen Hierarchie waren, wobei sich das Ganze durch aktives Über-der-Person-Stehen, Selbstlosigkeit und Würde auszeichnete.»[29]

Anfang der Zwanzigerjahre war die italienische Wirtschaft infolge des Ersten Weltkriegs am Boden. Die geringen Weltmarktpreise liessen den Export von Landwirtschaftsprodukten verkümmern, die italienische Lira sank zusehends und die Inflation galoppierte. Die zwangsläufige Folge war eine drastische Erhöhung der Lebenskosten. Der 1922 von Mussolini gegründete «Partito Nazionale Fascista (PNF)» (Nationale Faschistische Partei) veranlasste eine Reihe von drastischen Massnahmen zur Erhöhung der Produktion, zur Förderung des Binnenkonsums und zur Stützung der Währung. Zu diesem Massnahmenpaket gehörte die «Bonifica integrale» genannte Urbarmachung von landwirtschaftlich ungenutzten Gegenden wie die pontinischen Sümpfe südlich von Rom und die toskanische Maremma, Düngemittelsubventionen und die Mechanisierung der Landwirtschaft. Die gesamte italienische Wirtschaft wurde in 22 Korporationen aufgesplittert, die von der übergeordneten «Camera dei Fasci e delle Corporazioni» vertreten werden mussten. Damit entstand eine bürokratisch aufgeblähte staatsmonopolistische Plangesellschaft, die eine Einheitsgewerkschaft im Rücken hatte. Anleihen für diesen vermeintlich modernen Kapitalismus fand Mussolini beim brasilianischen Diktator Getúlio Vargas, der 1930 die Macht durch einen Militärputsch an sich gerissen hatte und das Land mit eiserner Faust regierte.[30] Die Grundidee des Korporatismus war zwar in der nationalistischen Tradition Italiens verwurzelt, wurde aber auch mit den ehemals sozialistischen Überzeugungen Mussolinis verquickt, der sich des Eigenverständnisses und der Rolle der sozialen Klassen bewusst war und diese dem Wohl des Nationalstaats gewaltsam unterordnen wollte.

Mussolini reduzierte den Korporatismus auf eine für ihn typische, holzschnittartige Definition: «Der Faschismus sollte Korporatismus heissen, weil er die perfekte Verschmelzung der Macht der Regierung und der Konzerne ist.»[31] Er gab sich der Illusion hin, alle Unzulänglichkeiten des Kapitalismus durch staatlich gelenkte Körperschaften korrigieren zu können und somit den kommunistischen Tendenzen der Arbeiterschaft eine einzigartige, machtvolle Alternative entgegenzusetzen. Der Korporatismus sollte den konfliktreichen, marxistisch motivierten Klassenkampf verhindern und ihn durch friedliche Verhandlungen zwischen den Korporationen ersetzen. Der fatale Irrtum dieser ideologisch verbrämten Idee war die Überzeugung, dass alle Bürger des Landes gemeinsame Interessen und Anliegen hätten und sich somit für das Gemeinwohl geschlossen engagieren würden.

Da Mussolini als «Capo del Governo» mit seiner Partei über die parlamentarische Mehrheit verfügte und von König Vittorio Emanuele III. gestützt wurde, konnte er sein Korporatismus-Konzept bereits Anfang 1925 durchsetzen und seinem Regime alle Gewerkschaften unterwerfen. Um Italien in der Getreideproduktion autark zu machen, zwang er die landwirtschaftlichen Korporationen zu einem Kraftakt und rief zur «Battaglia del grano» auf. «In fünf bis zehn Jahren wird Italien wirtschaftlich vom Auslande unabhängig sein. Bis dahin ist die Weizenschlacht zu schlagen, und im Übrigen ist zu schweigen»[32], deklarierte Mussolini auf seine gewohnt markige Weise. Die protektionistische und vor allem propagandistische «Weizenschlacht» zeigte tatsächlich Wirkung: Der Weizenertrag erhöhte sich bisweilen um zwanzig Prozent. Anfänglich waren viele Bauern von dieser Massnahme begeistert und Süditalien erlebte einen leichten wirtschaftlichen Aufschwung. Es dauerte jedoch nicht lange und die Kehrseite der Medaille wurde sichtbar: Der forcierte Weizenanbau führte zu einer Monokultur, in der die Produktion anderer Agrarprodukte ein tristes Schattendasein fristen musste.

Durch eine Reihe von Dekreten versuchte Mussolini jeden Widerstand zu unterdrücken. Die Umstellung ging aber nicht konfliktlos vom Stapel. Arbeiteraufstände entzündeten sich da und dort. Gewaltsame Konfrontationen ergaben sich insbesondere beim Streik der lombardischen Metallarbeiter und beim Zusammenstoss zwischen der sozialistischen «Federazione Impiegati Operai Metallurgici (FIOM)» mit den faschistischen Korporationen. Ein Gesetz vom 3. April 1926 über die «rechtliche Ordnung der kollektiven Arbeitsbeziehungen» setzte dieser Phase ein Ende. Mussolini machte die mit Machtbefugnissen ausgestatteten Präfekten der mit 17 neuen Provinzen erweiterten Verwaltungseinheiten für die Einhaltung der Regierungsdirektiven verantwortlich.[33]

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