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Wege in den Totalitarismus

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Die Machtübernahme Mussolinis wurde von zahlreichen kriminellen Übergriffen seiner faschistischen Partei begleitet. Höhepunkt dieser Gewaltakte bildete im Juni 1924 die Ermordung des sozialistischen Abgeordneten Giacomo Matteotti. Er wurde von fünf Squadristen, d. h. Mitgliedern der faschistischen Miliz, in der Nähe von Rom auf offener Strasse mit einem Dolch erstochen.[34] Aus Protest verliessen darauf die Aventianer genannten Antifaschisten – ein Zusammenschluss von Liberalen, Demokraten, Katholiken, Sozialisten und Kommunisten – die Abgeordnetenkammer.

Am 3. Januar 1925 hielt Ministerpräsident Mussolini, nach vorhergehender Absprache mit König Vittorio Emanuele III., eine folgenschwere Rede vor dem italienischen Parlament. Er übernahm die volle «politische, moralische und historische» Verantwortung für alles, was im Namen des Faschismus bislang geschehen war. «Wenn ein paar mehr oder weniger aus dem Zusammenhang gerissene Sätze genügen, um jemanden aufzuhängen – dann her mit dem Galgen, her mit dem Strick! Wenn der Faschismus nichts anderes gewesen ist, als Rizinusöl und Schlagstock und nicht höchste Leidenschaft der besten italienischen Jugend – meine Schuld! Wenn der Faschismus eine Verbrecherbande gewesen ist, dann bin ich der Chef dieser Verbrecherbande! […] Seien Sie versichert, meine Herren, dass innerhalb von 48 Stunden nach meiner Rede die Situation vollständig geklärt sein wird»,[35] verlautbarte Mussolini. Um dieser Ankündigung Nachdruck zu verleihen, verwies er auf Artikel 47 der Verfassung von 1848, die den Abgeordneten das Recht gewährte, Minister des Königs anzuklagen und vor das Oberste Gericht zu stellen.

Auf diese verhängnisvollen Rede liess Mussolini Taten folgen. Das Wenige, was vom liberalen Staat noch übrig geblieben war, löste er sukzessive auf. Parteien wurden ausser Kraft gesetzt und die Pressefreiheit aufgehoben. Oppositionsabgeordnete wurden mundtot gemacht. Ein Exempel hatte Mussolini schon ein gutes Jahr vorher statuiert, als seine faschistischen Schlägertruppen einen Anschlag auf den Journalisten und Politiker Giovanni Amendola ausgeübt hatten. Am 21. Juli 1925 wurde dieser von den Faschisten erneut überfallen und derart zusammengeschlagen, dass er später an den Folgen der Gewalttat starb. Das gleiche Schicksal erlitt der Publizist Piero Gobetti, der als Antifaschist den Ideen eines radikalen proletarischen Liberalismus nachhing. Er wurde am 5. September 1925 von Angehörigen der faschistischen Sturmabteilungen vor seinem Haus niedergeprügelt. Von seinen schweren Verletzungen konnte er sich ebenfalls nie mehr erholen. Mussolinis ehemaliger Freund Pietro Nenni, Chefredakteur der sozialistischen Zeitung Avanti, musste 1926 wegen Missachtung der faschistischen Obrigkeit nach Frankreich fliehen, und der kommunistische Intellektuelle Antonio Gramsci wurde auf Betreiben Mussolinis zu zwanzig Jahren Verbannung auf der nördlich von Sizilien liegenden Strafinsel Ustica verurteilt. Zahlreiche weitere Exponenten des Widerstands hatten keine andere Wahl, als ins ausländische Exil zu fliehen.

Obwohl das «Albertinische Statut» (Statuto Albertino) – die Verfassung des Königreichs Italien – 1925 formell noch in Kraft war, wurde der «Gran Consiglio del Fascismo» (Grosser faschistischer Rat) an die Spitze des Staats gestellt. Ministerpräsident Mussolini änderte seine Funktionsbezeichnung und erhob sich mit Billigung des Königs zum «Regierungschef» (Capo del Governo). Mit Verordnungen erliess er Gesetze, welche ihn mit weitreichenden Befugnissen ausstatteten, die dem Parlament entzogen wurden. Ein Sondergericht zur «Verteidigung des Staates» war nun für die Bestrafung aller gegen das Regime verübten Delikte zuständig. Zur Ahndung von Verbrechen gegen den Souverän, gegen die königliche Familie und gegen den Regierungschef selbst sorgte die wieder eingeführte Todesstrafe. Die berüchtigte «freiwillige Miliz für die nationale Sicherheit» wurde als eigener Korps unter der Befehlsgewalt von Mussolini in die Streitkräfte eingegliedert. Damit war die Vorherrschaft des Staates über die Bürger sanktioniert; es war der Triumph der absolutistischen Staatsauffassung Mussolinis nach den philosophischen Vorstellungen von Giovanni Gentile mit dem Etikettenschwindel «ethischer Zustand». Gentiles Motto «Alles, für den Staat, nichts ausserhalb des Staates, nichts gegen den Staat!»[36] (Tutto nello Stato, niente al di fuori dello Stato, nulla contro lo Stato!) war Realität geworden.

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