Читать книгу Still - Zoran Drvenkar - Страница 11

6

Оглавление

Ein Mensch kann sich nur für eine bestimmte Zeit vor dem Leben verstecken. Ein Mensch kann hungern und dürsten, ein Mensch kann verdrängen und neu anfangen, er wird aber nie die Erinnerung daran verlieren, wie es ist, ein Mensch zu sein. Ich erinnere mich sehr gut, auch wenn ich mich jeden Tag mehr und mehr vom Menschsein entferne.

Das Zimmer meiner Tochter befindet sich im ersten Stockwerk am Ende des Flurs. Das Licht leuchtet am Abend beruhigend unter der Tür hervor. Wir haben ihr die Lampe geschenkt, als sie mit fünf Jahren Angst vor der Dunkelheit hatte. Es ist eine Jugendstillampe mit einem sich drehendem Papierschirm. Auf dem Schirm sind Papageien abgebildet, die zwischen Baumwipfeln fliegen. Das Licht verwandelt ihr Zimmer in einen magischen Ort, der voller Abenteuer ist. Ich betrete es nicht mehr. Das letzte Mal war ich voller Wut und habe ein Loch in die Wand geschlagen. Ich lerne dazu, ich reiße mich zusammen.

Ihr Name hängt in bunten Buchstaben an der Tür. Das eine S verrutscht immer wieder, ich rücke es gerade und hoffe, daß meine Tochter merkt, daß ich das für sie tue. Wir haben es schwer miteinander. Ich gehe ihr, so gut ich kann, aus dem Weg, wie man jemandem aus dem Weg geht, der einen daran erinnert, wer man einst gewesen ist. Manchmal lege ich die Hand auf ihre Türklinke, weiter komme ich nicht. Oder ich decke den Tisch für uns beide. Dann gibt es Tage, da liegt ihr Name wie ein schweres Gewicht auf meiner Zunge, und kein Ton kommt heraus. An solchen Tagen denke ich nur an meine Tochter, ich denke nie an meine Frau, die ihr neues Zuhause auf der anderen Seite der Stadt gefunden hat. Sie sagt, mein Leben wäre eine Lüge, sie erträgt mich nicht mehr.

Oft stelle ich mir vor, was meine Frau für ein Gesicht machen würde, wenn sie die zwei Teller auf dem Tisch sehen würde. Gläser. Besteck. Servietten. Manchmal eine Kerze. Ich kann ein guter Vater sein, ich kann einen Tisch decken und es anständig aussehen lassen. Ich tue es nicht für meine Frau, denn ich suche nicht mehr ihre Zustimmung, ich tue es für unsere Tochter und die Normalität im Leben. Unseres Lebens.

An besonders guten Tagen hinterlasse ich meiner Tochter einen Zettel mit einer Nachricht, aber kaum kehre ich von der Arbeit zurück, zerknülle ich das Papier hastig, ohne einen weiteren Blick darauf zu werfen. Sie soll es nicht lesen, sie soll es lesen. Ich weiß nicht, was ich will. So werden aus besonders guten Tagen besonders schlechte Tage.

Still

Подняться наверх